Die Visionen der Anna Katharina Emmerich
O Jesus! Du hast alle Macht und Liebe
„Wenn ich die Gemeinschaft der Heiligen im Licht sehe und all ihr Wirken und Lieben, ihr Ziehen und Weben in einander und durch einander, und wie Einer für und in dem Andern und Jeder Alles und doch ein Einzelner ist in dem unendlichen Glanz des Lichtes, so empfinde ich eine unaussprechliche Freude und Klarheit. Ich sehe dann nahe und ferne dunkle Gestalten, die Menschen, ich werde mit unwiderstehlicher Liebe zu ihnen hingezogen, für sie zu rufen, zu flehen zu Gott und den Heiligen, die in so süßer, liebender Bemühung zu helfen sind, daß mir das Herz vor Liebe springen möchte. Und da fühle ich lebendiger und deutlicher als den Tag, daß wir Alle in der Gemeinschaft der Heiligen leben und im beständigen Verkehr mit ihnen sind. Und dann bin ich voll Schmerzen, daß die Menschen so blind sind und hart. Ich rufe kühn zum Heiland: Du hast alle Macht, alle Liebe! Du kannst Alles, lasse sie doch nicht verderben! Sieh doch auf dein kostbares Blut! Und da zeigt Er mir, wie Er sich die rührendste Mühe um sie gibt. Siehe nur, spricht Er, wie Ich nahe bin, zu helfen, zu heilen, und wie sie Mich mit Gewalt zurück stoßen! Und da fühle ich seine Gerechtigkeit, wie die Gnade in gleicher Süßigkeit und Liebe. …“
„Oft werde ich von meinem Führer im Geist zu aller Menschen Elend geführt; ich bin bald bei Gefangenen, bald bei Sterbenden, bald bei Kranken, Armen, in Haushaltungen, in Zank und Sünde. Auch sehe ich schlechte Priester, ich sehe schlechtes gebet, Mißhandlung der Heiligtümer, der Sakramente. Ich sehe von den elenden Menschen die Gnaden, die Hilfe, den Trost, das ewige Labsal des heiligsten Sakramentes, das der Herr ihnen bietet, verschmäht, sehe wie sie sich abwenden, wie sie mit Gewalt den Herrn von sich stoßen. Und sehe alle Heiligen in sanfter, inniger Bewegung zu helfen, und sehe die Hilfe, die ihnen zur Stunde aus dem Schatz der Verdienste Jesu beschert war, den Er der Kirche vertraute, für sie verloren. Das rührt mich dann ungemein und ich sammle alle diese verlorenen Gnaden in meinem Herzen und danke dafür und sage zu Jesus: Ach, erbarme Dich deiner blinden, elenden Geschöpfe! Sie wissen ja nicht, was sie tun! Ach, siehe diesmal nicht auf ihr Unrecht! Ach Herr, bewahre doch diese Gnaden für die armen Blinden! Hebe sie ihnen auf auf ein andermal, daß ihnen dann geholfen wird! Ach, laß dein kostbares Blut doch nicht für sie verloren gehen! Und dann erhört der Herr oft meine Bitte, und sehe, wie Er es ihnen ein andersmal zukommen läßt, und das ist mir ein großer Trost.“ –
aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, zweiter Band, 1873, S. 50 – S. 51