F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube
Erster Abschnitt – Gegenüberstellung der Lehrsätze
7. Die Buße und der Ablass
Das aufrichtige Christenherz, im Bewusstsein seiner Gebrechlichkeit, besonders wenn bereits der Vorwurf dasselbe quält, nach der Taufe wirklich schwer gesündigt zu haben, sehnt sich nach einem sicheren und von Christus selbst eingesetzten Mittel der Versöhnung. –
Die Buße
Das schuldbewusste Herz wünscht sich mitzuteilen, wie ein Kranker dem Arzt seine Krankheit klagt, um von ihm ein passendes Heilmittel zu erlangen, oder wie ein Schuldiger ein sicheres Zeichen seiner Begnadigung zu erlangen wünscht. Wie tief und mächtig im Herzen des Menschen dieser Drang nach Selbstanklage bei einem wahrhaft reumütigen Sünder verborgen liege, beweist auffallend reumütigen Sünder verborgen liege, beweist auffallend die Tatsache, dass mehr als ein Verbrecher sich selbst dem Gericht übergab und seine Schuld öffentlich bekannte. –
Wie heilsam es aber auch überhaupt sei, dass der Mensch seine moralischen Schwächen einem anderen mitteile, der fähig ist, ihn zu belehren, ihm zu raten und ihn zur Besserung anzuleiten, das erkannten mit Seneca selbst die Weisen und Sittenlehrer der Heidenwelt. Es gilt überhaupt als Grundsatz „Niemand sei sein eigener Arzt oder Richter.“ Das hat seine volle Anwendung auch auf den durch die Sünde geistig Erkrankten und Schuldbeladenen.
Das aufrichtig reumütige Christenherz fühlt bei dem Bewusstsein, ich habe Gott beleidigt! Diesen billigen und übermächtig drängenden Wunsch: wäre doch ein Stellvertreter Gottes auf Erden, vor dem ich meine Schuld bekennen dürfte, der die Vollmacht hätte, mich meiner Wiederversöhnung mit Gott zu versichern, der durch ein von Gott eingesetztes Zeichen der Versöhnung mich dieser Gnade teilhaftig machte und der mir zugleich als Freund und Vater und Seelenarzt zur Seite stände, damit ich fern hin Gott nicht mehr beleidige und mich bessere. –
Möchte ich aber auch die Gewissheit haben, dass dieser Mann keinem anderen je das mitteile, was er von mir über meinen Seelenzustand vernommen. Hat Jesus dafür gesorgt?
Die katholische Kirche lehrt und versichert: Ja. Jesus hat den Kindern seiner Kirche ein solches Mittel der Versöhnung bereitet, das, wie der Regenbogen einst als Zeichen der Sühne über der Arche nach der Sündflut leuchtete, am Firmament des Heiles über dem sich reumütig mit Gott versöhnenden Herzen, als Zeichen der Begnadigung erstrahlt. Es ist dies das Sakrament der Buße; die Absolution des Priesters nach der Beichte.
Die Beichte
Er ist dieser ersehnte Stellvertreter Gottes, dieser Arzt, dieser Richter und Seelenfreund, den das Herz verlangt. Er ist einer jener Diener des Heiligtums und jener Bevollmächtigten, zu welchem Christus in der Person der Apostel gesagt hat: „Nehmet hin den heiligen Geist, denen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben“ (Joh. 20, 22 u. 23), Leibniz selbst, wenngleich nicht katholisch, konnte nicht umhin auszurufen: „Wenn es etwas in der katholischen Kirche gibt, das göttlich ist, so ist es eben die Beichte.“
Um so lieber und unbefangener darf jeder Gläubige den Trost dieses Sakramentes sich verschaffen, weil auf den Mund des Priesters das Siegel unverbrüchlicher Verschwiegenheit gelegt ist. – Nie und nimmer, und unter keiner Bedingung, ist es dem Priester erlaubt, je einem anderen, und wäre es der Papst selbst, das mitzuteilen, was er in der Beichte gehört, selbst nicht um sein eigenes Leben zu retten.
Amerikaner! Ihr habt selbst schon zu wiederholten Malen vor eueren Gerichten erfahren, dass dem so ist. Ja nicht einmal mit dem, der gebeichtet, ist es dem Priester ohne dessen besondere Einwilligung erlaubt, außer der Beichte von demjenigen zu reden, was er von ihm in der Beichte erfuhr. Hört, was sich einst in Rom zugetragen.
Ein Protestant, der Italien bereiste und auch nach Rom kam, wollte gar nicht glauben, dass katholische Priester ein so durchaus unverbrüchliches Stillschweigen bewahren und niemals einen Gebrauch von dem machen, was sie in der Beichte gehört.
Er wusste sich Zeugnisse zu verschaffen, die einem anderen Priester gehörten, um fälschlich zu beweisen, dass er ein Priester sei. Als er dieselben hatte, ging er in die Sakristei einer Kirche und verlangte zu beichten. Er beichtete dem Priester, der Vorsteher der Sakristei war, und erklärte in der Beichte, dass er kein Priester sei, aber doch Messe lese, und dass er dies auch nicht aufgeben könne, weil er damit in Italien sein Leben unterhalte; er habe übrigens falsche Dokumente, durch welche er sich als Priester legitimiere.
Als der Beichtvater hierauf erwiderte, dass er unter solchen Umständen ihm die Lossprechung nicht erteilen könne und den Beichtstuhl verließ, folgte ihm dieser Protestant auf dem Fuß nach, trat in die Sakristei ein und erwiderte auf die Frage desselben Priesters, was er wolle, er wünschte die Messe zu lesen. Der Priester, als wüsste er nichts von allem, was er von ihm soeben im Beichtstuhl gehört, verlangte seine Papiere, sah dieselben an und sprach hierauf: Ganz gut, mein Herr, lesen Sie die Messe. Er legte ihm selbst die Messgewänder zurecht und bereitete den Kelch. –
Als dies der darüber ganz verwunderte Protestant sah, rief er aus: „Nun sehe ich wahrhaftig, dass ein katholischer Priester keinen Gebrauch von dem macht, was er in der Beichte hört. Nun glaube ich aber auch, dass die katholische Kirche die Kirche Christi ist – unterrichten Sie mich.“ –
Der Priester tat es und hörte dann seine wirkliche Beichte, und der mit der Kirche Wiederversöhnte fühlte bald den unaussprechlichen Trost, den der Ausspruch des Stellvertreters Christi dem beängstigten Menschenherzen gewährt: „Ich spreche dich los von deinen Sünden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.“
Der Protestantismus raubt euch diesen überschwänglichen Trost, denn er verwirft die Beichte und überlässt euch für immer der peinigenden Unruhe eures Gewissens. – Der Protestantismus sagt: Beichte, aber allein vor Gott. – Doch, wo ist es geschrieben, dass dies zur Vergebung der Sünde genüge? Wozu hätte dann Christus seinen Aposteln und durch dieselben ihren Nachfolgern gesagt: „Nehmt hin den heiligen Geist, denen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben und denen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ –
Mit Recht fragt der heilige Augustin: „Sind diese Worte umsonst gesprochen? Wie? Sind die Schlüssel, die Christus der Kirche übergeben, machtlos, da du sagst: Ich beichte Gott allein?“ In der Tat, wie sinnlos und läppisch wäre diese feierliche Einleitung: „Nehmet hin den heiligen Geist, denen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben“, wenn Christus nicht zugleich dadurch den Menschen die Pflicht auferlegt hätte, ihr Herz vor den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen und Priestern, aufzuschließen und ihre Sünden zu bekennen, damit dieselben nach Umständen die Sünden vergeben oder nicht, so wie es der Seelenzustand des Beichtenden möglich macht oder nicht. –
Es wäre ebenso viel gewesen, als wenn Christus gesagt hätte: „Ich gebe euch eine Vollmacht und zwar die höchste, die ein Mensch in meinem Namen verwalten kann, doch ich gebe sie euch zu nichts: denn kein Mensch bedarf derselben und ich gebe euch keine Gelegenheit, dieselbe je auszuüben.“
Wie sollte ferner diese Anklage vor Gott allein, alle die Vorteile ersetzen, die, wie oben angedeutet, dann eintreten, wenn der Beichtende sich dem Priester als Arzt, Freund und Seelenführer anvertraut, wie könnte eine Anklage vor Gott allein namentlich den Trost gewähren, den das Herz fühlt, das durch ein eigenes Sakrament der Begnadigung, sich wieder mit Gott versöhnt erblickt.
Ich erinnere mich eines Falles, der sich vor nicht gar langer Zeit in Paris zutrug.
Eine protestantische Dame war mit einem katholischen Grafen vermählt. – Sie bemerkte an diesem ihrem Gatten immer eine gewisse Heiterkeit und Seelenruhe, die sie nicht fühlte, und um welche sie ihn beneidete. Sie fragte ihn eines Tages, woher es doch komme, dass er stets so heiter sei und augenscheinlich in einem so großen innerlichen Frieden lebe. Der Graf antwortete: Wir Katholiken haben die Möglichkeit, durch die Beichte unser Herz im Sakrament der Buße aufzuschließen und uns dem Stellvertreter Gottes auf Erden anzuvertrauen, das gibt uns diesen innersten Seelentrost, die Ruhe, die du an mir bemerkst und den innerlichen Frieden.
Da ließ die Gräfin eines Tages einen meiner Freunde, einen Priester kommen. Sie fühlte sich von einer besonderen Trauer und Missstimmung des Herzens belästigt. Auf die Frage des Priesters, was sie verlange, antwortete die Gräfin: Hochwürdiger Vater! Ich möchte beichten. – Sind sie katholisch? Nein. – Ja, dann kann ich auch nicht Ihre Beichte hören, denn dazu ist vor allem notwendig, dass Sie die Kirche als ihre Mutter und Lehrerin anerkennen, alles glauben, was sie uns zu glauben lehrt, und entschlossen sind, als ihr wahres Kind zu leben und zu sterben. Kann ich sonst nicht beichten? Nein. O, ich möchte doch beichten, so unterrichten Sie mich denn, ich will katholisch werden.
Sie wurde unterrichtet und beichtete und fühlte bald den Trost, den sie suchte, in seiner ganzen Fülle.
Ja, die Beichte tröstet. Ich bin nun durch eine so lange Reihe von Jahren Priester und Beichtvater und habe hundertundhundert Tausende von Beichten gehört. Glaubt es mir, Amerikaner, ich habe nie in meinem Leben die Zeichen von überströmender Tröstung mehr wahrgenommen, als eben im Beichtstuhl. Ich traf besonders Männer, welche die Wiederversöhnung mit Gott im Augenblick der Lossprechung mit einem Trost erfüllte, der gleichsam ihre Brust zu zersprengen drohte.
O, dass ihr diesen Trost selbst noch nie erfahren! Doch was hindert euch, ihn wirklich zu erfahren? Nichts in der Welt vermag ihn zu ersetzen. Mag auch methodistischer Fanatismus hie und da behaupten, das innere Glück der Sündenvergebung verkostet zu haben; es bleibt doch immer nur ein subjektives Meinen, keine von Gott selbst durch ein eigenes Sakrament beglaubigte Versicherung, dass dem so sei. –
Würden die, welche jene innere Versicherung vorgeben, aufrichtig reden, sie würden bekennen, dass sie dieselbe selbst nicht so sicher glauben, als sie es vorgeben. Ja selbst, wenn ein solcher Protestant für einige Zeit sich überredete, Gott habe ihm verziehen, so ist es doch nach seiner Auffassung keine innere Reinigung von der Schuld, sondern nur ein bloßes Bedenken derselben, so dass Gott ihn nicht strafe. –
Wie wenig wahren Seelentrost gewährt eine solche Strafloshaltung.
Der Ablass
Der Christ, wenngleich von der Schuld und ewigen Strafe freigesprochen, weiß, dass Gottes Gerechtigkeit und Weisheit auch nach verziehener Schuld über den Sünder doch noch zeitliche Strafen zu verhängen pflege, teils zur Züchtigung des Sünders, teils auch um zu verhüten, dass er nicht durch Leichtsinn verleitet, ungescheut wieder sündige. So als Nathan bereits zu David gesagt: „Der Herr hat deine Schuld hinweggenommen“, setzte er doch bei: „Zur Strafe dieses deines Verbrechens wird dir dein Sohn sterben.“
Der Christ verlangt jedoch danach, dass, wenn es möglich wäre, auch diese zeitliche Strafe ihm erlassen werde, oder dass er das Übel nicht bloß als Strafe, sondern auch als eine Gelegenheit des Verdienstes für die Ewigkeit, ansehen könne. Hat nun Christus in seiner Kirche etwas angeordnet, das diesen Wunsch des christlichen Herzens befriedigt?
Die katholische Lehre antwortet: Ja. Was das Menschenherz verlangt, gewährt ihm der Ablass, den die Kirche unter festgesetzten Bedingnissen dem wahrhaft Reumütigen und wahrhaft Gebesserten erteilt. Ich sage, dem wahrhaft Reumütigen und wahrhaft Gebesserten, denn jeder unterrichtete Katholik weiß, dass die erste und unerlässliche Bedingung für die Gewinnung eines vollkommenen Ablasses eben die ist, dass der Mensch durch das Sakrament der Buße sich von jeder Sünde bereits gereinigt habe und nicht einmal eine freiwillige Neigung zur Sünde mehr in seinem Herzen hege. –
Er weiß, dass überhaupt gar nicht von einem Ablass die Rede sein könne, solange der Mensch durch die Sünde außer dem Stande der heiligmachenden Gnade sich befindet. Lebt er aber in diesem, dann darf er hoffen, auch der Nachlassung der zeitlichen Strafen der Sünde, die seiner hier oder in der Ewigkeit warten, teilhaftig zu werden, wenn er die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt.
Der Protestantismus raubt euch diesen Trost und dieses Ermunterungsmittel zur vollständigen Besserung, denn er verwirft den Ablass und leugnet, dass die Kirche die Gewalt von Christus erhalten habe, Ablässe zu erteilen. Als hätte Christus nicht ausdrücklich gesagt: „Was ihr auf Erden löst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matth. 16, 19)
Was aber dabei am meisten zu bedauern ist, ist dies, dass die Prediger des Protestantismus alles daran setzen und noch setzen, um eben diese Lehre der katholischen Kirche auf das entsetzlichste zu entstellen. –
Sie raunen euch unablässig in die Ohren: Ablässe erteilen heiße ebenso viel, als Erlaubnis zum Sündigen erteilen. Wie unwahr dies sei und welch schmähliche Verleumdung in dieser Anschuldigung liege, erhellt aus dem, was wir soeben von dem Begriff und der ersten aller Bedingnisse zur Gewinnung eines Ablasses bemerkten. Wie dessen ungeachtet Protestanten dennoch dies nicht zu wissen scheinen, ist unbegreiflich; allein, dass sie die Lehre von dem Ablass auch recht verstanden, dennoch verwerfen, das ist leicht begreiflich.
Der konsequente Protestant glaubt ja an keine eigentliche Bekehrung, wozu sollte er also die Ablässe gelten lassen? Er lässt kein Fegefeuer, sondern nur die Hölle zu. Ein schlechter Trost das. –
aus: F. X. Weninger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 31 – S. 38
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Folgebeitrag: Das Sakrament der letzten Ölung
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– Luthers Ablassstreit mit Tetzel 1517
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- F. X. Weniger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube – Inhaltsangabe des Buches
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