Die Kirche als Gewissheit des Heilsweges

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Die Kirche als Gewissheit des Heilsweges: Der Petersdom

F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube

Beiträge von Franz Xaver Weninger: österreichischer Jesuit, geistlicher Schriftsteller und Volksmissionar

Erster Abschnitt – Gegenüberstellung der Lehrsätze

3. Die Kirche als Gewissheit des Heilsweges

Das Menschenherz verlangt in jeder wichtigen Angelegenheit Sicherheit. Es verlangt diese Sicherheit besonders, wenn ein wichtiges Geschäft mit großen Gefahren verbunden ist. Das Menschenherz verlangt Gewissheit in allen wichtigen und zweifelhaften Dingen. Es freut sich namentlich der Sicherheit und Gewissheit des Weges, wenn das Glück, das uns zugedacht ist, erst an einem anderen Ort auf uns wartet. Wir wandeln freudig einen Weg zum Ziel, von dem wir die Gewissheit haben, dass er der rechte ist, und auf welche solche uns begleiten und führen, welche diesen rechten Weg genau kennen. Am meisten und unvergleichlich mehr, als in allen anderen Dingen, verlangt das Menschenherz nach dieser Gewissheit und Sicherheit, wenn es sich um den Weg zum ewigen Heil handelt. –

Welches ist der unfehlbare Weg zur ewigen Seligkeit?

Fürwahr, es gibt keine denkbare Frage, deren Beantwortung für den Menschen wichtiger wäre als eben diese: welches ist der unfehlbare Weg zur ewigen Seligkeit? Gibt es jemanden, der uns darüber bestimmten, sicheren und unfehlbaren Aufschluss geben kann? Katholiken und Protestanten antworten: Der Glaube gibt uns diesen Aufschluss. Allein nun erhebt sich mit gleicher Dringlichkeit abermals die Frage: Gibt es eine Autorität auf Erden, die uns eben über die Richtigkeit der Wahrheiten des Glaubens selbst unfehlbaren Aufschluss gibt?

Die katholische Lehre antwortet: Ja, denn Christus hat auf Erden ein sichtbares Reich gestiftet, die Kirche, welcher Er seine Lehre und alle Mittel des Heiles übergab, und die als unfehlbare Lehrerin und Richterin uns Gottes Wort verkündigt, so wie es ist und Gott es der Welt offenbart hat, und welche uns bis an das Ende der Zeiten vollständig und unverkümmert die Mittel des Heiles spendet, wie Christus sie eingesetzt.

Die von Christus gestiftete Kirche

Diese seine Kirche ist der geistige Leib, dessen Haupt Christus selbst ist. Durch diese seine Kirche verbindet Christus alle Menschenkinder, die an Ihn glauben, als Brüder und Schwestern nicht dem Fleische nach, sondern als wiedergeborene Kinder Gottes und Bürger einer neuen höheren Weltordnung. Wir werden nämlich durch seine Gnade, weil Kinder seiner Kirche auf Erden, zugleich Erben des Himmels und Bürger des himmlischen Jerusalems, Mitbürger der Engel, und in solcher Weise erhöht und veredelt, dass Christus, der seiner Person nach Gott ist, keinen Anstand nimmt, uns im Angesicht aller Chöre der himmlischen Geister Brüder zu nennen.

Diese seine hochherrliche und hochheilige Kirche, die von der Erde sich über die Sterne erhebt und die durch Christus die Himmel selbst überragt, steht, durch Ihn auf Petrus den Felsen gegründet, unerschütterlich fest und nie werden, nach seiner Verheißung, die Pforten der Hölle sie durch Irrtum und Fälschung der Lehre überwältigen. (Matth. 16, 18) – „Ich bleibe bei euch“, spricht Christus, „alle Tage bis an das Ende der Welt.“ (Matth. 28, 20) – „Ich werde euch senden den Geist der Wahrheit, der bei euch bleiben wird; der wird euch alle Wahrheit lehren.“ (Joh. 14, 16; 16, 13) –

Damit aber niemand in dieser Beziehung sich täusche, und seine eigene Meinung mit der Lehre verwechsle, die Christus seiner Kirche übergab, setzte Er, ihr Stifter, eine lehrende und leitende Gewalt ein, an welche sich die Gläubigen, in allen das Heil betreffenden Dingen, ebenso vertrauensvoll wenden sollen, wie an Ihn selbst, und der sie sich ebenso demütig zu unterwerfen haben, wie Ihm selbst. „Wer euch hört“, spricht Er zu seinen Aposteln, „der hört mich. Wer euch verachtet, der verachtet mich.“ (Luk. 10, 16) „Was ihr auf Erden bindet, das ist im Himmel gebunden, und was ihr auf Erden löst, das ist im Himmel gelöst.“ „Wer die Kirche nicht hört, der sei dir wie ein Heide.“ (Matth. 18, 17 u. 18)

Die Kirche ist die Säule und Grundfeste der Wahrheit

So steht die Kirche nach den Worten des hl. Paulus da als „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3, 15), und so bewahrte uns der Herr, dass wir nicht, wie derselbe Apostel sagt, umhergetrieben würden von jedem Wind der Lehre. (Eph. 4, 17) –

Durch diese leitende Gewalt gestützt, steht jeder im Verband der Kirche unerschütterlich fest; denn er steht durch den Verband mit den untergeordneten, unmittelbaren Kirchenvorstehern, welche durch die Bischöfe, als Nachfolger der Apostel, zu Hirten bestellt sind, mit jenem selbst in Verbindung, durch welchen die Bischöfe ihre Sendung erhalten, nämlich mit dem Oberhaupt der Kirche, mit dem Nachfolger des Fürsten der Apostel, zu dem Christus gesagt:

„Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ „Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ (Matth. 16, 18 u. 19) „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke, und du bestärke deine Brüder.“ (Luk. 22, 32) „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“ (Joh. 21, 15-17) –

Wo Petrus ist, da ist die Kirche

Das Kind der katholischen Kirche hat durch diese Vereinigung mit demjenigen, welchen Christus zu seinem sichtbaren Stellvertreter auf Erden eingesetzt hat, d. h. mit dem Nachfolger des heil. Petrus, immer das Siegel der Gewissheit, ein Kind der von Christus selbst gestifteten und somit allein wahren Kirche zu sein, nach dem richtigen und unwidersprechlich konsequenten Ausspruch des hl. Ambrosius: „Wo Petrus ist, da ist die Kirche.“

Auf diesem sicheren Weg des Heiles, den wir durch dieses Merkmal als den unbezweifelbar richtigen erkennen, fühlt sich der Katholik auch nicht vereinzelt, sondern umgeben von einer unermesslichen Zahl von Helden der Tugend, an deren seliger Vollendung er nie und nimmer zweifeln kann. Er blickt zurück durch die achtzehn Jahrhunderte, die im Strome der Zeit vorübergerollt, und wie hochbegeistert, wie dank- und jubelerfreut blickt er auf die endlosen Scharen derjenigen, die als Kinder dieser ersten und unveränderlichen Kirche die Kämpfe derselben siegreich mitgekämpft und aus den gewaltigsten Stürmen mit noch glorreicheren Palmen des Sieges hervorgegangen.

Die Kirche hat Märtyrer, Bekenner, Lehrer und Tugendvorbilder

Er sieht in den vordersten Reihen dieser bewährten Kinder jener Kirche, die er selbst seine Mutter nennt, die vielen Millionen Märtyrer, die in den ersten drei Jahrhunderten zum Zeugnis der Göttlichkeit derselben und ihrer Lehre, ihr Blut vergossen. Er sieht dann durch alle Jahrhunderte eine zahllose Menge von Bekennern, die für dasselbe Zeugnis die Erde mit ihrem Blut gerötet haben.

Er sieht mit überschwänglich großem Trost die Siege, welche die Kirche durch diese ihre getreuen Kinder über die zahllosen inneren und äußeren Verfolgungen gefeiert, besonders über jene, mit welchem der Irrtum gegen sie, das Reich der Wahrheit, angekämpft und wie die wütenden Wogen aller dieser Stürme machtlos an jenem Felsen abprallten, auf welchen Christus seine Kirche gebaut hat.

Er sieht die glänzende Reihe von Lehrern, Bischöfen und Päpsten, welche Christus zur Wahrung seines Reiches erweckte und die einander in einer Weise gefolgt sind, wie keine andere Gesellschaft eine solche Reihe von Talent, Kraft und Tugend aufzuweisen hat. Dies gilt namentlich von den Nachfolgern des hl. Petrus, die bis auf Pius IX. als ebenso viele Sterne durch die Jahrhunderte leuchten und den Weg des Heiles bezeichnen, den die Kirche unter ihrer Leitung der seligen Ewigkeit entgegengegangen.

Er sieht ferner im Leben der Heiligen, deren Taten diese selbe Kirche Gottes verherrlichen, eine Menge der glänzendsten Charaktere und edelsten Tugendvorbildern aus allen Ständen jedem Alter und Geschlecht.

Er staunt besonders und fühlt sich innigst getröstet bei dem Anblick aller jener Taten heiliger Nächstenliebe, welche das Leben der Kinder dieser Kirche aufzuweisen hat, der er sich anvertraut und die er mit ihnen seine Mutter nennt. Wie viele aus diesen, deren Tugend und siegreiche Vollendung Gott selbst durch Wunderzeichen bestätigt hat, und die alle als Kinder dieser selben Kirche, der er angehört, den Weg des Heiles gewandelt sind!

Das alles flößt dem Herzen des Sohnes der katholischen Kirche die unerschütterliche Gewissheit dieser Überzeugung ein: Ich bin als Kind der wahren Kirche Christi unfehlbar sicher auf dem rechten Weg des Heiles. Kann es einen größeren Trost geben als diese Gewissheit?

Hat der Protestant Gewissheit des Heilsweges wie der Katholik?

Der Protestantismus raubt euch diesen Trost, denn er verwirft diese Auffassung der Kirche. Für ihn ist die Kirche nur eine Menge – keine Einheit. Wenn er diese auch mit Worten bekennen sollte, er widerspricht sich selbst. Denn wo sollte da eine wahre innere Einheit der Kirche sein, wo alle äußere und innere Autorität fehlt, der sich alle äußere gleichmäßig zu unterwerfen haben, wo jeder sein eigenes Kirchenoberhaupt, sein eigener Lehrer und Richter in Sachen des Glaubens ist, weil sein protestantisches Bekenntnis ihm frei stellt zu glauben, was er will. Dazu ist jeder Protestant als eigener Schriftausleger berechtigt. Er erkennt deshalb auch keine Unfehlbarkeit und keine Unveränderlichkeit und Unzerstörbarkeit der Kirche an.

Im Gegenteil, er beschuldigt geradezu die erste Kirche, dass sie von dem rechten Pfad abgewichen und zum Reich des Antichrist geworden sei. In seinen Augen ist jede anordnende und unwidersprechende Autorität und Kirchengewalt bloße Anmaßung. Er sagt: es gibt kein unfehlbares Lehramt in der Kirche und keine von Christus eingesetzte oberste Gewalt. Jeder lese die heil. Schrift und suche sich aus derselben seinen Glauben heraus und halte ihn fest, so gut er kann.

Welch eine trostlose Behauptung und welch ein Widerspruch zugleich!

Kann die Bibel die Kirche ersetzen?

Also die Bibel soll die Kirche ersetzen? Allein, woher wisst ihr, dass die Bibel die Bibel ist, d. h. ein von Gott eingegebenes Buch, als weil es euch die Kirche gesagt hat, von der ihr sie genommen? Wenn die Kirche, von der ihr euch getrennt habt, nicht die wahre Kirche Christi geblieben ist, woher habt ihr die unfehlbare Gewissheit, dass an der Bibel selbst nichts geändert wurde? Und angenommen, ihr könntet dies auf einem andern Wege, als dem der kirchlichen Überlieferung, nachweisen, woher weiß jeder einzelne unfehlbar gewiss, dass er auch die Bibel recht verstehe?

Der Katholik fährt als Sohn der wahren Kirche im sicheren Schiff der Kirche dem Himmel zu. Der Protestantismus wirft die Texte der heiligen Schrift, durch Privatmeinungen aus dem wechselseitigen Verband herausgerissen, als ebenso viele Rettungsbretter in das Meer und ruft euch zu: Fasst sie, wenn ihr könnt, und haltet sie fest, wenn ihr könnt, – vielleicht retten sie euch. Welch eine trostlose Ungewissheit! Vielleicht kenne ich den Weg des Heiles, vielleicht auch nicht – und wie dann?

Die Irrwege der protestantischen Sekten

Wie unbefriedigt und beunruhigt das Herz sich in Mitte solcher Ungewissheit fühle, beweisen die Sekten, die aus dem Protestantismus hervorgegangen und die durch eine vorgebliche Privat-Inspiration und besondere Erleuchtung des heiligen Geistes sich die Gewissheit zu verschaffen suchten, von der sie wohl einsahen, dass dieselbe durch keine Privat-Auslegung der Bibel zu erreichen sei. Zu dieser Klasse gehören namentlich die Methodisten. Alle Welt weiß, bis zu welcher Betäubung die Anhänger dieser Sekte ihre Phantasie zu reizen gewohnt sind. –

Wer hat wohl je einem Camp-Meeting (1) dieser Sekte beigewohnt, ohne mit Staunen und Verwunderung zu sehen, was Fanatismus zu bewirken imstande ist? – Wer könnte auch sonst an deren Meeting-Häusern vorübergehen, und das Heilen, Weinen und Jauchzen dieser Begeisterten hören, ohne an eine Taverne sich zu erinnern und bei sich zu denken: Was doch diese geistig Trunkenen sich abquälen!

Man mag allerdings im Rausch goldene Schlösser sehen, doch der Rausch vergeht und man fühlt umso bitterer die Armut, in der man sich wirklich befindet. Ebenso verdampft auch diese Betäubung überreizter Phantasie und der Enttäuschte fühlt wieder um so bitterer die peinliche Ungewissheit seiner Lage. Wohl pflegen Protestanten, besonders Methodisten, auf ein innerliches Gefühl der Gewissheit, dass sie auf dem wahren Weg des Heiles seiein, sich zu berufen; allein, wie kann der prüfende Menschenverstand da, wo es sich um das Heil seiner Ewigkeit handelt, sich mit bloßen Gefühlen beruhigen? Wer gibt ihm die unfehlbare Sicherheit, dass in diesem Gefühl selbst keine Täuschung sei? –

Und wie soll der sich beruhigen, der weder die Bibel lesen noch solch ein Gefühl sich geben kann? – Trostlose Ungewissheit!

Aber auch in Hinsicht auf diejenigen, die mit ihm der Ewigkeit entgegen wandeln, wie unbefriedigt steht der Protestant da.

Der Katholik erblickt sich umgeben von Millionen von heiligen und Helden christlicher Tugendvollkommenheit, an deren Heil und Seligkeit er unmöglich zweifeln kann.

Die trostlose Ungewissheit des Heilsweges im Protestantismus

Seid ihr Protestanten imstande, auf eine ähnliche Reihe von Märtyrern, Bekennern, Lehrern, Jungfrauen und Wohltätern des menschlichen Geschlechtes hinzuweisen? Wenn ihr das zu tun imstande seid, so nennt uns die Namen derselben. Und selbst wenn ihr imstande wäret, auf eine Reihe von Menschen hinzuweisen, die ihr als Heilige eures Bekenntnisses zu erklären gesonnen wäret, woher könntet ihr beweisen, dass dieselben wirklich gerade den Glauben bekannt und gehalten, den ihr bekennt und haltet? Dafür gibt es bei euch kein Mittel der Erkenntnis, da es euch an einer jeden bindenden Autorität des Glaubens mangelt und nach dem obersten Grundsatz des Protestantismus jeder das Recht hat zu glauben, gerade was er will und zu glauben notwendig findet.

Der Katholik ist sicher, dass jeder Heilige der Kirche gerade das geglaubt hat, was er glaubt, weil niemand mehr oder weniger als Kind dieser Kirche glaubt, als eben was diese selbe Eine Kirche zu glauben vorstellt. – Bei euch fehlt es an dieser Richtschnur und diesem Kennzeichen eines und desselben Glaubens.

Luther hat in der Tat einen gefährlichen Sprung gewagt, als er den wohl bewährten Weg des Heiles verließ, auf welchem vor ihm durch fünfzehnhundert Jahre die Kinder der Kirche dem Himmel zugewandelt, um den Nebenweg der Privatauslegung der heiligen Schrift einzuschlagen, der in keinem Fall die unfehlbare Versicherung gibt, dass der Mensch alles glaube, was Gott uns geoffenbart, sondern der im Gegenteil mit Sicherheit uns dem Irrtum und Verderben entgegenführt, weil er das von Christus selbst eingesetzte Lehramt der heiligen Kirche von sich weist und verachtet.

(1) Es sind das große Versammlungen dieser in Amerika und England überaus zahlreichen Sekte unter freiem Himmel, in denen sie sich durch geistige Aufregungen und körperliche Anstrengungen in eine Art Raserei versetzen, bis zur Ohnmacht darin forttoben und dann glauben, der Geist sei über sie gekommen und sie seien jetzt bekehrt. –
aus: F. X. Weniger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 12 – S. 19

Anmerkung: Die Überschriften sind hinzugefügt.

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Bildquelle

Die Sakramente sind Mittel des Heils
Von der Erlösung des Menschen