Zeugnis aller allgemeinen Konzilien des Morgen- und Abendlandes für die apostolische Vollmacht des Papstes
VIII. Allgemeines Konzil von Konstantinopel IV.
Die Veranlassung dazu gab die Vermessenheit des ehrgeizigen Photius. Papst Hadrian II. berief es durch den Kaiser Basilius. Ignatius hatte die ganze von Photius ordinierte Geistlichkeit suspendiert, bis eine Entscheidung von Rom kommen würde. Zerrissenheit der Gemüter war die notwendige Folge; und das Heiligtum des Glaubens selbst geriet in Gefahr. Was war erwünschlicher, als eine baldige, kräftige Hilfe? Die sollte durch päpstliche Gesandte, umgeben von einer zahlreichen Synode, dem Orient werden. –
Erwägen wir, auf welch feierliche Weise sich die höchste apostolische Vollmacht im Konzil selbst entfaltete, und das herrliche Zeugnis desselben für sie zu Zeiten eines Photius!
Zuerst befiehlt der Papst, in seinem Brief an den Kaiser, welcher in der ersten Session des Konzils gelesen ward, alle Exemplare des Conciliabulums, das Photius widerrechtlich zu halten sich erfrechte, im Angesicht aller zu verbrennen, dass nicht ein Jota und nicht ein Punkt von demselben, bei irgend jemand verbleibe, wenn er nicht durch den Bannfluch, aller Rechte des Klerikats und des christlichen Namens selbst beraubt sein will; „nec superesse apud quemlibet, nec unum jota vel unum apicem, nisi forte quis totius Clericatus, immo totius nominis Christiani dignitate carere voluerit“, und das ganze Konzil rief: „Gelobt sei Gott, der sich gewürdigt, eine Genugtuung für Eure Heiligkeit anzunehmen.“
Was die Bedingungen, Erklärungen, Bekenntnisse selbst betrifft, die der Papst bei Gelegenheit dieses Konzils anerkannt und festgesetzt wissen wollte, so waren dieselben in einem eigenen Libell oder Glaubensbekenntnis zusammen gefasst, und dieses musste als Bedingnis der Versöhnung und Kirchengemeinschaft von allen unterzeichnet werden. Es heißt unter anderen in demselben: „Die wichtigste Pflicht des Heiles ist, die rechte Glaubensregel bewahren.“ „Prima salus, est rectae fidei regulam custodire.“ – „Nun kann aber der Ausspruch des Herrn unmöglich unerfüllt bleiben, der gesagt: Du bist Petrus, auf diesen Fels will ich meine Kirche bauen.“
Was hier gesagt ward, wird durch die Tat bewährt; denn auf dem apostolischen Stuhl wurde die katholische Religion stets unbefleckt bewahrt, und die hl. Lehre gefeiert.“
Alle Bischöfe unterschrieben dieses Glaubensbekenntnis mit folgenden Worten: „Folgend in allem dem apostolischen Stuhl, und Seine Anordnungen haltend, hoffen wir, dass wir in jener Eurer Gemeinschaft zu sein verdienen, welche der apostolische Stuhl verkündet, in welchem die volle und wahre Festigkeit der christlichen Religion gesetzt ist.“
Die Formel der Unterschriften selbst lautete also: „Ich N.N., Bischof von N., habe dem, von mir in der Person des seligsten Hadrian, höchsten Priesters und allgemeinen Papstes erlassenen Glaubensbekenntnis unterschrieben, und die Zeugen, welche mit unterschrieben, dazu gebeten.“
Das heißt, meine Glaubensüberzeugung fußt sich nicht auf mein Dafürhalten: sondern ich glaube so, weil der Oberhaupt der Kirche so glaubt. Welch ein herrliches Bekenntnis des inneren Glaubensverbandes! – Ja, wohl, – alle, die wahrhaft glauben, – sie glauben im Glauben des Hauptes der Gläubigen.
Die in der zweiten Session zur Unterschrift zugelassenen, früher gefallenen Bischöfe, wurden eigens von den Legaten gefragt, ob sie das Libell lesen gehört und dessen Urteil anerkennten? Sie riefen: „Wir erkennen Euer Urteil als von der Person des Sohnes Gottes ausgehend an.“ „Judicium Vestrum tamquam ex persona Filii Dei habemus.“
In seinem Brief an Ignatius, der in der dritten Session gelesen ward, erklärt Hadrian seine unveränderliche Willensfassung: Nichts gegen die göttlich eingegebenen Entscheidungen seines Vorfahrers Nikolaus zuzulassen, weil es Entscheidungen des apostolischen Stuhles seien, die unabänderlich sind.“ –
Es ward in dieser dritten Session auch der Brief des Patriarchen Ignatius an Nikolaus gelesen, der aber erst dem Hadrian, dessen Nachfolger, zu Händen kam, da Nikolaus bereits mit Tod abgegangen war. In diesem, vor dem Konzil gelesenen Schreiben, erklärt Ignatius also: „Für die Wunden des Menschen in seinen Gliedern gibt es Ärzte in Fülle: – für die der Kirche hingegen hat das allmächtige Wort als durchweg katholischen Arzt in vollster Lehrgewalt nur einen bestellt; nämlich Deine brüderliche Heiligkeit.“ –
Deshalb sprach der Herr zu Petrus: „Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!“ – Und wieder: „Dir gebe ich die Schlüssel des Himmels!“ – „Dergleichen selige Vorrechte hat er gewiss nicht für den Fürsten der Apostel beschränkt und verordnet, sondern selbe durch ihn allen, die nach ihm, durch ihn oberste Hirten werden sollten, den hl. Bischöfen der römischen Kirche übergeben. – Darum warum sie auch die Ausreißer und Vertilger des Unkrauts, der sich erhebenden Ketzereien.“ „Eradicatores et interemptores malorum zizaniorum in exortis haeresibus.“
Ignatius hatte übrigens durch diesen, und alle die übrigen Ausdrücke den Päpsten gewiss keinen höheren Namen beigelegt und kein erhabeneres Lehransehen in dessen Würde gefeiert, als das ganze Konzil selbst, welches in seinem zweiten Canon erklärt, „dass es Nikolaus, und auf gleiche Weise Hadrian, als das Organ des hl. Geistes anerkenne.“ –
Wenn dies, nach dem Zeugnis dieses Konzils, das Lehransehen der römischen Päpste ist, wer könnte da von einer Möglichkeit des Irrtums in den Glaubens-Entscheidungen der Päpste reden?!
Wollen wir einen Beweis, wie hoch über sich, und unabhängig man diese apostolische Machtfülle des Papstes in Leitung der Kirche überhaupt angesehen, so gibt es in der ganzen Kirchengeschichte keinen glänzenderen als den gerade dieses Konzil gegeben. Es handelte sich um eine Dispensation, mit dem von dem eingedrungenen Photius ordinierten Klerus, auf dass derselbe nach vorhergegangener Genugtuung in Ausübung seiner Amtsübungen verbleiben dürfe. –
Was geschah? Das ganze Konzil, Ignatius der Patriarch, Basilius der Kaiser, alle wünschten diese Nachsicht, und doch wagte das Konzil nicht, dieselbe zu geben, sondern es wandte sich durch Ignatius nach Rom an den Papst, und bat darum flehentlich. – Ein gleiches tat der Kaiser. – Allein umsonst; Hadrian antwortete mit den merkwürdigen Worten: „Non est in nobis: est, et non est“; das heißt: „Meine von euch anerkannte, apostolische Vollmacht kennt kein Schwanken, besonders da nicht, wo die Einheit und Reinheit des Glaubens mit dieser Dispense gefährdet zu werden schien.“
Dies ist die Stimme des ganzen Orients, in seinen acht allgemeinen Konzilien; dies seine Zeugnisse, für die apostolische Vollmacht des römischen Stuhles bis in das neunte Jahrhundert. Wer könnte bei Durchgehung und Erwägung derselben an dem Glauben des Episkopats der ersten, wahrhaft rechtgläubigen griechischen Kirche an die oberste, definitive und unfehlbare Lehrautorität des Papstes, auch nur im Geringsten zweifeln?
Die Päpste waren sich dieses ihres Lehransehens so klar bewusst, dass sie, wie die Geschichte dieser Konzilien es nachgewiesen, die Hierarchie des ganzen Orients in aller Weise herausforderten, um zu erfahren, ob es jemand wagen würde, diese ihre apostolische Lehrautorität zu bekämpfen oder auch nur zu bezweifeln. Und siehe, nicht eine Spur davon zeigte sich. Selbst Photius wagte es nicht dieselbe anzugreifen, wenngleich sein Stolz ihn zum Schismatiker und tatsächlich zum Ketzer machte. Wenn nachmals dieser Glaube durch das Schisma, welches der Stolz und Ehrgeiz der Patriarchen von Konstantinopel hervorgerufen, verdunkelt ward, so ging er doch nicht so unter, dass wir nicht von diesem ersten Glauben des Orients, bis auf unsere Tage, die herrlichsten Zeugnisse aufzuweisen hätten, wie wir dieselben später an seinem Platz anführen werden, und bereits im vorigen Abschnitt angeführt haben. Auch die Zeugnisse der allgemeinen Konzilien, wie sie uns von nun an der Okzident darbietet, bestätigt dieselbe Anerkennung von Seiten der Hierarchie der Kirche. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 171 – S. 176