Unfehlbarkeit des Papstes: Widerlegung der Einwürfe
IX. Einwurf: Päpste haben im Glauben geirrt – Beispiel: Hat Papst Liberius im Glauben geirrt?
IX. Einwurf:
„Die Päpste haben wirklich im Glauben geirrt; – mithin sind Sie fehlbar in Glaubens-Entscheidungen.“
Antwort:
Der Schluss ist logisch richtig; aber das Suppositum des Antecedens ist falsch; mithin auch die ganze Folgerung des Schlusses. Was nämlich diese prätendierten Irrtümer betrifft, so sind es nach dem Geständnis Bossuets selbst, hauptsächlich zwei oder drei, die schwierig scheinen; die anderen werden von den Gegnern selbst meist aufgegeben. Auf zwei jedoch beruft man sich fortwährend, und diese hier zu widerlegen ist notwendig. Es wird dabei von selbst ersichtlich werden, was wohl von der Wichtigkeit derjenigen zu halten sei, die selbst den Gegnern weniger gewiss und wichtig scheinen.
Diese zwei Irrtümer sind die des Liberius und Honorius. Man beschuldigt den ersteren des Arianismus, den zweiten des Monotheletismus. Mit welchem Recht? – Das soll nun gleich nachgewiesen werden.
Bevor wir aber in diese Erörterung selbst eingehen, kommt vorher noch in Erinnerung zu rufen, was schon hie und da eingeschärft ward, nämlich: dass man den Fragepunkt, den „status quaestions“ nicht verrücke; nicht, wie man zu sagen pflegt, „extra rhombum“ argumentiere; – denn alles, was so gesagt wird, trifft ja den Gegenstand der Frage nicht.
Die entscheidende Frage in Bezug auf den Glaubensirrtum eines Papstes
Es fragt sich nämlich bei einem Irrtum, welcher die apostolische Vollmacht des Papstes in Glaubens-Entscheidungen entkräften soll, nicht um dies: Ob ein Papst irgendwann etwas gesagt habe, was gegen den Glauben ist. –
Ja nicht einmal: Ob irgendein Papst, irrig geschrieben oder gepredigt; sondern ob irgendein Papst, in einer, an die ganze Kirche gerichteten, den Glauben berufenden Entscheidung geirrt habe; denn nur in solchen Entscheidungen verteidigen wir die absolute Kompetenz desselben; nur für solche war sie ihm als Haupt der Kirche gegeben; eben, weil sie nur für solche unfehlbar notwendig war. Ein anderer Irrtum, hätte er selbst statt gehabt, würde den Glaubensprimat Petri ebenso wenig beeinträchtigen, als der Fall Petri im Vorhof Pilati.
Mithin haben unsere Gegner bei den zwei Glaubens-Irrtümern, welche sie vor allem dem Liberius und Honorius vorwerfen, folgende drei Punkte zu erweisen:
Erstens, die historische Gewissheit, dass der Papst wirklich gefehlt; zweitens, dass dieser Fehler eine Entscheidung, eine formelle Glaubens-Regel gewesen; und drittens, dass selbe in der Absicht erlassen worden sei, die Kirche als Haupt derselben zu belehren, was zu glauben sei oder nicht. –
Alles dieses sind aber unsere Gegner von keinem Papst, der je gelebt, zu erweisen imstande, und namentlich nicht von Liberius und Honorius; sondern vielmehr beweisen wir ihnen unwiderlegbar klar das Gegenteil.
Die Beschuldigung des Glaubensirrtums von Papstes Liberius ist historisch nicht erwiesen
Erwägen wir also erstens den Glaubensirrtum, dessen man Liberius beschuldigt; er soll in die Irrtümer der Arianer verfallen sein.
Wir sagen dagegen: Die Tatsache selbst kann nicht historisch bewiesen werden; – und diese selbst zugegeben, war es kein Irrtum in einer Glaubens-Entscheidung, – viel weniger in einer freien Entscheidung, um als Oberhaupt der Kirche zu lehren; mithin beweist der Fall durchaus nichts gegen uns. –
Wir sagen erstens: Die Tatsache, – der Fall des Liberius selbst, ist ungewiss, und lässt sich nicht historisch nachweisen; im Gegenteil streiten weit mehr historische Zeugnisse für Liberius als gegen ihn. – Denn alle Urkunden, aus denen man den Fall des Liberius beweisen will, sind im höchsten Grade verdächtig, wahrscheinlich unterschoben oder gewiss wenigstens für fälschlich zu halten. Dies gilt erstlich von den „Fragmentis“ oder Bruchstücken, die man dem hl. Hilarius zuschreibt. Sie sind von einem unbekannten Verfasser und des Hilarius ganz und gar unwürdig. Man beruft sich, zweitens, auf die Briefe des Athanasius in den bezüglichen Briefen, und in der Schutzschrift gegen die Arianer von den Arianern verfälscht worden sei, beweisen die Schriftsteller, die wir später anführen werden.
Dasselbe gilt von zwei Stellen des heiligen Hieronymus, „ex lib. de Scriptoribus ecclesiasticis“ und aus dem „Chronicum“ desselben, welche Schriften unter allen übrigen Werken des heiligen Lehrers, anerkannter Weise am meisten verfälscht sind; über welche Verfälschung seiner Werke der Heilige sich selbst öfter beklagt.
Die vier Briefe des Liberius sind von seinen Gegnern erdichtet worden
Um so verdächtiger sind aber gerade diese angeführten Stellen; denn sie stimmen auch nicht mit anderen Aussprüchen des heiligen Hieronymus überein, sind mit sich selbst im Widerspruch und enthalten offenbare Irrtümer, die klar anzeigen, dass hier eine Unterschiebung stattgefunden habe. Die vier Briefe endlich des Liberius selbst waren gleichfalls von den Luciferianern, Arianern oder anderen Schismatikern erdichtet worden, wie dies alles der gelehrte Bolandist Hitingus mit den trifftigsten Gründen einer erleuchteten Kritik nachgewiesen. (Tom. IV. act. Sanct. ad diem 23. Sep. cap. 9. et 10)
Desgleichen Kardinal Josephus Orsi, „Hist. Eccl. Saeculo quarto“; und Franciscus Antonius Zacharia, in der Dissertation: Von dem vorgeblichen Fall des Liberius. (Tom. II. Thesauri theologici)
Jene Erzählung endlich, welche den Liberius, nachdem er nach Rom zurückgekehrt war, von dem größten Teil des Klerus und des Volkes aus der Stadt weisen lässt, und andere dergleichen Märchen sind aus den unechten Akten des hl. Eusebius, des Priesters, genommen. (Man sehe T`flemont, Not. 59. in Arian.) Diese Akten kommen Bossuet selbst verdächtig vor, als solche, die, wie er sich ausdrückt: „entweder keine oder eine sehr geringe Autorität haben“, weswegen in der neuen Auflage der „Defensio anno 1745“ das ganze Hauptstück aus der Stelle, wo es war, in den Anhang versetzt ward.
Die Rückkehr des Liberius wurde von Klerus und Volk mit Beifall gefeiert
Dass im Gegenteil die Rückkehr des Liberius von allen Römern mit der größten Freude und Beifall gefeiert worden sei, berichten uns Marcellinus und Faustinus in der Bittschrift an den Kaiser, indem sie unter andern da sagen: „Welchem (Liberius) das römische Volk mit Freuden entgegenging, so zwar, dass sein Einzug gleichsam der Triumphzug eines Siegers zu sein schien“; – „ut ejus ingressus veluti victoris triumphus videretur“; – wie auch der hl. Hieronymus von dieser Rückkehr schreibt: „Er zog in Rom gleichwie ein Sieger ein.“ „Romam quasi victor intravit.“ –
Wir fragen, erhebt sich nicht aus einem so festlichen und triumphierenden Einzug des Liberius in die Hauptstadt der katholischen Welt, womit ihn der Klerus und das römische Volk aufgenommen, und dafür den After-Papst Felix vertrieben hatte, mit Grund der Zweifel, ob nicht das, was man von dem Fall des Liberius erzählt, nur erdichtete Verleumdung sei?
Wenn der aus Berea an die römische Geistlichkeit geschriebene Brief des Liberius echt wäre, worin er Nachricht gab von seiner Pflichtvergessenheit, hätte dieser Brief den römischen katholischen Klerus nicht auf das Höchste empören müssen? –
Gewiss; die Römer, die dem Nicäischen Glaubens-Bekenntnis und dem Verteidiger desselben, dem hl. Athanasius, so sehr zugetan waren, und den Arianismus über alles verabscheuten; die Römer, welche gegen Felix, den die Arianer statt des Liberius eindrängten, so aufgebracht waren, weil er sich nicht scheute, mit den Ketzern Gemeinschaft zu haben: wie könnte dieser Klerus und das römische Volk von Rom den Liberius mit solcher Festlichkeit aufgenommen haben, wenn Liberius von seiner Standhaftigkeit gewichen, das Glaubens-Bekenntnis von Sirmium, dem von Nicäa vorgezogen, und von der Verteidigung des Athanasius und dessen Gemeinschaft, zur Gemeinschaft der Ketzer und besonders des Valens und Ursacius, Epiktet und Auxentius, deren bloßer Name dem Abendland schon so verhasst war, übergegangen wäre?!
Gewiss, es ist ganz unglaublich, dass die Römer einen Mann, der sich so schändlich besiegen ließ, nach einem Fall, der die Ehre der römischen Kirche so tief verletzte, nun auf einmal wie einen Sieger und glorreichen Kämpfer des Glaubens aufgenommen hätten! –
Der unterschobene Brief unter den Fragmenten des hl. Hilarius
Und doch war dem so; und diese Tatsache ist gewiss ein sehr wichtiger Beweisgrund, dass man diesen Brief, gleichwie andere, die dahin gehören, und welche sich unter den Fragmenten des hl. Hilarius befinden, nicht für echt, sondern für unterschoben halten müsse; wie jener ganz gewiss unterschoben ist, welcher ebenfalls unter dem Namen des Liberius an die Bischöfe des Morgenlandes gerichtet, bei Hilarius im vierten Fragment zu lesen ist.
Wenn nun Hilarius diesen, von allen Kritikern als unterschoben anerkannten Brief, in seinen Fragmenten unbehutsam genug aufgenommen: konnten nicht auch andere, dem Liberius zugeschriebene Briefe, mit der nämlichen Unbehutsamkeit in selbe eingetragen worden sein, die nur von Arianern oder Halb-Arianern erdichtet und in der Absicht herausgegeben waren, um vorgeben zu können, dass Liberius auf ihrer Seite stehe?
Mochten ihre Behauptungen bei einigen immerhin Glauben gefunden haben, so war dies doch keineswegs bei allen, oder bei der Mehrzahl der Zeitgenossen Liberii der Fall, und gerade bei denen nicht, die diesen zunächst folgten, und denen es doch sehr daran liegen musste, darüber Gewissheit zu haben, und welche diesfalls auch gewiss alle Sorge angewendet; dem ungeachtet aber von diesem Fall nichts melden. Es schweigen davon die ältesten Kirchen-Geschichtsschreiber; ein Severus, ein Sulpicius, ein Socrates, ein Sozomenus, ein Theodoretus; es schweigen Menea, Theophanes, Nicephorus, Callistus, selbst Photius schweigt! – Der hätte doch nicht geschwiegen, wenn er das Gegenteil hätte geschichtlich bezeugen können!! Und alle diese schweigen nicht nur, sondern sie sagen gerade das Gegenteil.
Theodoret nennt Liberius einen ruhmwürdigen Streiter für den Glauben
So Theodoret, der in seiner Geschichte der Arianer, sich der Werke des Athanasius selbst bediente. Er gibt als Ursache der Zurückberufung des Liberius nicht die vorgeblichen Fall Liberii, sondern die Verwendung der römischen Damen bei dem Kaiser und die Akklamationen des Volkes im Circus an. Theodoret nennt diesen Papst nie ohne großes Lob; bald den berühmten Liberius, bald einen ruhmwürdigen Streiter der Wahrheit – „celeberrimum Liberium – gloriosum veritatis athletam.“ –
Und damit man ja nicht glaube, dass er durch eine minder würdige Handlung auf seinen Stuhl zurückgekehrt sei, gibt Theodoret ihm eben wegen seiner Rückkehr den Beinamen: „der Bewunderungswürdige“; was Liberius nimmer gewesen wäre, wenn Er aus Gefälligkeit für den Kaiser, Verräter an dem Heiligtum der Wahrheit und des Glaubens geworden wäre! Nach diesem Zuruf des christlichen Volkes, schreibt Theodoret, welches den Liberius von dem Kaiser im Circus verlangte, kehrte jener bewunderungswürdige Liberius zurück. – (…)
Die Kirchen-Schriftsteller Sulpicius Severus, Socrates und Rufinus als Zeugen
Sulpicius Severus, welcher die Bruchstücke des Hilarius in seiner Geschichte der Arianer übrigens sehr benützte, tut auch nicht mit einem Wort von dem Fall des Liberius Meldung und schreibt seine Wiedereinsetzung gleichfalls den Unruhen und dem Aufruhr der Römer zu, von denen in den Bruchstücken des Hilarius kein Wort steht. Die Briefe, welche man nun in diesen Fragmenten liest, tragen übrigens selbst das Gepräge der Unterschobenheit an sich; verschiedener Widersprüche wegen, auf die man in denselben stößt, als z. B. wenn man in eben diesen Briefen liest, dass Konstantius in die Wiedereinsetzung Liberii nicht gerne eingewilligt habe, und sich endlich dazu nur, bewogen durch die Bitten des Valens, Ursacius, Germinius, Vicentius, Capuani, Fortunatius aus Aquiläa und andere Orientalen, verstehen wollte.
Auch Socrates, der die Wiedereinsetzung des Liberius einem Volksaufstand zuschreibt, erwähnt nicht nur nicht den vorgeblichen Fall dieses Papstes, sondern zeugt gleichfalls für das Gegenteil, da er schreibt: „der Kaiser hätte, durch einen Aufruhr der Römer bewogen, obwohl ungern, – „licet invitus“, – zur Wiedereinsetzung seine Einwilligung gegeben.“ -Hätte ihn dann der treulose Kaiser nicht gerne wieder eingesetzt, wenn er den standhaften Mut Liberii gebrochen und ihn dahin gebracht hätte, seine Freiheit durch einen so schändlichen Fall in den gleichen Glaubensirrtum zu erkaufen? –
Rufinus selbst, dieser gewiss nicht gefallsüchtige Parteigänger der Päpste, schreibt im zweiten Buch seiner Kirchengeschichte, welches um das Jahr 402 geschrieben ward, also: „Liberius, Bischof der Stadt Rom, kehrte bei Lebzeiten des Konstantius zurück. – Ob es aber seiner Willensänderung oder aber der Gunst des römischen Volkes zuzuschreiben sei, dass ihm späterhin Ruhe gegönnt war, das weiß ich nicht.“ – Also ein Rufin! – (Cap. 27)
Viele hl. Väter erwähnen Liberius mit den größten Lobeshymnen
Die Arianer freilich, besonders im Orient, überließen sich bei der ersten Nachricht der Rückkehr des Liberius gleich ihren Wünschen und Vermutungen und schrien dieselben als sicher aus, was bei der damaligen, sehr beschränkten Kommunikation auch lange benützt werden konnte, die Gläubigen zu beängstigen und wo möglich zu täuschen. Gelang ihnen dies bei einigen, so gewiss nicht bei jenen, welche durch ihr Ansehen eine wahrhaft beweisende Stimme hatten, und gewiss auch nicht bei der besser unterrichteten Mehrzahl.
Nebst den genannten Kirchen-Schriftstellern erwähnen auch viele andere hl. Väter des Liberius mit den größten Lobeserhebungen; ja in verschiedenen Marterbüchern des Morgen- und Abendlandes wird Liberius unter den Heiligen aufgezählt, eben wegen der unbesiegbaren Standhaftigkeit, die er in Verteidigung des Glaubens, durch erlittenes Exil und auch späterhin in harten Prüfungen, so glorreich bewährt hatte.
Liberius kassierte das Konzil von Rimini wegen arianischer Irrtümer
War es denn nicht eben dieser Liberius, der einem Konzil und zwar einem der zahlreichsten des ersten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung, dem zu Rimini, in welchem diese große Zahl von Bischöfen getäuscht oder verführt zu einer sündhaften Unterzeichnung aus Furcht vor dem Kaiser sich neigten, – beinahe allein gegenüber stand, und aus apostolischer Machtfülle das ganze Konzil und seine Acta kassierte! – Nein, großer Held, der du mit solcher Macht und solchem Mut das Richtschwert Petri zu führen gewusst, dir sieht die Schwäche wahrhaftig nicht gleich, die man dir zumutet.
Hingegen denen, die es zuerst getan, – wir meinen die orientalischen Arianer, die arianischen Griechen – diesen ja sieht die Treulosigkeit der Verleumdung und die Unterschiebung falscher Zeugnisse dafür ganz gleich, und mehr noch sieht ihnen gleich; denn diese Griechen haben späterhin oft mehr noch verleumdet, erdichtet und getan, wie wir es an einigen Orten in unserer Abhandlung bereits gerügt und nachgewiesen. Um so leichter konnten sie bei Liberius, wie gesagt, irgendeinen Schein von Möglichkeit benützen, und die erfolgte Rückkehr des Liberius aus dem Exil so lange als Deckmantel gebrauchen, als es ging; wenngleich die Verleumdung unglaublich genug war.
Liberius wird als ein Heiliger gerühmt
Man denke nur, mit welchem Ausdruck Liberius die Formel, welche dieses Konzil unterschrieb, kassierte; – Er heißt sie „blasphemam“, „eine gotteslästerliche!“ Einem solchen Mann sieht der Fall in eine gleiche Schlinge wahrlich nicht gleich, – und er verdient die Verehrung, welche die Mit- und Nachwelt ihm als einem Heiligen gezollt. So nennt ihn Ambrosius „sanctae memoriae virum“ – „einen Mann heiliger Gedächtnis“. – Basilius „den Hochseligen“, „Beatissimum epist. 74“ Epiphanius „den Seligen“ „Beatum. Haer. 75.“ Gleichfalls Siricius in „epist. Ad Himerium.“
Von ihm wird auch glorwürdige Meldung getan im Brevier am 5. August. Endlich wird sein Name im Verzeichnis der Päpste im Marterbuch „B. Bedae Martyrologium“; in dem Marterbuch des Wandalbert; in den Heiligenbüchern oder „Synaxariis et Menaeis“; der Griechen am 27. August als der eines heiligen Papstes gefeiert.
Liberius als häretischer Papst erweist sich als eine Verleumdung
Beweist dies alles nicht, dass sein Fall ganz unwahrscheinlich und wirklich nur Verleumdung sei? Und, wie will also jemand aus solch einer, in jedem Fall nicht beweisbaren Tatsache, Beweise nehmen gegen ein also erwiesenes Recht, wie jenes ist, das wir hier verteidigen?
Doch angenommen alles, was man Liberius vorwirft, bewiese dies alles noch nichts gegen uns; denn wir fragen zweitens: War das, dessen ihr Liberius beschuldigt, eine formelle, an die Kirche gerichtete, gültig erlassene Glaubens-Entscheidung? – Ant. Mitnichten.
Zwei Vergehen nämlich werden Liberius zur Last gelegt: Das eine ist, dass er sich von der Kirchengemeinschaft des Athanasius – diesem großen Kämpfer der katholischen Sache im Orient – getrennt; das zweite, dass er jene Formel von Syrmium unterschrieben habe, welches Hilarius „perfidiam arcanam“ nennt.
Wir antworten: Beides, selbst angenommen, beweist nichts gegen uns.
Nicht das erste; – denn die Kirchengemeinschaft mit einem mEnschen aufgeben, der zwar rechtgläubig ist, von dem man aber falsch berichtet meint, er sei es nicht, ist keine Glaubens-Entscheidung, und geschähe sie selbst wider besseres Wissen und Gewissen, so ist es wohl eine Sünde; aber keine an die ganze Kirche gerichtete formelle Glaubens-Entscheidung; beweist also nichts gegen die apostolische Machtvollkommenheit des Papstes als Oberhaupt der Kirche, sondern bloß die Sündfähigkeit des Papstes – und diese hat er als Mensch.
Die erste Formel von Syrmium ist wahr und katholisch
Was aber das zweite: die Unterschreibung der Formel von Syrmium anbelangt, so kommen alle Gelehrten, ja auch die Gegner darin überein, dass es nur jene erste Formel von Syrmium gewesen sei, gegen Photion herausgegeben, welche der hl. Hilarius in seinem Werk „Von den Synoden“ selbst als echt katholisch in Schutz nimmt. In seinen Fragmenten nennt er sie deswegen Treulosigkeit, „perfidiam“, weil nach seinem Dafürhalten, was immer nicht in dem einen Glaubens-Bekenntnis von Nicäa enthalten war, Treulosigkeit „perfidia“ genannt werden sollte, wie er sich in seinem Buch gegen Konstantius No. 24 ausdrückt.
Es war diesem Eiferer der katholischen Wahrheit aus Ursache der ihm bekannten Arglist der Arianer, auch nicht ohne Grund alles verdächtig, was anders klang und lautete als das Symbolum von Nicäa. In der Tat aber war alles, was diese erste Formel enthielt, wahr und katholisch; – es war nur in böswilliger Absicht von den Arianern in derselben das „consubstantialis Patri“ ausgelassen.
Dem Liberius kann also im höchsten Fall nur dieses zum Verbrechen gemacht werden, dass er jene Glaubensformel unterschrieben habe, in welcher die Worte „consubstantialis Patri“ „der nämlichen Wesenheit mit dem Vater“ ausgelassen waren; was dann von den Ketzern erklärt werden konnte, als nähme er den Irrtum in Schutz. Nun aber, dasjenige bloß verschweigen, was katholisch ist, und was ein Katholik öffentlich bekennen soll, ist wohl eine Sünde gegen die schuldige Offenheit des Bekenntnisses; – und das Unterschreiben, welches man wegen besagter Auslassung als eine Bestätigung des Irrtums ansah, wäre wohl eine Sünde des Ärgernisses gewesen; – nie aber kann es eine Definition und formelle Bestätigung und Lehre des Irrtums, im eigentlichen Sinne genannt werden. –
Die Unterschrift unter die Formel ist kein häretischer Akt
Wenn daher Liberius, angenommen, dass er diese Formel unterschrieben, welche dasjenige geflissentlich verschwieg, was doch damals Pflicht war, öffentlich zu bekennen, von einer Sünde des Ärgernisses nicht entschuldigt werden konnte: kann er doch nimmermehr einer formellen, irrigen, an die Kirche erlassenen Glaubens-Entscheidung bezichtigt werde; – und es beweist also auch die Supposition des Falles nichts gegen die Irrtumslosigkeit des Papstes „ex cathedra docentis“.
Ja, wir dürfen noch mehr zugeben, und würden unserer Behauptung noch nichts vergeben. – Selbst zugegeben, (was doch selbst die Gegner nicht prätendieren), selbst zugegeben, Liberius habe eine von den zwei anderen arianischen Syrmischen Glaubensformeln unterschrieben, – bewiese auch dieser Fall nichts gegen den unfehlbaren Glaubensprimat der Nachfolger Petri.
Denn wie bei Entscheidungen eines Konzils, und zwar nach den unumstößlichen Prinzipien des Naturrechtes selbst, ist auch zur gültigen und bindenden Glaubens-Entscheidung der Päpste erforderlich, dass der Papst in ungeschmälerter Freiheit seiner Amtsgewalt die Entscheidung ergehen lasse; sodass von demselben, wie von dem Ausspruch des Hierosolimitanischen Konzils, gesagt werden kann: „Visum est Nobis et Spiritui sancto“, – „es hat Uns und dem hl. Geist gefallen“; mit anderen Worten: die Entscheidung muss ohne Anwendung von äußerem Zwang erlassen sein, so dass kein moralischer Zweifel obwalte, ob das Entschiedene wirklich Ausspruch des Entscheidenden, und nicht vielmehr Ausdruck der Erpressenden sei, wie dies bei Liberius der Fall gewesen wäre. –
Nach den Anschuldigungen der Gegner selbst wäre ja die Unterschreibung als Bedingnis der Befreiung aus dem Exil erfolgt, und dem ungeachtet erst nach Jahren erfolgt. –
Eine Unterschrift aus Zwang gilt nicht als legitime Ausübung der päpstlichen Vollmacht
Gesetzt also auch, die Unterschreibung wäre erfolgt, so wäre dieselbe rein nur als Mittel der zu erhaltenden Befreiung aus dem Exil und als Wirkung eines Missbrauchs kaiserlicher Gewalt, nie aber als legitime Ausübung der legitimen Gewalt des Pontifikats zu betrachten; und nur diesem steht die in Frage stehende Prärogative der Entscheidung zu. –
Da diese Behauptung in der Natur der Sache liegt, und auf Grundsätzen des natürlichen Rechtes sich fußt, welches da auch ein Fels der Wahrheit ist, den die Pforten der Hölle nie stürzen werden, so konnte auch dieser prätendierte Fall es Liberius selbst bei jenen, denen man diesen vorlog, durchaus nicht den Charakter einer päpstlichen Entscheidung an sich tragen; sondern sie erklärten dieselbe für das, was sie wirklich gewesen wäre, nämlich: als eine Entscheidung der Arianer, die sie erpresst, nicht aber des Liberius, von dem sie erpresst war; mithin als illegitim, nicht als Ausfluss des Glaubensprimats, also auch für die Kirche nicht bindend. Dies ist auch die Bemerkung des hl. Athanasius, in seinem 48. Brief an die Einsiedler.
Gleichwie niemand sagen wird. Petrus, da er aus Furcht den Herrn verleugnete, habe gelehrt, man müsse Christum verleugnen: ebenso wenig hatte Liberius, wenn er je die Konsubstantialität des Sohnes leugnete, gelehrt, dass sie zu leugnen sei; sondern, er hätte dann die Konsubstantialität des Sohnes nur aus Überdruss der Verbannung und aus Furcht des Todes gezwungen, nicht ausgesprochen.
Liberius verhinderte, dass die katholische Welt in eine arianische verwandelt wurde
Man mag also annehmen, was man auch nur immer gegen Liberius prätendiert; sein Fall beweist wohl die Schwäche der Gegner in der Geschichte, Theologie, Logik und im natürlichen Recht: entkräftet aber nicht im Mindesten die Begründung des von uns verteidigten Pontifikalrechtes; sondern wie es bei den oben angeführten Einwürfen schon der Fall war, und bei Einwürfen gegen die Wahrheit immer der Fall sein muss, der Einwurf bezeugt in seiner Lösung noch offenbarer, als früher, die Wahrheit und unerschütterliche Begründung dieses Rechtes der Nachfolger Petri.
Liberius ist es gerade, auf den wir uns ganz ausgezeichnet bei der Nachweisung dieser Glaubens-Prärogative des Oberhauptes der Kirche berufen; denn in der ganzen Reihe der Päpste sehen wir kaum einen, der so ausgezeichnet und auffallend als Fels der Kirche in dem Bewusstsein und in der Ausübung dieser Vollmacht des apostolischen Glaubens-Primats dasteht, als Liberius gegenüber den Beschlüssen des Conciliums der siebenhundert Bischöfe, die von Syrmia eingerechnet, nach deren Unterzeichnung, wie Hieronymus so kräftig sagt, die ganze katholische Welt sich mit Verwunderung in eine arianische verwandelt sah! – nur das Haupt ausgenommen! ! –
Ihnen allen gegenüber dieser eine Liberius, das Schwert Petri in seiner Rechten, mit dem er die Acta des Konzils richtet. Es war und blieb gerichtet!! –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 374 – S. 389
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- Liberius_papa_-_366: wikimedia