Fenelon und die gallikanischen Freiheiten

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Fenelon und die gallikanischen Freiheiten: Porträt des Erzbischofs von Cambrai

Unfehlbarkeit des Papstes: Widerlegung der Einwürfe

VI. Einwurf: Die gallikanischen Freiheiten (Teil 2) -Fenelon und die gallikanischen Freiheiten

VI. Einwurf (Fortsetzung)

Was der Bischof von Cambrai, Franciscus Fenelon, über den Glaubensprimat ausspricht

Und mit solchen Illusionen konnte sich ein Bossuet blenden?! Er ist uns ein merkwürdiges und wichtiges Beispiel, was menschliche Willensschwäche über die Klarheit des Verstandes vermag. Und welch ein Gegensatz, wenn wir ihm gegenüber, den fleckenlosen, heldenmütigen Kämpfer, und eben deshalb sich immer gleichbleibenden Denker, den hochgebildeten und liebenswürdigen Bischof von Cambray, Franciscus Fenelon Salignac de la Morte, betrachten, der sich in seinem Pastoralschreiben vom Jahr 1714 also über den Glaubensprimat von Rom ausspricht. Er erwähnt jener Formel des Papstes Hormisdas und sagt:

„Es handelt sich hier um jene Verheißung, die Christus Petro getan, und welche sich täglich durch die Tatsachen ihrer Wirkungen bewährt, – „quae quotidie rerum probatur effectibus.“ – „Und was sind dies für Wirkungen?“ fährt Fenelon fort. Diese, dass im apostolischen Stuhl die katholische Religion immer unversehrt bewahrt wird; – diese, dass diese Kirche, wie wir aus Bossuet, Bischof von Meaux, selbst vernehmen sollen, immer Jungfrau ist, – Petrus immer von seinem Lehrstuhl spricht, und der römische Glaube immer der Glaube der Kirche ist. –

Wer immer der Lehre dieser Kirche, allzeit Jungfrau, vereinigt ist, der setzt seinen Glauben nie einer Gefahr aus. Dieses Glaubensbekenntnis ward in dem achten Concilium bestätigt. Jeder Bischof gelobt durch selbes, dass er sich nie von dem Glauben und der Lehre dieser Kirche trennen, sondern stets in allen, den Entscheidungen des Bischofs dieses Stuhles folgenw erde. Um diesen Preis wurden sie unter die Katholiken gezählt, „hoc pretio inter Catholicos recensiti!

Man begreift es, wie Fenelon von diesem Glauben durchdrungen im Jubel, den dieses Bewusstsein in seinem Herzen ergoss, also auszurufen sich gedrängt fühlte: „O église romaine – o cité seinte! O chère et commune patrie de tous les chrétiens! Il ni a en Jesus Christ ni Grec, ni Scythe, ni Barbare, ni Juif; tous sont un seul peuple dans vorte sein, tous sont concitoyens de Rome, et tout le Catholique est romain!“ (*)

(*) „O römische Kirche – o heilige Stadt! O teures und gemeinsames Vaterland aller Christen! In Jesus Christus gibt es weder Griechen noch Skythen, weder Barbaren noch Juden; alle sind ein Volk in deinem Schoß, alle sind Mitbürger Roms, und alle Katholiken sind Römer!“

Fenelon verdammte sein eigenes Buch öffentlich

Während um ihn sich so viele unter die Hofstandarten der vier Artikel sammelten, – Bossuet an der Spitze, – nannte Fenelon sie ungescheut: „Freiheiten gegen den Papst, Knechtschaft gegen den König!“ Und welch einen glänzenden Beweis heroischer Starkmütigkeit er gab, als ihn selbst die Reihe traf, von diesem obersten Glaubenstribunal gerichtet zu werden, ist weltbekannt. Bossuet war es, der das Buch Fenelons „Maximes des saints“, welches einige Irrtümer enthielt, zu Rom denunzierte; und was Fenelon getan, als das Urteil erfolgte, ist hochgefeiert in den Annalen der Kirche.

Er selbst, der Erzbischof und einstmalige Erzieher königlicher Prinzen, bestieg die Kanzel, verkündigt das Urteil des römischen Stuhles, und verdammt öffentlich sein eigenes Buch, und verbot seinen Gläubigen, es zu lesen, indem er beifügt: „dass es ihm lieb und wichtig sei, ihnen ein Beispiel seines vollen Gehorsams gegen den apostolischen Stuhl zu geben, bis an den letzten Hauch seines Lebens“; – „dont nous voulons vous donner l`exemple jusqu`au dernier soupir de notre vie!“ (**) –

(**) „von dem wir Ihnen bis zum letzten Atemzug unseres Lebens vorleben wollen!“

Mit Recht ruft da ein scharfsinniger Gelehrter aus: „Heureux les hommes, si les hérésiarques s`etaient soumis avec autant de modération, que le grand évéque de Cambrai, qui n`avait nulle énvie d`étre hérétique“; (***) –

(***) „Glücklich die Menschen, wenn die Ketzer sich mit solcher Mäßigung unterworfen hätten wie der große Bischof von Cambrai, der keine Lust hatte, ein Ketzer zu sein“.

Und Rothensee fügt dieser Stelle mit Recht bei: „Welche Erinnerungen knüpfen sich hier an, für unser gutes Deutschland!“ –

Siehe unten nach dem Beitrag den Zusatz: Der Erzbischof von Cambrai

Die gallikanischen Bischöfe wiederriefen selber ihre Deklaration

Wir kehren demnach zurück mit Fenelon, zum Schluss unserer Antwort, auf den Einwurf, den man uns von Seite der französischen Kirche macht, und fragen: War Fenelon nicht auch ein Sohn dieser Kirche, und gleichzeitig mit den Bischöfen von 1682? – Haben wir vergessen, welche Erklärung diese Bischöfe in der Angelegenheit des Jansenismus und späterhin von sich gegeben, wenn sie feierlich erklären, dass ein jeder Katholik nicht nur zu schweigen habe, sondern dass er denselben auch „mentis internae obsequium“, die Unterwerfung seines Geistes schulde. Endlich, widerriefen denn nicht die Bischöfe selbst, die diese vier Artikel geschmiedet, und tat dies nicht auch der König selbst?

Die Worte der Bischöfe in diesem ihrem Widerrufungs-Schreiben, welches sie an Papst Innozenz XI. eingeschickt, lauten folgendermaßen:

„Zu deinen Füßen hingeworfen, bekennen wir und erklären, dass es uns sehr, und mehr als es sich sagen lässt, vom Herzen schmerzt, was wir in jener Versammlung getan“, – (…) – „und darum, was immer in derselben, gegen die Vollmacht der päpstlichen Gewalt ausgesprochen scheinen könnte, wollen wir als nicht ausgesprochen haben, und erklären es als nicht gesagt“; – „pro non decreto habenmus, et habendem declaramus“.

De Pradt, in seinem Buch „quatre concordats“ (Paris 1820, IV. 136) fügt noch die Worte Bossuets besonders besonders bei, die er nach der päpstlichen Verdammung dieser Artikel gesagt haben soll: „Rôme“, sagt de Pradt, „a anathématisè les quatres articlés du clergé; Bossuet les a abjurès lorsqu`il a pu dire“; – „abeat ergo quocumque voluerit ista declaration“.

(****) „Rom hat die vier Artikel des Klerus anathematisiert; Bossuet hat sie abgeschworen, als er sagen konnte“

Dieses Urteil sprachen auch gleich nach ihrem Erscheinen, nicht nur die Universitäten von Spanien, Belgien und Italien, sondern diese Artikel setzten als Beweis ihrer Neuheit, Falschheit und Gefährlichkeit auch die fernsten Länder in Bewegung. Für die Gallikanisten ist dieser Umstand ein ganz peremptorisches Gericht der Falschheit ihrer Grundsätze, und zwar aus den Behauptungen dieser Artikel selbst. –

Denn, wenn nach gallikanischer Ansicht selbst ein päpstliches Urteil, dem von der zertreuten Kirche widersprochen würde, sich als falsch bewiese, so gilt das wohl um so mehr von den Erklärungen einer National-Synode, der in aller Welt widersprochen ward! Der Primas von Ungarn namentlich verdammte eine National-Synode im jahr 1686, und verdammte sie mit seinem Klerus, als „propositiones absurdas, detestabiles et ad schisma tendentes.“ Es lässt sich auch nicht leugnen, wie Voltaire es auch scharfsinnig bemerkt, der Geist einer Nationalkirche, welcher in der oft extravaganten Nationalliebe der Franzosen, seine Keime unvermerkt trieb, er schien damals förmlich ausschlagen zu wollen. –

Die Päpste brachten die gallikanischen Bischöfe zum Widerruf

Indes die überwiegende Katholizität, wie gesagt, überwand, und brachte, nachdem Alexander VIII., Innozenz XI. und XII. diese Artikel samt ihrer Defensio verdammten, alle diese, leider einst zu nachgiebigen Bischöfen, zum entscheidenen Widerruf und zur Buße.

Dass aber dem ungeachtet diese Artikel von einigen, besonders von der intriganten Jansenistischen Partei auch späterhin immer wieder und wieder aufgewärmt worden, ist wohl nicht zu verwundern, wenn man erwägt, in welcher Hartnäckigkeit das Parlament dieselben aus politischer Tendenz in Schutz nahm gegen den Willen des Königs selbst und der Bischöfe; und wenn man bedenkt, was in der Folge der Zeit nicht alles in Frankreich benützt und in Bewegung gesetzt wurde, um nicht nur das Ansehen des Papstes, sondern die Kirche selbst vom Grund aus zu zerstören.-

Doch auf die Lehre der wirklich katholischen Geistlichkeit von Frankreich hatte man nach dem Sendschreiben der Bischöfe von 1692 an Innozenz, kein Recht mehr sich zu berufen; um so weniger, was die Folge der Zeit betrifft, und am allerwenigsten, was die Gegenwart selbst.

Was das katholische Frankreich und namentlich der Klerus desselben glaubt, dessen Stimme als Organ des Landes in dieser Hinsicht gilt, erhellt aus ihren neueren und neuesten Erklärungen an das Oberhaupt der Kirche und an den König und Kaiser. So sendeten im Jahr 1819 achtzig Bischöfe Frankreichs ein Libellum an Pius VII. Sie nennen in demselben den Papst „das Organ oder den Mund der Kirche“, und bekennen: „Derjenige, der Christi Stelle vertrete, könne nicht anders, als den Glauben Christi beschützen, als erster Anführer, Lehrer und Doktor der Gläubigen.“ (…) ( Vide Illustr. Ziegler Prolegom. de Eccl. p. 291)

In der Erklärung aber vom 10. April des Jahres 1826, welche der Klerus dem König überreichte, sagten sie (den vierten von den drei ersteren trennend): – „Wir verdammen aber mit der ganzen katholischen Kirche jene, welche unter dem Vorwand der Freiheiten der gallikanischen Kirche, dem von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzten Primat Petri und der römischen Päpste seiner Nachfolger, dem von allen Christen demselben schuldigen Gehorsam, und der allen Nationen so ehrwürdigen Majestät des apostolischen Szuhles, wo der Glaube gelehrt und die Einheit der Kirche erhalten wird, einen Abbruch zu tun sich nicht scheuen.“ – „Ubi fides docetur et Ecclesiae unitas conservatur, detrahere non verentur.“ (Cfr. Maistre, über die Freiheiten der gallikanischen Kirche)

In neuester Zeit sind aber in den Stürmen unserer Jahre auch die letzten Überreste dieser Artikel mit dem Aussterben der Männer der sogenannten „pétite église“ völlig gesunken, und nur Neuerer oder Fanatiker oder formelle Glaubensfeinde wagen es mehr, sich auf diese Artikel zu berufen, nicht aber der katholische Klerus von Frankreich. Derselbe erhob besonders seine stimme, die Glaubens-Prärogative Petri anerkennend, bei Gelegenheit der Veröffentlichung des Syllabus und bei der Feier der vielen Synoden in letzter Zeit, wie wir oben nachgewiesen. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 362 – S. 368

Der Erzbischof von Cambrai

Fénelon, Erzbischof von Cambrai, veröffentlichte im Jahr 1697 seine bekannte Schrift: Erklärung der Grundsätze der Heiligen; die bald hernach vom Papst Innozenz XII. Verdammt wurde. Die Nachricht von dieser Verdammung traf in Cambrai am Tage der Verkündigung, den 25. März 1699 ein, gerade als der Erzbischof die Kanzel besteigen wollte. Trotz seiner Bestürzung über ein so unerwartetes Ereignis übte die Religion eine solche Herrschaft über seine tugendhafte Seele, dass es nur eines Nachdenkens von wenig Augenblicken bedurfte, um den ganzen Entwurf der zu haltenden Predigt umzuändern. Er sprach nun von der Pflicht einer rückhaltlosen Unterwerfung unter die Gebote der höchsten Autorität in geistlichen Dingen mit solcher Salbung, dass alle Zuhörer in Tränen zerflossen.

Am 9. April ließ er folgende Bekanntmachung ergehen:

„Unser allerheiligster Vater, der Papst, hat die Schrift: Erklärung der Grundsätze der Heiligen, durch ein vom 12ten März 1699 datiertes Breve verdammt. …

Wir pflichten, liebe Brüder, demselben aus vollem Herzen, aufrichtig und aus freiester Überzeugung bei, und ergreifen diese Gelegenheit, euch an die Pflichten einer rückhaltlosen, unbedingten Unterwerfung zu erinnern, auf dass der dem heiligen Stuhl gebührende einfältige Gehorsam, in dem wir euch mit Gottes Hilfe, bis an den letzten Atemzug unseres Lebens, mit gutem Beispiel vorleuchten wollen, nicht durch uns Gefahr laufe. Gott verhüte, dass man je in anderer Absicht von uns rede, als um eines Hirten zu gedenken, der an Folgsamkeit auch das geringste Schaf seiner Herde überbieten zu müssen glaubte, und der in diesem Gehorsam keine Grenzen kannte.“ –

Mit dieser Erklärung sich nicht begnügend, und um seiner Herde ein noch sprechenderes Denkmal seiner Unterwürfigkeit und Reue zu geben, ließ er eine Monstranz anfertigen, die von zwei Engeln getragen wird, von denen der eine mehrere unheilige Bücher mit den Füßen tritt. Eines dieser Bücher führt den Titel: Erklärung der Grundsätze der Heiligen. –
aus: Ambrosius Guillois, Historische, dogmatische, moralische und liturgische Erklärung des Katechismus, Bd. 1, 1848, S. 456 – S. 457

Bildquelle

  • Francois_de_Salignac_de_la_Mothe-Fenelon: wikimedia
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Bossuet und die gallikanischen Freiheiten