VI. Zeugnisse der Päpste
durch die feierliche Berufung auf diese ihre apostolische Vollmacht in Glaubens-Entscheidungen im Angesicht der ganzen Kirche
Apostolisches Richteramt Teil 2 (399 bis 1484)
Insonderheit aber leuchtete die Ausübung dieses Rechtes in der Verurteilung der so berüchtigten und weit um sich reißenden Irrlehre der Pelagianer, durch Innozenz und Zosimus. – Als nämlich Pelagius und sein Gehilfe Cölestius ihre Irrlehren zu verbreiten anfingen, ergriffen die Bischöfe von Afrika, im Konzil von Karthago und Milevi versammelt, sogleich ihren Rekurs nach Rom, und hielten um ein definitives Urteil an. Innozenz lobte ihren Eifer. Den Bischöfen des Konzils von Karthago antwortete er: „Ihr Rekurs sei ein Beweis, dass sie wohl wüssten, was sie dem apostolischen Stuhl schuldeten.“ „Ad nostrum referendum esse approbastis judicium, scientes quid debeatur apostolicae sedi.“ – Ausführlicher noch lautet die Antwort und Billigung an die Väter des Konzils von Milevi.
Die richterlichen Aussprüche und Glaubens-Entscheidungen Roms ergingen als Lehre-, Unterricht- und Glaubensnorm in alle Welt
„Sehr zweckmäßig“, schreibt Innozenz, „beratet ihr die wissenschaftlichen Tiefen der apostolischen Würde, der es, nebst der äußeren Sorge aller Kirchen, obliegt, zu beantworten, welche Meinung in zweifelhaften Dingen zu halten sei; – darin seid ihr der alten Regel gefolgt, von der ihr mit Mir wisset, dass sie von der ganzen Welt stets sei beobachtet worden.“ – „Antiquae scilicet regulae formam secuti, quam toto semper orbe, mecum nostis esse servatam.“ –
Diese Beantwortung nennt in demselben Schreiben Innozenz „eine gewöhnliche Beschäftigung des apostolischen Stuhles.“ (…)
Und die Folge dessen war, dass fortwährend die richterlichen Aussprüche und Glaubens-Entscheidungen Roms als Lehre-, Unterricht- und Glaubensnorm in alle Welt ergingen, wie Innozenz gleichfalls als weltkundig beisetzt: „wissend nämlich, dass durch alle Provinzen von dem apostolischen Quell, den Fragenden die Antworten stets zufließen.“ „Vorzüglich, so oft es sich um Dinge des Glaubens handelt, sollen alle Brüder und unsere Bischöfe, nur zu Petrus, d. i. zu dem Stifter ihres Namens und ihrer Würde alles berichten, so wie es nun Eure Lieben getan, was dann durch die ganze Welt allen Kirchen gemeinschaftlich zu Gute kommt.“ (…)
„Darum schließen wir in Kraft apostolischer Autorität Pelagius und Cölestius, als Erfinder neuer Worte, von der Kirchengemeinschaft aus.“ So war und blieb es, und dies alles war alte, von aller Welt stets anerkannte Regel; ja von den Ketzern selbst anerkannte Regel, – selbst von dem sonst so spitzfindig unterscheidenden Pelagius. (…) – Er wagte es nicht, gegen diese Autorität zu distinguieren, wie es leider später andere Irrtums-Konsorten, die Anhänger des neuen Anti-Pelagius, – wir meinen die Jansenisten mit ihren Anhängern – taten.
Das Streben der meisten Irrlehrer war es, katholisch und als solcher vom apostolischen Stuhl anerkannt zu heißen
Im Gegenteil, Pelagius war nur darauf bedacht, sich vor Rom zu rechtfertigen, – täuschen wollte er die Autorität des apostolischen Stuhles durch List, – dessen absolute Kompetenz stellte er nicht in Frage. – Im Gegenteil, er schließt seine Rechtfertigungsschrift mit der Erklärung: „Wenn darin vielleicht etwas minder richtiges oder unbehutsames vorkommt, so wünschen wir es von Dir verbessert, der Du den Stuhl und den Glauben Petri hältst.“ – „Emendari cupimus a te, qui Petri fidem et sedem tenes.“ – „Wenn aber unser Bekenntnis durch das Urteil Deines Apostolats gutgeheißen wird, nun dann wird jener, der mich bemakeln will, beweisen, dass er selbst nicht katholisch ist; nicht aber, dass ich ein Ketzer sei.“ –
Auch sein Freund Cölestius begab sich in gleicher Absicht selbst nach Rom, da er es nicht wagte, den Briefen Innozenz zu widerstehen, sagt Augustin, sondern alles, was dieser Stuhl verdamme, auch zu verdammen versprach. (Aug. I. II. de pecc. orig. cap. VII)
Katholisch und als solcher vom apostolischen Stuhl anerkannt zu heißen, war das Streben der meisten Irrlehrer. So hatte sich auch vorher schon Priscillian mit seinen Gesellen an Damasus gewendet, „ut objecta purgaret“, wie Sulpitius Severus erzählt. Damasus ließ jedoch den Ketzer nicht vor sein Angesicht. Er durchschaute seine Heuchelei. So machten es die Päpste immer, sagt Lupus. Kein Ketzer, – es sei dann er habe sich bekehrt und feierlich den Irrtum abgeschworen, – hatte je das Angesicht des Papstes gesehen. Wir wissen, dass es dem unberufenen, eigenmächtigen Kirchen-Reformator von Pistoja, bei Pius VI. ebenso erging.
Papst Zosimus entschied in der Sache der Irrlehrer Pelagius und Cölestius
Was Pelagius betrifft, so traf seine Rechtfertigung nicht mehr Innozenz, sondern sie gelangte an dessen Nachfolger Zosimus. Dieser ging, wie es die Wichtigkeit der Sache erforderte, mit der vom apostolischen Stuhl so ausgezeichnet eigenen Ruhe und Umsicht vor sich, und tadelte die Hitze der Afrikaner, welche sich kurz daran hielten, Innozenz habe schon entschieden. Allerdings, schreibt Zosimus an sie, müsse das Urteil des apostolischen Stuhles in seiner Kraft bleiben; er habe aber auch nichts dagegen entschieden, sondern nur nähere Aufklärung haben wollen, indem Cölestius den Rekurs an den apostolischen Stuhl genommen, zur Besserung dessen, was gefehlt sein könnte, sich erboten, und seine Ankläger vorgefordert habe, die ihm zur Last gelegten Vergehen zu beweisen. –
In solchen Dingen dürfe nicht oberflächlich zu Werke gegangen werden; und nun fügt Zosimus jene klassische Stelle bei, die wir oben angeführt. Nachdem Zosimus mit Ernst und Muße alles geprüft, erfolgte die Verdammung der Irrlehre, und die erforderliche Kundgebung an alle Kirchen mit einer Machtvollkommenheit und Wirkung, über die uns Augustin das herrlichste Zeugnis gibt, das wir nur immer verlangen können. „Von Rom sind Antwortschreiben gekommen“, ruft er aus, „derStreit ist entschieden.“ „Rescripta venerunt, causa finita est“, – utinam finiatur et error.“ Wenn nur auch der Irrtum ein Ende hätte! (Serm. II. de verb. Apost.) –
Widerspruch gegen päpstliche Aussprüche ist der Hoffart der Verblendeten geschuldet
Nicht an der höchsten und entscheidenden Kompetenz liegt der Mangel, sondern an der Halsstarrigkeit, der durch Hoffart und Irrtum Verblendeten, liegt die Schuld, wenn nach päpstlichen Aussprüchen noch ein Widerspruch stattfindet. „Was forderst du denn noch für ein Examen“, schreibt er an Julian, „da dasselbe bereits von dem apostolischen Stuhl vorgenommen wurde?“ Daher gehört auch die oben angeführte Stelle des hl. Prosper: „Papst Zosimus habe durch seine Entscheidung die rechte Hand der Bischöfe mit dem Schwert Petri gewaffnet!“
Mit welcher Machtvollkommenheit Papst Cölestin den Häresiarchen Nestorius bereits vor dem Konzil von Ephesus gerichtet, haben wir oben schon mitgeteilt.
Es kann nicht leicht etwas Herrlicheres und Entscheidenderes in dieser Hinsicht geben. Dasselbe gilt von Leo und seinem dogmatischen Schreiben, von dem ebenfalls schon oben ausführlich die Rede war.
Dieses apostolische oberste Richteramt übte Felix II. im fünften Jahrhundert gegen Akazius, Petrus Mogus und Fullo, und verdammte ihre Irrtümer; – sie waren und blieben – gerichtet.
Desgleichen tat Agapet in der Streitsache des Anthimus. Das päpstliche definitive Urteil erklärte ihn des Patriarchats verlustig. Durch solch ein Urteil verdammte Johann IV. († 642) die Ekthsis des Kaisers Heraklius; Papst Theodor IV. († 649) die Anhänger des Paulus von Konstantinopel; Leo III. den ketzerischen Bischof Felix Ungellitanus. Sie waren und blieben – gerichtet.
Von den peremptorischen Glaubens-Entscheidungen der Päpste Hadrian I. und II., und Nikolaus war bereits oben die Rede.
In dieser Machtfülle des obersten Stuhles verdammte Leo IX. die Umtriebe des Michael Cerularius und das griechische Schisma; – Viktor II. die Irrlehre Berengars; Gregor VII. die Henricianer; Innozenz II. die Irrtümer des Abälard, welches Urteil, weil, wie oben bemerkt, vom Papst in Anwesenheit eines allgemeinen Konzils, doch ohne Einvernehmen desselben, ausgesprochen, gewiss der evidenteste Beweis ist, wie sehr die Nachfolger Petri ihres Rechtes sich bewusst, und wie dasselbe in kirchlicher Sphäre anerkannt gewesen sei. –
Der Papst entscheidet im Bewusstsein seines Rechtes als Nachfolger Petri
Merkwürdig sind in dieser Hinsicht auch die Worte Bernards, mit welcher er im Namen des ganzen Konzils von Soissons (Ep. 192) an den Papst schreibt: „ Ich halte dafür, dass man jede Beeinträchtigung des Glaubens da zu ersetzen habe, wo der Glaube selbst keinen Mangel erleiden kann – „ubi fides non possit sentire defectum“ – Dies ist die Prärogative dieses Stuhles – „haec quippe praerogativa hujus sedis“; – denn, wem anders ist es je gesagt worden: „Ich habe für dich, Petrus, gebetet, dass dein Glaube nicht wanke.“
Also, was darauf folgt, wird vom Nachfolger Petri verlangt: „und du einst stärke deine Brüder.“ Dazu ist nun die Zeit etc.“ Und wieder: „Ich habe denjenigen ermahnt, dem von Gott Gewalt gegeben ward, jede abweichende Behauptung zu verwerfen, und jede sich gegen die Wissenschaft Gottes erhebende Höhe zu beugen, und jeden Verstand im Dienst Gottes zu fesseln.“ „et in captivitatem redigendum omnem intellectum ad obsequium Christi“ –
Wohlgemerkt eine solche bindende Kraft erkennt Bernard mit dem Konzil von Soissons und mit der ganzen Kirche seiner Zeit in den Glaubens-Entscheidungen des Papstes – „captivantem omnem intellectum in obsequium Christi“ – Und der Papst in dem Bewusstsein seines Rechtes entschied mit nicht minder kräftigen Worten: „Wir“, schreibt Innozenz in seinem Urteil, „die wir, obwohl unwürdig den Lehrstuhl des hl. Petrus einnehmen, dem einst vom Herrn gesagt wurde: „Du einst stärke deine Brüder!“ wir verdammen die Lehrsätze Petri (Abälardi) und legen ihm als Katzer ewiges Stillschweigen auf. „ (Conc. Tom. 10. pag. 1023)
In gleicher Machtfülle verdammt Eugen III. die Irrtümer Gilberts von Porret; Sixtus IV. die des Petrus Osma. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 234 – S. 241
Siehe auch den Beitrag: Apostolisches Richteramt Teil 1
Folgebeitrag: Luther als Zeuge für den Glaubensprimat des Papstes
Bildquelle
- GVasiCancelleriaengr__1: Wikipedia