Zeugnis aller allgemeinen Konzilien des Morgen- und Abendlandes für die apostolische Vollmacht des Papstes

V. Allgemeines Konzil von Konstantinopel II.

Wir sehen, bei Gelegenheit dieses Conciliums, das päpstliche Ansehen in Dingen des Glaubens, und sein oberstes Richteramt über Kaiser und Concilium auf das Glorreichste behauptet. Vigilius nämlich von Justinian aus Italien nach Konstantinopel eingeladen, oder vielmehr gelockt, verwarf gleich nach seiner Ankunft in der Kaiserstadt alles, was der Kaiser bisher durch sein Edikt angeordnet hatte. Dafür machte Justinian ihn zu seinem Staatsgefangenen. Doch umsonst; er brach die Kraft des Felsens nicht, sondern in voller Versammlung der höchsten Würdenträger des Reiches sagte ihm Papst Vigilius ins Gesicht: „Wisse, dass, wenn du den Vigilius gefangen hältst, du doch den hl. Petrus (er meinte seine Glaubens-Unerschütterlichkeit) nicht in Fesseln hältst, und dass mich Menschenfurcht nie dahin bringen wird, den Pflichten des Papstes untreu zu werden.“ So war es auch. Es kam zu Gewalttätigkeiten, und Vigilius mit Hilfe des Volkes flüchtete nach Chalcedon in die Kirche der hl. Euphemia.

Von diesem Asyl aus verkündete er durch eine öffentliche Urkunde „Ad universam Ecclesiam“ „an die allgemeine Kirche“ das Geschehene. Er erließ päpstliche Entscheidungen über die Streitfragen jener Zeit; setzte jeder Entscheidung das Anathem bei gegen jeden, der anders lehren sollte, und obwohl wehrlos und gefangen, doch im Gefühl seiner Ihm von Gott gegebenen unantastbaren, apostolischen Vollmacht, fügt er bei, dass, nach diesem seinen durch Autorität des apostolischen Stuhles ergangenen Urteil, „Alles null und nichtig sei“, was immer dagegen von Personen, wes Ranges und Standes, gesagt werden könne. Es ward auch dagegen nichts von Seite, des auf Anhalten des Kaisers endlich zusammen berufenen Konzils, unternommen.

Im Gegenteil trotzdem, dass beinahe bloß Griechen, und das unter dem so mächtigen Einfluss des feindlich gesinnten Kaisers sich versammelten, trat das oberste Ansehen des Papstes durch das Benehmen der Synode und des Papstes selbst nur noch auffallender hervor. Der Kaiser und die Väter des Conciliums baten Vigil, dem Concilium zu präsidieren. Der Papst zog es vor, in seiner Einsamkeit zu bleiben, um dadurch vor aller Welt noch deutlicher zu beweisen, dass er sein oberstes Richteramt in kirchlicher Sphäre weder dem Kaiser noch der Synode verdanke; denn obwohl in dieser Synode bei der Frage der drei Kapitel nicht vom Glauben, sondern von Personen gehandelt wurde, so hat nichtsdestoweniger (siehe Gregor der Große 1. 3. Ep. 37) die Synode selbst, damit nicht ihre Beschlüsse ungültig hießen, zu zeigen gesucht, dass alles nach dem Ausspruch des Vigilius beschlossen wurde. Auch erklärt sie, um den Mund ihrer Gegner zu stopfen, in der ersten Unterredung durch den Brief des Patriarchen an Vigilius, dass sie die Sendschreiben des Papstes in Dingen des Glaubens wie die vier Evangelien annehme. „Professa est, Romani Pontificis quoad fidem epistolas, aeque ac quatuor Evangelia suscipere.“

Über dies hatten der Patriarch Menas und andere, nachdem das Edikt Justinians gegen die drei Kapitel herausgegeben worden war, zu unterschreiben sich geweigert, und feierlich erklärt, dass ihre Unterschrift zurückgestellt werden müsse, wenn der römische Papst sich in einer anderen Weise äußern sollte. (Facundus. 1.2) Vigilius selbst, sein oberstes Recht gegen jeden Fall einer Anmaßung von Seite der Synode sicherstellend, erklärte alles für ungültig, was das Konzil gegen seine Konstitution vielleicht entschieden haben mochte. Dies machte dann auf längere Zeit das Ansehen des Konzils selbst schwankend, und viele rechtgläubige Bischöfe in Afrika, Illyrien, Irland etc. hatten es nicht angenommen, weil sie glaubten, demselben die erst erlassene Konstitution des Vigilius vorziehen zu müssen, wie aus dem 36sten Brief des hl. Gregor erhellt. Das Konzil ward als ein ungesetzmäßiges, von ihnen völlig übergangen, bis die Genehmigung und Konfirmation der Päpste allgemeiner kund ward, worüber gleichfalls der heil. Gregor umständlich berichtet. (1. B. 24. Br. 2; 2. B. 36. Br. 3; 3. Bd. 4. Br. Und 7. B. 54. Br.)

Dasselbe bezeugt auch der Brief Leo des II., welcher später in den Verhandlungen der sechsten allgemeinen Synode den Griechen mitgeteilt ward.

Gewiss ein überaus glänzender Sieg der Wahrheit und der apostolischen Machtfülle ist dieses Feststehen des Felsen Petri in Vigilius, und seinen Glaubens-Entscheidungen, besonders wenn man bedenkt, wer Justinian in seinen Anforderungen, und wer Vigilius vordem als Günstling Justinians war, und wie das bloß griechische Konzil unter den vollen Schutz des Kaisers gestellt, gegen den Papst sich benahm. Es stellt die Wahrheit unserer Thesis in volles Licht. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 160 – S. 163