Anna Katharina sitzt, an zwei dicken Kissen angelehnt, im Bett, der Kopf ist verbunden, sie hält und betrachtet ein Kruzifix, das sie in der Hand hält

Die Visionen der Anna Katharina Emmerich

Merke: Gott gebraucht jeden auf andere Weise

„Als ich daran dachte, wie ich so elend da liege, sagte ich zu Gott: was ist mit mir? Andere helfen und arbeiten; ich aber liege hier wie ein Krüppel. Ich bat, Gott möge mir eine Arbeit geben, die ich tun könnte. Da sah ich auf einmal eine Wirtsstube, worin sich die Leute stritten, und betete von Herzen, daß sie ruhen möchten. Und da sah ich, wie sie sich vertrugen und ruhig wurden. Dann gedachte ich armer, hilfloser Reisender und sah auf einmal einen armen, traurigen Mann auf der Landstraße hinschleichen, der nicht wußte, wovon leben und übernachten. Er dauerte mich sehr, ich betete für ihn; da kam plötzlich ein Kavalier angesprengt zu Pferde und fragte den Mann nebenher reitend, wo er her sei und wohin er wolle. Der Mann nannte ihm die Städte, die ich vergessen, da gab ihm der Reiter Geld und sprengte weiter. Der Mann stand verwundert und sah das Geld an: es waren vier Taler in ganzen Stücken. Er konnte gar nicht begreifen, wie er so viel erhalten und sagte: Gott ist doch wunderbar! Wäre ich nun in der Stadt schon angekommen, so hätte ich das Geld nicht erhalten. Nun sah ich, wie er überlegte, was er Alles mit dem Geld anfangen sollte: ich sehe ihn noch vor meinen Augen. Dann brachte mich mein Führer zu etwa zwanzig Kranken, deren Geschwüre ich aussog, sie zu heilen. Ruft mich mein Führer zu solchen Liebesdiensten, so folge ich blind. Wir gehen durch die Mauern und Türen hindurch zu den Kranken; er sagt mir, was ich tun soll. Ich sehe Alles durch und durch und wenn noch so viele Leute vor dem Bett des Kranken stehen, das hindert nicht; es ist überall Platz, Alles ist weit, Nichts kann den Raum beengen. Die Kranken schienen während der Hilfe zu schlafen oder ohnmächtig, aber sie werden besser. In Coesfeld habe ich es heute Nacht bei mehreren getan. Ich kenne einige davon, ein Wicht von zwölf Jahren: ich will mich erkundigen.“

„Solche Hilfe geschieht von mir nur in christlichen Landen; in fernen, heidnischen Landen schwebe ich mehr über der Dunkelheit hin und flehe mit großer Rührung um Erleuchtung. Ich glaube, daß Jeder, der von Herzen für solche Leidende mit dem Wunsch betet, so er es tun könnte, gleiche Hilfe zu leisten, auch solche Hilfe tut. …“

„Ich habe auch an geistig Kranken zu pflegen und zu heilen; so wurde ich von meinem Führer in ein geistiges Hospital gebracht, das mit Kranken jeder Art, Alters, Geschlechtes und Standes angefüllt war… Alle diese Kranken waren in der Seele krank durch Sünden und Leidenschaften, und diese Krankheiten erschienen an ihrem Leibe äußerlich abgebildet. Ihre Lage war bezeichnet durch die Armut oder Bequemlichkeit ihres Lagers. Die Armen lagen auf Stroh an der Erde, Andere in unreinen oder reinen Betten, wodurch ihre bessere oder verderbtere Umgebung abgebildet wurde. Einige lagen ganz darnieder, Andere saßen aufrecht u.s.f. Ich sprach nicht mit ihnen und sie nicht mit mir; aber wenn ich sie verband oder ihre Wunden und Geschwüre aussaugte, mit Weihwasser besprengte, heimlich mit Reliquien berührte, wurden sie freundlich und geheilt. Die, welche durch Trägheit sündigten, hatten kranke, lahme Hände oder Füße; die, welche zum Diebstahl oder zu schlechten Wegen geneigt waren, hatten Zuckungen oder Krämpfe oder Geschwüre in diesen Gliedern. – Geheime Leiden lagen in versteckten Geschwüren und mussten durch Umschläge verteilt oder durch Zugpflaster heraus gezogen werden. Es waren auch Kopfkranke da, welche mit unnützem Forschen sich plagten. Ich sehe sie so, daß sie, verwirrt sinnend, vor sich hintaumeln und plötzlich mit dem Kopf gegen etwas anrennen und dann zu Verstand kommen…“

„Am Ende meiner Arbeit erhielt ich Beistand von noch einigen Jungfrauen. Dann wurde ich von meinem Führer wieder hierher gebracht und es wurde mir nochmals strenge verwiesen, daß ich meine, ich tue Nichts; alles Dieses hätte ich getan, Gott gebrauche Jeden auf andere Weise. …“ –
aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Zweiter Band, 1873, S. 52 – S. 54