Anna Katharina sitzt, an zwei dicken Kissen angelehnt, im Bett, der Kopf ist verbunden, sie hält und betrachtet ein Kruzifix, das sie in der Hand hält

Die Visionen der Anna Katharina Emmerich

Die Vision von zwei Kirchen und zwei Päpsten

Vorbemerkung:

Wer diese Vision im ganzen gelesen hat, muss zu dem Ergebnis kommen, daß die im Internet kursierenden Auszüge – aus dem Zusammenhang gerissen – ohne Quellenangabe und ohne Nachprüfung einfach abgeschrieben wurden; damit wird der Eindruck erweckt, daß sich diese Vision auf die heutige Zeit bezieht, was jedoch nicht möglich ist; denn Anna Katharina Emmerich redet von einem „wunderbaren Bild von zwei Kirchen und zwei Päpsten“, nämlich von Papst Bonifatius IV. und Papst Pius VII.

13. Mai 1820

„Ich habe diese Nacht von 11 Uhr bis 3 Uhr Morgens ein ganz wunderbares Bild von zwei Kirchen und zwei Päpsten gehabt und von außerordentlich vielen alten und neuen Sachen. Was ich noch weiß, will ich sagen, so gut ich kann. Es kam mein Schutzengel und sagte, daß ich nach Rom müsse und dem Papst zwei Sachen bringen. Ich weiß nicht mehr, was es war, und es ist vielleicht der Wille Gottes, daß ich es nicht mehr wissen soll. Ich sagte, wie ich denn so weit reisen könne, da ich so krank sei. Da ich aber hörte, ich würde schon gut hinkommen, sperrte ich mich nicht lang. Es stand ein wunderbarer Wagen vor mir, ganz flach und dünn, er hatte zwei Räder, der Boden war rot, es war ein weißer Rand herum. Pferde sah ich nicht; man legte mich sachte darauf, und indes sah ich ein schneeweißes, leuchtendes Kind von der Seite gegen mich heran schweben und sich zu meinen Füßen auf den Wagen setzen. Dieses Kind erinnerte mich an das grüne Geduldskind. Es war ungemein lieblich und süß und ganz durch und durch scheinend, es war mir zu Trost und Pflege mitgegeben. Der Wagen war ganz dünn und glatt, so daß ich meinte, ich würde vielleicht herunter gleiten. Er bewegte sich aber sachte ohne Pferde. Ich sah nur einen leuchtenden Mann vorn hergehen. Die Reise dauerte nicht lang, doch zogen wir über viel Land und Gebirge, auch über großes Wasser. Als wir ankamen, erkannte ich Rom. Ich war auch bei dem Papst. Ich weiß nicht mehr, ob er betete oder schlief. Ich musste ihm zwei Punkte sagen oder geben und erfuhr auch, daß ich noch einmal her müsse, ihm einen dritten Punkt zu melden. Hierauf erhielt ich ein wunderbares Gesicht.

Gesicht von Papst Bonifatius IV. (608-615)

Ich sah auf einmal Rom, wie es in früherer Zeit gewesen, und sah einen Papst Bonifatius (IV.) und einen Kaiser, dessen Namen ich nicht weiß (Phokas). Ich wußte mich gar nicht zu finden in der Stadt; Alles war anders, auch der Gottesdienst; doch sah ich, daß er katholisch war. Ich sah auch ein großes, rundes Gebäude, wie eine Kuppel. Es war ein Götzentempel voll von schönen Götzenbildern. Er hatte keine Fenster, aber oben in der hohlen Decke war eine Öffnung und über dieser eine Vorrichtung, das Wetter abzuhalten. Es war, als seien alle Götzenbilder darin, welche es gibt. Sie waren in allerlei Stellungen und viele waren sehr schön; aber sie haben doch auch sehr kuriose Bilder gehabt. So sah ich z. B. Gänse darin, die sie verehrten. In der Mitte des Götzentempels stand ein Gerüst, hoch, wie eine Pyramide zugehend und ganz mit Bildern besetzt. Ich sah keinen Götzendienst darin; aber Alles war noch erhalten. Ich sah Gesandte von dem Papst Bonifatius zu dem Kaiser gehen, um den Tempel für eine Kirche zu erbitten. Ich empfand deutlich seine Erklärung, der Papst solle die alten Götzenbilder stehen lassen und das Kreuz darin aufrichten, er, der Kaiser, wolle selbst diesem die größte Ehre darin erweisen lassen. Dieser Vorschlag kam mir ganz einfältig und nicht boshaft vor. Ich hab die Gesandten zurück kehren, und Bonifatius besann sich, wie er dem Willen des Kaisers einigermaßen nachkommen könnte. Hierauf sah ich, während er nachsann, einen frommen, einfachen Priester im Gebet vor einem Kreuz; er trug ein langes, weites Gewand, das hinten wie eine Schleppe hatte. Ich sah die Erscheinung eines Engels an seiner Seite, und wie er aufstand und sogleich zu Bonifatius ging und ihm sagte, daß er auf keine Weise in das Begehren des Kaisers einwilligen solle. Ich sah den Gesandten des Kaisers reisen, und wie dieser einwilligte, daß der Tempel geräumt werde. Ich sah auch die Leute des Kaisers kommen, und es wurden viele von den Götzenbildern fort geführt und in die Stadt des Kaisers gebracht; es blieben aber auch viele in Rom. Ich sah auch die ganze Einweihung des Tempels; die heiligen Märtyrer mit Maria an der Spitze waren dabei. Der Altar wurde nicht in die Mitte, sondern an die Mauer gesetzt. Ich sah mehr als dreißig Wagen heiliger Gebeine in die Kirche fahren. Viele wurden in die Wände eingemauert; andere konnte man sehen, es waren Öffnungen in der Mauer, vor welchen ein Schutz wie Glas war.

Gesicht von Papst Pius VII. (1800-1823)

Nachdem ich dieses Bild mit allen seinen kleinsten Umständen gehabt, sah ich den jetzigen Papst und sah, wie unter ihm eine andere dunkle Kirche in Rom entstand. Es war in einem großen, alten Haus, wie ein Rathaus; es standen auch Säulen davor. Ich sah nur Bänke und in der Mitte wie einenRednerstuhl. Es wurde da gepredigt und gesungen; sonst war nichts. Es waren nur sehr wenige Leute darin; ich sah aber ein wunderbares Schauspiel. Ein jeder zog einen andern Götzen aus seiner Brust und stellte ihn vor sich hin und betete ihn an. Es war, als zöge Jeder seine Meinung, seine Leidenschaft hervor wie ein schwarzes Wölkchen, und wie es heraus war, nahm es gleich eine bestimmte Gestalt an, und es waren lauter Figuren, wie ich sie an dem Halsgeschmeide der unechten Braut in dem Hochzeitshaus hängen sah, allerlei Menschen- und Tiergestalten. Der Gott des Einen war ganz kraus und breit, breitete viele Arme aus und wollte Alles umschlingen und auffressen; der Gott des Andern machte sich ganz klein und krümmte sich zusammen; ein Anderer hatte bloß einen hölzernen Knüppel, den er ganz verdreht anschaute, der Dritte hatte ein abscheuliches Tier, der Vierte eine lange Stange. Das Wunderbarste war, daß alle diese Götzen den ganzenRaum ausfüllten und daß die Kirche bei den wenigen Leuten ganz voll von Götzen war, so daß sie kaum Platz darin hatten, und wenn sie fertig waren, kroch der Gott eines Jeden wieder in ihn hinein. Das ganze Haus aber war dunkel und schwarz und alles, was darin geschah, war Dunkelheit und Finsternis. Nun wurde mir auch der Vergleich gezeigt zwischen jenem Papst und diesem und zwischen jenem Tempel und diesem. Es ist mir leid, daß ich die Zahlen vergessen, aber es wurde mir gesagt und gezeigt, wie schwach an Zahl und Beistand jener gewesen, wie stark aber an Willen, indem er so viele (auch mit Zahl) Götter gestürzt, und Andachten in eine Andacht gesammelt habe, wie stark dagegen dieser Papst an Zahl und wie schwach an Willen, indem er den einzig wahren Gott und die einzig wahre Andacht durch Gestattung des falschen Tempels in so viele Götter und falsche Andachten habe auflösen lassen. Auch wurde mir gezeigt, wie jene Heiden demütig doch andere Götter, als sich selbst, angebetet, und den einzigen Gott, die allerheiligste Dreifaltigkeit, auch hätten ausnehmen wollen in aller Einfalt, und wie ihre Andacht besser gewesen, als die Andacht dieser, welche sich selbst in tausend Götzen anbeteten und dem Herrn keinen Platz unter diesen Götzen einräumten. Alles dieses sah ich mit Zahl dort sammelnd, hier zerstreuend, und das Bild fiel durchaus vorteilhaft für jene aus. Ich sah auch, wie sehr übel die Folgen von dieser Afterkirche sein würden. Ich sah sie wachsen, ich sah viele Ketzer aller Stände nach der Stadt ziehen. Ich sah die Lauigkeit der dortigen Geistlichen wachsen, ich sah sich viel Dunkelheit dort mehr und mehr verbreiten. Nun erweiterte sich das Gesicht nach allen Seiten. Ich sah an allen Orten die katholischen Gemeinden gedrückt, bedrängt, zusammen geschoben und eingeschlossen werden. Ich sah viele Kirchen aller Orten sperren. Ich sah großes Elend überall ausbrechen. Ich sah Krieg und Blutvergießen. Ich sah das wilde, dunkle Volk gewaltig hervor brechen, doch währte dies nicht lang. Ich hatte das Bild wieder, wie die Peterskirche planmäßig durch die geheime Sekte abgetragen und auch durch Stürme abgebrochen werde.

Ich sah aber auch im höchsten Elend wieder die Nähe der Rettung. Ich sah die heilige Jungfrau wieder auf die Kirche steigen und den Mantel ausbreiten. Als ich diesen Blick tat, sah ich den jetzigen Papst nicht mehr. Ich sah eine Folgenden. Ich sah ihn mild und sehr ernst. Er wußte die Priester an sich zu schließen und die Bösen von sich zu stoßen. Ich sah Alles neu werden und sich eine Kirche bis in den Himmel hinein bauen. Ich sah jenen von den zwölf Aposteln dabei, den neulich die Hurenbraut heiraten wollte. Es war dieses Gesicht von großer Ausdehnung und umfaßte wieder Alles von den früheren Bildern von den Schicksalen der Kirche. Ich hatte auch bei einer Gelegenheit ein Bild von dem Widerstand des Generalvikars für die Kirche, welches großen Glanz auf ihn warf. In anderen Sachen war er fehlerhaft. Ich erfuhr, daß ich noch einmal zu dem Papst werde gehen müssen. Den Zeitraum, da alles dieses geschehen soll, kann ich nicht angeben.“

aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Zweiter Band, 1873, S. 263-267; Hervorhebung und Überschriften hinzugefügt.