VI. Zeugnisse der Päpste
durch die feierliche Berufung auf diese ihre apostolische Vollmacht in Glaubens-Entscheidungen im Angesicht der ganzen Kirche

Definitive Ausübung
durch welche
die römischen Päpste ihr oberstes richterliches, göttliches Recht in Glaubens-Entscheidungen durch alle Jahrhunderte ausgeübt, und Anerkennung der absoluten Kompetenz dieses Gerichtes von Seite der Kirche.

Auch in dieser Hinsicht, wie in jedem der vorhergehenden Abschnitte, tritt uns aus der apostolischen Urzeit selbst ein Zeugnis entgegen, welches gleich im Fundament das Recht, das wir in den Nachfolgern Petri behaupten, für jeden unbefangenen Denker in gründlichster Beweisführung feststellt.

Apostolisches Richteramt Teil 1 (88 – 399)

Dieses erste Faktum betrifft die Beilegung der Spaltungen und Glaubensstreite der Kirche von Korinth durch Clemens, Schüler und zweiten Nachfolger des hl. Petrus auf den apostolischen Stuhl zu Rom. –

Um diese Tatsache recht zu würdigen, muss man bedenken, dass, als die Korinther sich nach Rom um Entscheidung wandten, in der viel näheren Kirche von Ephesus, noch der Lieblingsjünger und Apostel Johannes selbst lebte; dass ferner mehrere andere apostolische Kirchen, als die von Smyrna und Antiochia, weit näher lagen, als die Kirche von Rom; – und dennoch wandten sich die Korinther nicht an diese, nicht an den Apostel, sondern an den Nachfolger Petri zu Rom, welcher auch in aller Kraft seiner Amtsvollmacht ein Entscheidungsschreiben erließ, welches, wie Irenäus und Eusebius sich ausdrücken, wirklich den Frieden wieder herstellte, und die zerstörte Glaubenstreue befestigte.

Eine kostbare Urkunde der Amtsvollmacht in der korinthischen Frage

Welch kostbare Urkunde für das in apostolischer Zeit selbst anerkannte Glaubensvorrecht der römischen Bischöfe als Nachfolger Petri! Gewiss auf der Seite der von solcher Ferne, in solchen Umständen, Entscheidung und Hilfe Suchenden, sagt Rothensee, konnte nur die Erinnerung an den Auftrag des Herrn: „Schafe und Lämmer zu weiden, – die Brüder zu stärken“, und das Vertrauen auf Christi Verheißung, „dass die Glaubenstreue des für so wichtige Aufträge Ausersehenen fest stehen werde“, Aufforderung und Weisung sein dort Hilfe zu suchen, wo der Beauftragte, der Gekräftigte des Herrn, der Felsen, auf den er seine Kirche baute, fortlebt und fortwirkt; – dort wo der Einheits-, Mittel- und Stützpunkt gegen jede Spaltung zu finden war. –

Auf der anderen Seite konnte nur das lebhafte Bewusstsein der von Petrus mit seinem Stuhl geerbten Weide- und Stärkungspflicht, das kraftvolle Einschreiten des hl. Clemens leiten. –

Selbst die Centuriatoren von Magdeburg, diese so erbitterten Feinde der Kirche von Rom, konnten nicht umhin, „ein oberhirtliches Einschreiten“ in diesem Faktum anzuerkennen. –

Schmitz in seiner Dissertatio de potest. Legislat. Ecclesiae (Heidelberg, 1792), nennt das Benehmen der Korinther ganz bei dem rechten Namen, – er nennt es eine Rekurs. – Diesen aber nimmt man zur obersten kompetenten Stelle, welche also bereits in apostolischer Zeit, kraft dieser Tatsache zu Rom erkannt ward. –

Und wer vermag die Fügung der Vorsehung zu verkennen, die es so leitete, dass die in unseligem Schisma versenkte Kirche des Orients selbst die köstliche Urkunde aufbewahren, und dass der calvinisierende Patriarch Cyrill Lucar zu Konstantinopel das Werkzeug sein musste, dieselbe im Abendland zu verbreiten. (Vergl. den Katholik. August 1825, Seite 149)

Und nun von Clemens angefangen, sehen wir bis an unsere Zeit, vom päpstlichen Stuhl aus, auf die entschiedenste und entschiedenste Weise das göttliche Richteramt verwaltet, und unter Seinem Urteil die Irrtümer aller Jahrhunderte, gerichtet – sinken.

Auch die Nachfolger des hl. Clemens übten das apostolische Richteramt aus

Dieses apostolische Richteramt höchster Glaubens-Entscheidung nämlich übte, wie Clemens, Hygin im zweiten Jahrhundert, in der Streitsache des Valentin, Cerdon und Marcion aus; – verdammte die beiden ersteren, und söhnte letzteren mit der ganzen Kirche wieder aus, und zwar ohne weitere Anfrage; wobei Bercastel bemerkt (Borc. 1. I. 142):

„Alle Kirchen erkannten den Ausweisungsspruch des apostolischen Stuhles an und hielten sie von der Zeit an für nichts als Ketzer. – Der Kunstgriff auf der einen, (er meinte die Umtriebe dieser Ketzer, um den Papst zu hintergehen), und der Abscheu von der anderen Seite, zeigen auf gleiche weise, dass in dem Erben Petri, wie in Petrus selbst, ein Oberhirt da ist, der alle Schafe, sie mögen herkommen, woher sie wollen, (Valentin, Cerdon und Marcion kamen aus Alexandria, Syrien und Pontus) in die Herde aufzunehmen oder zurückzuweisen; über den Glauben eines jeden, der sich in der Kirche zum Lehrer aufwirft, zu richten, zu prüfen, zu genehmigen oder zu verwerfen, berechtigt ist.“ – Also Bercastel.

Eleutherius, auch im zweiten Jahrhundert, verdammte die Gnostiker. Dieses oberste, apostolische Richteramt übte Viktor gleichfalls im zweiten Jahrhundert gegen die Irrlehrer Theodot von Byzanz, Ebion und Artemon, verdammte ihre Lehren und stieß sie aus der Kirche; und überall galten sie, weil von Rom gerichtet, als Ketzer.

Dieses apostolische Richteramt übte Papst Zephirin († 219) im dritten Jahrhundert gegen die Irrlehrer Parexeas und Proclus, welche nach Rom eilten, um durch ein trügliches Glaubensbekenntnis Montan und Tertullian und somit ihre Sekte zu rechtfertigen. – sie wussten gar wohl, diese Häresiarchen, den Glauben der Christenwelt, dass, was Rom gutheiße, allenthalben gelte; was Rom verwerfe, gleichfalls verworfen werde; doch es schlug ihnen, wie Cerdon und Valentin, fehl. –

Der Papst richtete und exkommunizierte sie, und sie waren und blieben somit in den Augen der ganzen Kirche gerichtet; – das Urteil des Papstes galt allen als definitiv und peremptorisch.

Zu eben diesem Papst Zephirin nahm, um Aussöhnung und Wiederaufnahme zu erhalten, auch ein gewisser Natalius seine Zuflucht, welchen der Häresiarch Theodor durch Ränke und Gold betört hatte, ihr Bischof zu sein, gegen 150 Denare monatlicher Besoldung. – Im Bußsack und mit Asche bestreut, warf er sich dem Papst zu Füßen, bekannte reumütig seinen Irrtum und Fehler, und bat um Barmherzigkeit und Wiederaufnahme. (Eusebius V. 27) –

Auch die Ketzer wussten um das apostolische Richteramt der Päpste

So erkannte man von allen Seiten die Notwendigkeit, sich vor Rom zu legitimieren, und die Ketzerhäupter, so wie die von ihnen Verführten, wussten gar wohl, und bewiesen es durch Taten, wo, nach dem allgemeinen Christenglauben ihrer Zeit und Vorzeit, die „Principalitas potior“ zu suchen sei, „unde auctoritas praesto est“, wie Tertullian selbst bekennt; den aber leider später eben diese „Auctoritas“ verdammte. –

Und zu diesen Taten erhielten sie keine Aufforderungen von Rom, bedurften es auch nicht; sie wussten es andersher; – kein Consilium hatte es erst festgesetzt, kein Papstbrief vorgeschrieben, keine gemeinschaftliche Verabredung eingeführt. – Es war ein göttliches, durch die Erblehre der Kirche, stets offenbar und weltkundig anerkanntes Recht.

Dieses apostolische, oberste Richteramt übte Cornelius, im dritten Jahrhundert, gegen Novatus und Novatian, und verdammte ihre schismatischen Irrtümer, und so waren und blieben sie in den Augen der ganzen Kirche gerichtet.

Desgleichen tat Papst Dionysius. Er prüfte und verdammte die Irrlehren des Sabellius, wie des Paulus von Samosat, und belehrte bei dieser Gelegenheit die ganze hl. Kirche. Der Irrtum blieb, als durch rechtskräftiges Urteil, im Angesicht der ganzen Kirche verdammt und gerichtet.

Auch die heidnischen Philosophen wussten um dieses Richteramt

In diesem Jahrhundert schrieb auch Porphyr, ein heidnischer Philosoph, gegen das Christentum, und neckte in seinen Schriften die Christen unter andern, „dass Paulus dem Fürsten der Apostel und seinem Herrn, Vorwürfe zu machen sich erdreistet habe.“ – Es musste also doch wissen, in welchem Ansehen Petri Würde, den Christen galt, da er ihn sonst ja nicht den Herrn des Paulus hätte nennen können. Dasselbe erhellt aus dem Zeugnis des Heiden Ammianus Marcellinus, Schriftsteller dieser Zeit, der in seiner Geschichte, wo er von Athanasius und Constantius spricht, der obersten Richtergewalt des römischen Bischofs gleichfalls ausdrücklich Erwähnung tut.

Dieses apostolische oberste Richteramt übte Papst Damasus († 384), im vierten Jahrhundert gegen Apollinaris, Timotheus und Vitlais, und verdammte in der Machtfülle seines Amtes deren Irrtümer. Sie waren und blieben gerichtet. In Kraft dieses apostolischen Richteramtes verdammte gleichfalls Siricius († 399), den Häresiarchen Jovinian und seine Irrlehre; – sie war und blieb gerichtet.-
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 218 – S. 227