Unfehlbarkeit des Papstes: Widerlegung der Einwürfe
Stuhl Petri und römische Synodalkirche sind unfehlbar, nicht der Papst allein
VII. Einwurf: Nur der Stuhl Petri ist unfehlbar, nicht der einzelne Papst
Man sagt:
VII. Einwurf:
„Man müsse unterscheiden zwischen dem Stuhl Petri und dem, der selben einnimmt. Der Stuhl Petri sei unfehlbar, aber nicht der einzelne Papst, der ihn gerade einnimmt.“
Wir fragen diese Herren: Was versteht ihr denn unter dem Stuhl Petri? Ist dieser etwas anderes, als der Inbegriff der kirchlichen Macht Petri, welche ungeteilt auf seine Nachfolger übergeht und übergehen muss? – Sind denn die Rechte seinem Sitz, wegen diesem selbst, oder wegen Dem gegeben, der auf demselben sitzt? – d. h., welcher als Nachfolger Petri in seine Würde und mithin in seine Rechte eintritt. So distinguierten die hl. Väter wahrlich nicht, welche mit Hieronymus ausriefen: „Ego Beatitudini tuae, id est, cathedrae Petri communione consortior.“ „Ich freue mich der Gemeinschaft deiner Heiligkeit, d. h. der Cathedra Petri.“
In eben dem Sinne schreibt Augustin von der Sekte der Pelagianer, bald dass Innozenz, bald dass der apostolische Stuhl sie verdammt habe. In diesem Sinne schreibt Prosper: „Der heilige Stuhl des seligen Petrus hat mit dem Mund des Papstes Zosimus durch die ganze Welt also gesprochen.“ „Sacrosancta B. Petri sedes per universum orbem, Papae Zosimi ore, sic loquitur.“
Das kirchliche Altertum und die Tradition weiß nichts von diesem Unterschied. Ihnen sind der Papst und der apostolische Stuhl in seinem kirchlichen Ansehen eins und dasselbe, völlig Synonyma; so wie Christus zu Petrus nach dem chaldäischen Urtext gesprochen; „Tu es petra.“ „Du bist der Fels“; und so alle kirchliche Nachwelt in Anerkennung der Würde Petri in seinen Nachfolgern; sie rufen einstimmig mit den Worten des sechsten Konzils: „Petrus lebt auf seinem Sitz – und durch Agatho hat Petrus gesprochen.“ Es ist auch an und für sich betrachtet eine so disparate und desparate Distinktion, dass Melchior Canus mit Recht von ihr sagte: „hanc distinctionem ratio aspernatur, repellit.“ (Loc. theol. Ep, 6.8)
VIII. EInwurf: Der Papst ist nur mit dem römischen Klerus unfehlbar
Man sagt nämlich:
VIII. Einwurf: „Die römische Synodalkirche, d. h. der Klerus in Rom, vereinigt, könne im Glauben nicht irren, nicht aber der Papst für sich allein genommen.“
Antwort:
Auch von dieser Distinktion weiß die Verheißung der hl. Schrift nichts, die an Petrus und seine Nachfolger gerichtet war. Ebenso wenig weiß die Tradition hiervon, sondern sie ist damit ganz im Widerspruch.
So wenig nämlich, wie wir oben nachgewiesen, die Tradition zur Kräftigung der Entscheidungen der römischen Bischöfe als Nachfolger Petri, die Zustimmung der übrigen Kirchen der Welt fordert; sondern im Gegenteil alle Beweiskraft des Glaubens derselben, letztlich aus der Gemeinschaft mit dem apostolischen Stuhl herleitet: ebenso wenig fordert sie die Beistimmung der römischen Klerisei; sondern allen Vorrang dieser in kirchlicher Hinsicht, leitet sie von dem in ihr gesetzten Stuhl Petri her, ohne welchen Stuhl die Kirche von Rom nicht wichtiger wäre, als irgendeine andere. Davon geben alle angeführten Stellen aus den Vätern und Konzilien Zeugnis.
Der Grund ihrer Glaubens-Unterwürfigkeit beruht einzig in der Sukzession und in der durch selbe in den Nachfolgern Petri lebenden Würde desselben, und nicht in der, der Klerisei von Rom. –
So, der öfter erwähnte heilige Hieronymus. –
Warum ist er bereit, sich dem Ausspruch des Damasus zu fügen? „weil ich mit dem Nachfolger Petri rede“, sagt er, – „quia cum successore Petri loquor, qui cathedram Petri tenes; et ideo quicumque tecum non colligit, spargit“, – wäre es auch die römische Klerisei, – „qui tecum non est“, „wer nicht mit dir ist, der ist des Antichrist!“
In ähnlicher Weise, wenn Petrus Chrysologus den Eutyches ermahnt, sich unbedingt dem Ausspruch des Papstes zu unterwerfen, ist sein Grund nicht die Autorität der Klerisei von Rom, sondern, weil Petrus auf seinem Sitz lebt und Antwort gibt – „quia Petrus in propria sede vivens, praestat quaerentibus fidei veritatem.“ Nicht weil die Klerisei von Rom ihnen beistimmt, jubeln die Väter des sechsten Konzils, sondern unumwunden rufen sie,
„Summus nobiscum certat Apostolorum princeps, eo quod ejus successorum habuimus fautorem. Charta et atramentum videbatur, et per Agathonem Petrus loquebatur.“ –
So die Väter des vierten und achten Konzils. –
Der Grund ihrer Glaubens-Unterwürfigkeit an die Entscheidungen und Normen des apostolischen Stuhles ist immer nur diese: „quia non potest praetermitti Domini nostri Jesu Christi sententia: „’Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam‘.“
Was ist der Grund der Gegner für ihre Behauptung?
Und was ist denn der Grund der Gegner, warum gerade der Papst mit dem Klerus von Rom vereinigt, erst volles Ansehen habe? –
Dieser: weil, sagen sie, bei der Versammlung so vieler Theologen und Kirchenhirten, die den Papst stets zu Rom umgeben, billig für ihn die Präsumption der Wahrheit stehe, dass seine Lehre auch die Lehre der ganzen Kirche sei. Allein dieser Grund ist an und für sich ein höchst ungenügender, da die Unfehlbarkeit kein Resultat menschlicher Klugheit ist, sondern immer als besondere göttlich gegebene Prärogative zu betrachten ist. Ferner fiele dieser Grund ja bei den Bekenntnissen der allgemeinen Konzilien ganz weg, wo die Präsumption der Wissenschaft im Glauben wohl ungleich mehr in ihrer Mitte zu suchen gewesen wäre, – in der Mitte von so viel hundert Bischöfen und Theologen, als in dem Klerus, welcher den Papst umgibt.
Der römische Klerus hat nie die Vorrechte des römischen Stuhl von sich abgeleitet
Ferner, wie will man uns eine Meinung aufdringen, von welcher der Klerus von Rom selbst nichts wissen will? – Nie hat der römische Klerus die Vorrechte des römischen Stuhles von sich abgeleitet, sondern er hat im Gegenteil seinen Vorzug in der Kirche, auf die Primatialwürde des römischen Bischofs gestützt. Näher dem Quell des Lichtes fanden sie sich von diesem natürlich selbst herrlicher umstrahlt. Überdies, wer ist wohl eifriger, als der Klerus von Rom selbst, für die in der Würde Petri unbedingt sich gründende apostolische Vollmacht des Papstes in kirchlicher Sphäre? –
Im gleichen Sinne und Bewusstsein äußerten sich von jeher auch alle die Päpste, wo sie in ihrer kirchlichen Machtsphäre und namentlich von diesem ihrem Recht Erwähnung tun, oder selbiges verteidigen. Sie behaupten mit Leo: Alles, was sie im Reich Gottes zur Schützung des Glaubens tun und getan, sei der Petro vom Herrn persönlich gemachten Verheißung, und der von ihm stammenden Primatial-Würde zuzuschreiben, (…)
Wenn also, ob dieser näheren Gemeinschaft mit dem Erben der Machtfülle Petri, die römische Kirche ihren Vorrang vor anderen behauptet, so wurzelt in diesem die Würde der römischen Kirche nicht und umgekehrt; so, daß Petrus Damianus mit Recht an Alexander II. schreiben konnte: „Vos apostolica, vos Romana estis Ecclesia.“
Endlich, wenn nur der Umstand, dass zu Rom stets viele Bischöfe etc. seien, der Grund der schuldigen Unterwürfigkeit für die Entscheidungen des apostolischen Stuhles wären, so bliebe diese dennoch nie innerlich bindend, wäre also doch eigentlich nie eine Glaubens-Entscheidung; denn diese Präsumption bliebe immer nur inner den Schranken einer größeren oder minderen Wahrscheinlichkeit, nie aber einer Gewissheit, wie sie eine Glaubens-Entscheidung verlangt, der man ein „internum mentis obsequium“ schuldig ist. –
Somit ist auch diese Ausflucht null und nichtig, und es übrigt nur noch, dass wir auf den letzten Anstand Antwort geben, den man aus wirklich erfolgten Irrtümern einnimmt, in welche, Päpste in Glaubens-Entscheidungen gefallen sein sollen. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 370 – S. 374
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