Von der Erlösung des Menschen

Vom Urzustand des Menschen und seinem Fall: Lucas Cranach d.Ä. - Sündenfall und Erlösung

F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube

Beiträge von Franz Xaver Weninger: österreichischer Jesuit, geistlicher Schriftsteller und Volksmissionar

Erster Abschnitt – Gegenüberstellung der Lehrsätze

2. Von der Erlösung des Menschen

Das Menschenherz verlangt bei jedem Unglück nach Hilfe. Es freut sich besonders, wenn diese Hilfe nicht nur das Verlorene ersetzt, sondern wenn der erlittene Schaden noch zu größerem Gewinn und Nutzen sich ausgleicht. – Hat dies auch bei dem gefallenen Menschengeschlecht statt?

Die katholische Kirche antwortet: Allerdings. Sie behauptet und lehrt, dass wir durch Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, und sein unendliches Verdienst wirklich von den Flecken der Sünde innerlich frei, durch die übernatürliche, heiligmachende Gnade mit Gott wieder vereinigt, wahrhaft gerecht und vor seinen Augen wohlgefällig werden.

Welch ein Trost für das wieder versöhnte Menschenherz; wenn der Mensch, der einst den Vorwurf der Sünde bitter in sich gefühlt und die Abscheulichkeit der Sünde klar erkannt und schmerzlich beweint hat, sich nun von diesem Übel aller Übel wirklich frei weiß und in einem Zustand erblickt, in welchem er vor den Augen Gottes wieder rein, geheiligt und wohlgefällig erscheint!

Die katholische Lehre erklärt zugleich, dass der Mensch bei dieser seiner Rechtfertigung mitwirke, weil er mit voller Freiheit dem Antrieb der Gnade Gottes folgt, der ihn zur Buße und Besserung des Lebens ruft. Diese Mitwirkung erhöht seinen Trost; denn er verkostet bei dieser Wiederversöhnung mit Gott zugleich das Gefühl jubilierender Siegesfreude im Kampf gegen Sünde, Tod und Hölle.

Mehr, ja unendlich mehr hat Christus auf solche Weise für uns gewonnen, als wir einst in Adam verloren, und es ist uns gestattet mit den Worten aufzujubeln, welche die Kirche am Karsamstag bei der Verkündigung der Osterfeier ausruft: „O selige Schuld Adams, die eines solchen Erlösers teilhaftig wurde!“ Nicht nur, dass Christus den Satan überwand und uns aus seiner Gewalt befreite, hat er uns auch in denselben Stand der Heiligung und übernatürlichen Vereinigung mit Gott zurückversetzt, in welchem Adam sich befand; ja höher noch hat Er für uns den Gipfel christlicher Tugend erhoben, und dadurch auch den Thron für jeden seiner Getreuen im Reiche der Vergeltung. –

Denn durch die Vereinigung seiner göttlichen Natur mit der des Menschen, hat er diese unsere Natur über alle Chöre der Engel erhöht und hat uns mit einer Kraft der Gnade erfüllt, die noch mächtiger ist, als jene war, die dem ersten Menschen in seiner ursprünglichen Gerechtigkeit zuteil geworden.

Da war der Mensch zunächst nur angewiesen, ein unvollkommenes Gesetz zu erfüllen, uns Erlösten eröffnet sich zugleich das weite Feld der Erfüllung des christlichen Gesetzes und der Haltung der evangelischen Räte. Für den Menschen im Stande ursprünglicher Gerechtigkeit gab es freilich noch keinen Kampf gegen die empörte Leidenschaft; dafür ist aber auch unser Sieg um so glorreicher, wenn wir, durch Christi Gnade gestärkt, auch diesen Feind in unserem Inneren überwinden.

Ja selbst die belästigenden Folgen des Falles, nämlich dieser Zunder der Begierlichkeit und die zahllosen Mühen irdischer Leiden, sollten uns zur Gelegenheit für noch größere Verdienste und herrlichere Kronen im Reich der einstigen Vergeltung für die Ewigkeit werden. –

So kostet das Herz die ganze Süßigkeit der Erlösung und stimmt mit vollem Jubel in das Alleluja ein, mit welchem Jesus als Sieger über Sünde, Tod und Hölle vom Grabe erstanden.

Der Protestantismus raubt dem Menschen diesen Trost. Nach der Lehre Luthers und seiner Mitreformatoren werden die Sünden eigentlich in uns nie wahrhaft weggenommen und ausgetilgt, weder die Erbsünde noch unsere persönlichen Sünden, sondern sie werden nur vor den Augen Gottes zugedeckt, der uns wegen der Verdienste Christi, wenn wir an Ihn als Erlöser glauben, nicht strafen will. –

Der Mensch bleibt auch nach seiner Rechtfertigung ein Sünder, wie vor seiner Rechtfertigung, nur wird er nicht gestraft. (Luther. Expos. Epist. ad Galat. Solida Declar. III. § 15. p. 657. Calv. Inst. I. III. c. 2, 260. Sol. Decl. Pag. 643.)

Welch ein trostloser und betrübender Gedanke: Gott straft mich zwar nicht, aber ich bin doch vor Ihm nicht mehr als ein übertünchtes Grab. Der paradiesische Zustand des ersten Menschen ist und bleibt verloren und unersetzt. Auch wirkt der Mensch bei dieser Zudeckung seiner Sünden nichts mit; er hat ja nach ursprünglich protestantischer Lehre seine Freiheit verloren und ist, wie Luther sich ausdrückt, bei seiner Rechtfertigung so wenig tätig, als die Salzsäule der Frau des Lot. Dabei bleibt der Mensch für sein ganzes Leben unfähig, irgendetwas wahrhaft Gutes und für das ewige Lebe Verdienstliches zu tun, wie es aus den angeführten Zitaten erhellt und wir noch umständlicher im Verlauf unserer Abhandlung nachweisen werden.

Welch ein trostloser und betrübender Zustand des erlösten Menschen! –
aus: F. X. Weninger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 9 – S. 12

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Folgebeitrag: Die Kirche als Gewissheit des Heilsweges

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