Anna Katharina sitzt, an zwei dicken Kissen angelehnt, im Bett, der Kopf ist verbunden, sie hält und betrachtet ein Kruzifix, das sie in der Hand hält

Die Visionen der Anna Katharina Emmerich

Pius VII. in großer Bedrängnis

Die letzten fünf Jahre des Pontifikates waren für Pius VII. eine nicht minder harte Prüfungszeit, wie seine Gefangennehmung durch die Schergen Napoleons, und wie es Kerker, Bande und Mißhandlung gewesen, die er so lange zu ertragen hatte. Ja, es ist erlaubt, aus der unvergleichlichen Würde und Seelengröße, mit welcher der erhabene Dulder den herbsten Unbilden seines übermütigen Bedrängers zu begegnen wußte, auf spätere Trübsale einen Schluß zu ziehen, so musste es seinem edlen, großen Herzen leichter gefallen ein, dem mächtigen Eroberer wehr- und schutzlos gegenüber zu stehen, als nach seiner Befreiung das Gewebe von Täuschung, Verrat und Hinterlist um den heiligen Stuhl gesponnen zu erblicken, durch welches er gehindert werden sollte, den Pflichten seines obersten Hirtenamtes für die katholische Kirche in den deutschen Landen gerecht zu werden. In beiden Abschnitten seiner sorgen- und leidensvollen Regierungszeit war Anna Katharina vielleicht das ausgezeichnetste unter den verborgenen Werkzeugen, durch welche von Gott dem Oberhaupt der Kirche Hilfe gesendet und seinen Widersachern entgegen gearbeitet wurde. Wie in unsern Tagen Maria von Mörl für Gregor XVI. und Pius IX. zu beten und zu ringen hatte, und wie in Zeiten besonderer Nöten und Gefahren der Kirche ihre Leiden einen ganz außerordentlichen Grad erreichten, so war Anna Katharina während des ganzen Pontifikats von Pius VII. das treue Abbild der apostolischen Gemeinde von Jerusalem, welche ohne Unterlaß ihr Gebet zu Gott für Petrus darbrachte, so lange er von Herodes gefangen wurde. (Apostelgesch. 22, 5) Es ist freilich nur Weniges, was sie daraus dem Pilger erzählen konnte; aber Leser, welchen die Fäden jenes Gewebes im einzelnen bekannt geworden sind, werden sich ebenso von der Wahrheit des Geschauten überzeugt, als von der Größe der Aufgabe der Begnadigten überrascht finden.

15. November 1819

„Ich musste nach Rom. Ich sah den Papst zu nachgiebig in wichtigen Angelegenheiten mit den Andersgläubigen. Es ist in Rom ein schwarzer Mann, welcher durch Schmeicheleien und Verheißungen viel zu erschleichen weiß. Er steckt sich hinter Kardinäle; und der Papst, im Vertrauen, etwas zu erreichen, hat in etwas eingewilligt, was nachteilig ausgebeutet werden wird. Ich sah dies in Form von Zusammensprechen und Schriften-Abgeben. Dann sah ich den schwarzen Mann von seiner Partei hoffärtig prahlen: nun habe ich es heraus! Nun wollen wir bald sehen, wo der Fels bleibt, auf den die Kirche gebaut ist. Aber er hatte zu früh geprahlt. Ich musste zum Papst gehen. Er lag auf den Knien betend. Ich stand über ihm. Es war wunderbar, ich sagte ihm mit großem Eifer, was mir aufgetragen war; doch war es, als sei etwas zwischen uns, und er redete auch nicht mit mir. Aber ich sah ihn plötzlich aufstehen und schellen. Er ließ einen Kardinal rufen, dem er einen Widerruf in Betreff der Nachgiebigkeit auftrug. Der Kardinal war bestürzt und fragte, woher er diese Meinung habe. Der Papst sagte, das sage er nicht, genug, es müsse so sein. Da ging der andere erstaunt ab. Ich sah in Rom noch viele fromme Leute, welche sehr betrübt über die Intrigen des Schwarzen waren. Er sah aus wie ein Jude.“

12. Januar 1820

„Mein Führer sagte mir, ich solle zum Papst gehe und ihm im Gebet bewegen. Er wolle mir schon alles sagen, was ich zu tun habe. Ich kam nach Rom. Es ist wunderbar, ich gehe durch die Wände und stehe oben in einer Ecke und sehe auf die Menschen herab. Wenn ich bei Tag daran denke, kommt es mir ganz seltsam vor. Oft bin ich auch bei andern Menschen so. Ich musste aber dem Papst im Gebet sagen, er solle sich mehr zusammen nehmen, denn die Sache, welche man jetzt so listig verhandle, sei von großen Folgen; er solle mehr sein Pallium gebrauchen, worin er größere Stärke und Gnade des hl. Geistes habe. Es ist etwas mit diesem Mäntelchen wie mit dem Schmuck, welchen der Hohepriester im alten Testament anlegen musste, wenn weissagte. Nun aber meinen sie, der Papst könne es nur an gewissen Tagen anlegen; die Not hat aber keine Zeit. Er müsse auch die Kardinäle öfter feierlich versammeln. Er verrichtet diese Handlungen zu still und häuslich und wird oft betrogen. Die Feinde kommen täglich listiger. Es ist jetzt die Rede davon, daß die Protestanten mit über die katholische Geistlichkeit regieren sollen. Ich habe ihm sagen müssen, er solle drei Tage um den hl. Geist flehen, und dann würde er das rechte tun. Viele von seiner Umgebung taugen nichts; diese aber solle er öffentlich beschämen; sie würden sich vielleicht bessern.“

13. Januar 1820

„Ich war wieder in Rom bei dem Papst. Er ist noch fest entschlossen, nichts zu unterzeichnen. Die Andern werden aber auf eine listigere Art wieder anfangen. Ich sah abermals die Tätigkeit des kriechenden, listigen, schwarzen Menschen. Die geben so oft Dinge fort, welche sie notwendig wieder haben müssen.“

Am 15. Morgens fand der Pilger sie ganz wie zerschmettert. Die ganze Nacht hindurch und noch jetzt bebten ihr alle Glieder und schmerzten von der schrecklichen Ausreckung. Sie sagte:

„Gestern Morgen sei ihr dieses Leiden schon auf Nachmittag drei Uhr von ihrem Führer angekündigt gewesen, sie habe aber Aufschub bis zur Dunkelheit sich erbeten. Sie verhalte sich dabei ganz leidend und lasse Alles ohne Widerstand mit sich anfangen. Sie selbst sei gar nicht tätig dabei. Es seien drei gewesen, welche sie so heftig ans Kreuz gespannt und sie mit Peitschen und Ruten zerhauen hätten. Sie wüßte nicht, wer es gewesen. Sie sehe die Not, für welche sie leide, immer voraus und habe dann eine große Begierde zu helfen und zu leiden. Sie habe heute Nacht gesehen, daß der Papst nichts zugeben werde, er werde die bösen, listigen Vorschläge nicht unterzeichnen, entstehe auch daraus, was da wolle. Sie sehe schier alle Bischöfe ganz schlafend. Sie haben aber einen Papst kommen sehen, etwa in den vierzigern, der auf Alles strenger sehen werde. Sie habe ihn in der Ferne gesehen in einer Stadt, etwas mittäglicher als Rom, er habe kein Mönchskleid angehabt, aber doch etwas wie ein Kreuz, ein Ordenszeichen. Der Zustand der Kirche sei ganz außerordentlich betrübt. Die Gegner seien so listig und fein, und die Geistlichen seien so träge und furchtsam und gebrauchten die von Gott empfangene Gewalt nicht. Sie habe einige gesehen, welche Papst zu werden wünschten, aber nicht würden. Ihre Marter sei auf der Höhe eines Berges in liegender Stellung geschehen; sie habe alles überschauen können. Der Prophetenberg sei ihr gegenüber gewesen. Ich fühle noch besonders heftig die Schnürung der Stricke von heute Nacht. Einmal hatte ich einen Strick um den Leib und stürzte plötzlich zusammen, und da zerrte mich der Strick so heftig. Es ist mir, als seien alle meine Adern und Nerven zerrissen. Ich habe solche Martern für Andere erst nach der Firmung erhalten; früher peinigte ich mich immer nur selbst. Alle meine seltsamen Zufälle und Krankheiten waren dieser Art, besonders im Kloster.“

10. August 1820

„Ich sehe den hl. Vater in großer Bedrängnis. Er bewohnt einen anderen Palast und läßt nur wenige Vertraute vor sich. Würde die schlechte Partei ihre große Stärke kennen, sie wäre schon losgebrochen. Ich fürchte, der hl. Vater wird vor seinem Ende noch große Drangsale leiden müssen. Die schwarze Afterkirche sehe ich im Wachsen und in üblem Einfluß auf die Gesinnung. Die Not des hl. Vaters und der Kirche ist wirklich so groß, daß man Tag und Nacht zu Gott flehen muss. Es ist mir viel zu beten aufgetragen für die Kirche und den Papst… Ich ward diese Nacht nach Rom geführt, wo der hl. Vater in großer Bedrängnis noch verborgen ist, um üblen Zumutungen zu entgehen. Er ist sehr schwach und von Trauer, Sorge und Gebet ganz erschöpft. Er hat sich hauptsächlich verborgen, weil er Vielen nicht mehr trauen kann. Es ist aber ein alter, einfältiger, sehr frommer Priester bei ihm, der sein Freund ist und den man als einfältig gar nicht der Mühe wert gehalten ihn aus seiner Nähe wegzuschaffen. Dieser Mann aber hat viele Gnade von Gott. Er sieht und merkt Vieles und teilt es dem hl. Vater treulich mit. Diesem musste ich Mehreres im Gebet eröffnen über Verräter und schlecht Gesinnte unter den vertrautesten hohen Beamten des hl. Vaters, das er ihm hinterbringen musste. Auf diese Weise ist er vor dem gewarnt, der bis jetzt Alles machte, und er wird nichts mehr machen. Der Papst ist so schwach, daß er allein nicht mehr gehen kann.“ (vgl. dazu den Beitrag: Das Pontifikat von Pius VII.) –
aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Zweiter Band, 1873, S. 257 – S. 272