Zeugnis aller allgemeinen Konzilien des Morgen- und Abendlandes für die apostolische Vollmacht des Papstes

IV. Allgemeines Konzil von Chalcedon

Die Nachrichten von dem frevelhaften Benehmen, dessen sich Dioscorus in der Aftersynode von Ephesus schuldig gemacht; ferner die Umstände des arglistigen Eutyches, endlich die Bitten des Kaisers Marcian und der Kaiserin Pulcheria, bestimmten Leo den Großen, dieses Konzil zu versammeln. Überaus merkwürdig sind die Worte des Kaisers, mit welchen er um selbes ansuchte, zum Beweis, wie durch das zu haltende Konzil nichts Neues bestimmt, sondern nur das, was Leo zum Wohl des katholischen Glaubens vorhinein entscheiden würde, das sollte durch das Konzil auf die zweckmäßigste Weise bekannt gemacht, und auf das Wirksamste in Ausführung gebracht werden. Das Urteil des Papstes sehe er an, als hätte Petrus selbst gesprochen, „tamquam ab ipso beatissimo Petro cuperet declarari“; wie dies Leo in seinem Schreiben an die Synode selbst anführt.

Auf gleiche Weise erklärt ihre Bitte, die in Dingen des Glaubens wohl unterrichtete Pulcheria. In diesem Wunsch bitten beide den Papst, den Bischöfen des Orients zu befehlen, dass sie sich versammelten. Leo tat es. – Er sagte das Konzil an, jedoch, wie es ausdrücklich im Creditivschreiben seiner Legaten heißt, ohne Beeinträchtigung des Rechtes Petri. „Petri apostoli sedis atque honore jure servato.“ Sechshundert und dreißig Bischöfe versammelten sich. Der päpstliche Legat Paschasinus, eröffnete die Synode mit der Erklärung: „Leo, das Haupt aller Kirchen, habe verordnet, dass Dioscorus nicht im Konzil sitzen dürfe, weil er es gewagt, eine Synode ohne Autorisierung des apostolischen Stuhls zu halten, was sonst nie geschehen war, noch je geschehen dürfe.“ Welch ein Bekenntnis vor 630 Bischöfen des Orients! – und alle stimmten ein, und Dioscorus musste hinaus.

Bei der Verhandlung selbst wollte Leo, dass die Väter Sein Sendschreiben in Betreff des Eutyches, genau zur Richtschnur nähmen, und ihre Augen, bei Fällung des Urteils, auf selbes heften sollten, mit dem Verbot, davon auf irgend eine Weise abzuweichen. –

Und wie getreu und wie merkwürdig fügten sich die Väter des Konzils der Vorschrift des Papstes! Es kam zur Beratung, und man las ein Glaubensbekenntnis der Väter welches genügen sollte, Eutyches des Irrtums zu überführen. –

Dieses Glaubensbekenntnis war wohl übrigens ohne Fehl, jedoch nicht genau in jenen Ausdrücken, und jenem Umfang gegeben, als Leo vorschrieb. „Diese Glaubens-Erklärung“, rief man, „gefällt allen; das ist der Glaube der Väter; wer anders glaubt, sei in dem Bann.“ Bereits hatte die größte Zahl der Bischöfe mit Ungestüm also gerufen und darauf gedrungen, dass sie gegen Eutyches festgesetzt würde.

Doch die Legaten wollten nicht, und verlangten ihr Schreiben, um zu Leo zurückzukehren. Nicht nur nach dem Sinne, sondern mit den Worten Leos sollte die Glaubensformel abgefasst sein; und siehe, die Väter des Conciliums entsagten der von ihnen abgefassten Glaubens-Erklärung, und riefen: „Wie Leo, so glauben wir; verflucht sei, wer nicht also glaubt; Petrus hat durch Leo geredet.“ „Ut Leo credimus; anathema ei, qui non ita credit. Petrus per Leonem locutus est.“ Und wieder: „Eine andere Auslegung macht niemand; anders zu erklären versuchen wir nicht, und wagen es nicht.“ „Es ist uns“, rief Cecropius, Bischof von Sebastopol aus, „die Form vom heiligsten Bischof Roms gegeben; wir folgen ihr und haben alle den Brief unterschrieben“; – und alle die ehrwürdigsten Bischöfe riefen: „So bekennen wir alle. Es genügt, was da erklärt ist; eine andere Auslegung kann nicht geschehen!“ –

Wir lesen auch in den Beschlüssen dieses allgemeinen Konzils folgende Worte:

„Wir haben an Petrus einen Felsen der Zuflucht, und Ihm allein steht es an Gottes statt durch freie Vollmacht, das Recht zu entscheiden, vermöge der Ihm von Gott gegebenen Schlüssel; und alles, was von Ihm definiert ist, muss als vom Stellvertreter des apostolischen Stuhles ausgehend, gehalten werden.

Und einstimmig riefen die Väter bei der Verdammung des Dioscorus aus: „Der heiligste Erzbischof des großen Roms, zugleich mit dem dreimal seligsten Petrus, welcher der Fels und Damm der katholischen Kirche ist, und jener, welcher die Grundfeste des rechten Glaubens ist, hat ihn der bischöflichen Würde entsetzt.“ „Ille, qui est rectae fidei fundamentum, nudavit eum Episcopatus dignitate.“

Dieselben Väter nennen in ihrem Synodalschreiben den Papst den von Gott eingesetzten Herold der Stimme Petri; sie gestehen, „dass er für sie bei Haltung der Synode das gewesen, was das Haupt den Gliedern, und bezeugen ihre Freude, dass Gott an dem Papst einen so großen Vorsteher dem apostolischen Stuhl gegeben habe, aus welchem, wie aus einer Quelle, der Ursprung unserer Religion hervor fließt.“

Dieses allgemeine Concilium anerkennt somit, dass Petrus in seinen Nachfolgern erkläre und rede, und dass somit ihre Unterwerfung nicht die persönlichen Vorzüge des Papstes im Auge habe, sondern seine Würde. Daher auch in der vierten Versammlung der Väter einstimmig ausgesprochen ward: „Wer nicht mit dem Brief des heiligsten Bischofs Leo übereinstimmt, ist ein Ketzer.“ „Qui non consentit epistolae SS. Episcopi Leonis, haereticus est.“ (Act. 4.).

In der Liturgie der russischen Kirche liest man von diesem Papst am 18. Hornung: „Welchen Namen werd` ich Dir heute geben? Ich nenne Dich den vorzüglichsten Herold, und die feste Stütze der Wahrheit – den Erben des unüberwindlichen Felsens!“ (Maestre 1. 89.) –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 156 – S. 159