F. X. Weninger SJ, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube
Vorwort des Herausgebers
Wir teilen hier dem deutschen Volk ein Buch mit, das in Amerika in kurzer Zeit die größte Verbreitung gefunden hat, und einen Begriff davon gibt, wie offen und entschieden religiöse Dinge in den amerikanischen Freistaaten besprochen werden. Bei uns in Deutschland hat man sich vielfach an eine Sprache gewöhnt, welche vor lauter Rücksichten die Wahrheit mehr verhüllt als offenbart.
Der Verfasser, der von einem Ende Amerikas bis zum andern hoch gefeierte Missonär Weninger, ist ein Mann, dem kein Amerikaner, der ihn kennt, das offene und freimütige Wort übel nimmt, selbst wenn es weh tut und gegen seine liebsten Vorurteile gerichtet ist. Denn was er redet, fließt aus einem Herzen voll ungeheuchelter Liebe und unerschöpflichen Wohlwollens. Dazu kommt, dass er durch sein Leben und seine Taten den unwiderleglichen Beweis geliefert hat, dass ihn bei allen seinen Unternehmungen und arbeiten nur die reinste Liebe zur Wahrheit und das glühende Verlangen bewegt, alle Menschen glücklich zu machen.
Seit fünfzehn Jahren durchzieht dieser außerordentliche Mann, den großen apostolischen Predigern der Vorzeit ähnlich, das ganze ungeheure Gebiet Nordamerikas, meistens allein, unter unzähligen Entbehrungen, und predigt fast Tag für Tag, und oftmals am Tage drei- und viermal, bald in den großen Städten, bald in der fernsten Einsamkeit der Urwälder, meistens vor einem aus allen Ständen und Religionen gemischten Publikum, mit einer schlichten Kraft und Wärme, die ihm alle Herzen gewinnt, jene Wahrheit, von der sein Herz voll ist.
Einige kurze Stunden des Schlafes abgerechnet, ist sein ganzes Leben ein unablässiges angestrengtes Arbeiten und Sichaufopfern im Dienst Gottes und des Nächsten. Seine Tugenden, seine jedes gewöhnliche menschliche Maß übersteigende Tätigkeit haben ihm, ungeachtet seiner religiösen Entschiedenheit und seines Eifers, in einem ungewöhnlichen Grade auch das Vertrauen und das Wohlwollen vieler amerikanischen Protestanten gewonnen.
Oft schon hat er, der katholische Missionär, nach den Berichten amerikanischer Zeitungen, auf ergangene Einladung, in großen protestantischen Versammlungen mit dem größten Beifall geredet. Durch sein apostolisches Wirken sind tausende und tausende von Katholiken, deren religiöses Bewusstsein unter den Einflüssen des amerikanischen Lebens gänzlich erloschen schien, zu christlichem Glauben und Leben neu erweckt und eine große Zahl von der katholischen Kirche Getrennter mit ihr ausgesöhnt worden.
Um gegenwärtiges Buch vollkommen zu würdigen, muss man die religiösen Zustände Amerikas vor Augen haben. Frei von den Schranken des Staatskirchentums, wie es in den protestantischen Staaten Europas besteht, hat in den nordamerikanischen Freistaaten der Protestantismus seine Prinzipien mit einer Freiheit und Folgerichtigkeit entwickelt, wie sonst nirgendwo. Auf der einen Seite hat er sich in zahllose Parteien und Sekten aufgelöst, auf der anderen Seite haben Millionen, teils von diesem Parteiwesen abgestoßen, teils von den materiellen Interessen ganz absorbiert, jede positive Religion aufgegeben. Daher die in allen christlichen Jahrhunderten unerhörte Tatsache, das ein sehr großer Teil der Nordamerikaner nicht einmal getauft ist.
Mitten in diesem religiösen Chaos steht allein die katholische Kirche in ehrfurchtgebietender Einheit und Erhabenheit da, von Schwierigkeiten und Gefahren ohne Zahl umgeben, aber auch voll Zuversicht und freudiger Begeisterung: denn fast nirgendwo tritt es dem gläubigen Katholiken so klar vor die Seele, als in Amerika, dass nur diese Kirche allein, die einst die Völker Europas zum Christentum führte, auch die Kraft und den Beruf habe, das Christentum in Amerika zu erhalten und herzustellen. Wenn wir das vor Augen haben, werden wir die offene, aber ebenso liebevolle Sprache des Missionärs begreifen.
Warum teilen wir aber dieses für Amerika geschriebene Buch dem deutschen Volk mit? Antwort – weil diese offene Sprache der Wahrheit und Redlichkeit dem deutschen Volk ebenfalls sehr nützlich ist. Dann aber, weil unsere Zustände den amerikanischen von Tag zu Tag ähnlicher werden. Sektenwesen und völligen Unglauben sehen wir fast allerwärts überhandnehmen. Beide ziehen aber ihre ganze Kraft aus jener unglücklichen Glaubensspaltung des sechszehnten Jahrhunderts, welche unser einst so großes Vaterland zerrissen und, anstatt die Religion, wie man behauptete, zu verbessern, nach und nach alle Religion zerstört und Millionen um den Halt und den Trost des Christentums gebracht hat.
Das Haupthindernis der Wiedervereinigung im Glauben aber sind die furchtbaren Vorurteile und Unwahrheiten, welche in den drei Jahrhunderten der Glaubensspaltung in Umlauf gekommen sind. Daraus erklären sich fast alle Abneigungen und Gehässigkeiten gegen unseren Glauben; daher nehmen auch die Gegner der Religion ihre Waffen, um schlecht unterrichtete Katholiken in ihrem Glauben irre zu machen. Wäre die katholische Religion das, was diese Vorurteile und Lügen aus ihr machen, sie verdiente allgemeine Verachtung und Hass.
Sie ist aber in der Wirklichkeit das gerade Gegenteil dieses Zerrbildes. Sie ist ebenso göttlich erhaben, als der menschlichen Natur angemessen; sie ist voll Licht für den menschlichen Geist, voll Trost für das Herz, sie ist die einzige feste Stütze des menschlichen Lebens und der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Das setzt unser Verfasser mit sonnenheller Klarheit auseinander, so dass jeder, auch der nicht ganz verbitterte Ungläubige, daraus den Wunsch schöpfen muss, dass doch diese schöne, gute und trostreiche Religion wahr sein möchte. Nun wohlan, sie ist göttlich wahr; das zeigt der Verfasser, indem er nachweist, wie unerschütterlich und jedem vernünftigen Zweifel ausschließend das Fundament des katholischen Glaubens, wie unhaltbar dagegen, eine göttliche Offenbarung vorausgesetzt, das Glaubensprinzip des Protestantismus ist.
Allein der Verfasser weiß wohl, dass er es heutzutage vielfach mit völligem Unglauben zu tun hat. Er gibt daher seinem Werk den Abschluss, indem er die logische Unhaltbarkeit des Unglaubens dartut durch einige kurze und evidente Schlussfolgerungen den ungläubigen Zweifler über die Grundlosigkeit seiner Zweifel aufklärt und ihm eine klare Vernunfteinsicht in die Wahrheit und Notwendigkeit der Grundlagen des Christentums verschafft. Dabei widerlegt er überall die landläufigen Vorurteile. Was aber am meisten jeden Leser ansprechen muss, ist die jedem gesunden Verstand und redlichen Herzen so wohltuende und populäre Sprache, so wie die Redlichkeit und das herzliche Wohlwollen, auch den größten Gegnern gegenüber, die in jeder Zeile sich kundgeben.
Das Buch Weningers ist also ein Buch nicht bloß für Amerika, sondern für die ganze Welt, ein Buch, gerade wie unsere Zeit eines bedarf. Es wendet sich zunächst an Protestanten und Ungläubige. Aber werden diese es auch lesen? Wenigstens in Amerika ist dieses der Fall. –
Wir sind hier imstande, eine merkwürdige Tatsache mitzuteilen. Der Verfasser hat nämlich am Geburtstag Washingtons, der in Nordamerika mit großem Pomp gefeiert wird, sein Buch in einer Prachtausgabe durch den Herausgeber desselben M. Walsh dem Präsidenten, dem Kabinett, dem Senat und dem Kongress der Vereinigten Staaten, und zwar jedem Minister, Senator und Deputierten, desgleichen allen Mitgliedern des höchsten Gerichtshofes, sowie auch den Gouverneuren, Vize-Gouverneuren, Sekretären und den Mitgliedern der höheren Gerichtshöfe der einzelnen Staaten überreichen lassen – und, weit entfernt, dass der freimütige Missionär dadurch Anstoß erregte, haben sehr viele dieser Herren dem Verfasser brieflich ihren Dank ausgesprochen.
Allein auch für die Katholiken ist das Buch von unschätzbarem Wert. Die Zeiten sind fast überall vorüber, wo die Katholiken unangefochten und in Frieden ihres Glaubens leben können; vielmehr wird ihr Glaube von allen Seiten angefochten, und zwar sind die Waffen, welche gebraucht werden, um sie zum Abfall vom Glauben zu bringen, ganz dieselben Irrtümer, Entstellungen und Vorurteile, welche die Protestanten sowie die Ungläubigen von der Erkenntnis und Anerkenntnis der katholischen Wahrheit abhalten.
Und wie viele Katholiken gibt es in unseren Tagen, die, selbst zum Teil von diesen Vorurteilen und irrigen Vorstellungen eingenommen, nicht mehr wissen, welch hohes Gut sie an ihrer Religion besitzen! Für diese ist das Buch Weningers wahrhaft eine Arznei, die ihnen die volle geistige Gesundheit wieder geben kann. Aber auch der wohl unterrichtete und glaubensfeste Katholik wird daraus neue Glaubensfreudigkeit und vielfache Belehrung schöpfen, vor allem aber die Kunst lernen, in rechter Weise seinen Glauben zu verteidigen, die landläufigen Vorurteile zu widerlegen und Unwissende über die Schönheit und Wahrheit der katholischen Religion aufzuklären.
In dieser Beziehung gewährt selbst der Umstand, dass das Buch amerikanischen Ursprungs und sozusagen ganz aus den amerikanischen Verhältnissen hervorgewachsen ist, einen besonderen praktischen Wert.
Bei uns in Deutschland sind meistens die Katholiken des Kampfes um die höchsten Güter der Religion allzu ungewohnt; deshalb sehen wir sie den Angriffen der Gegenwart vielfach verwirrt und zaghaft, oder doch ungeschickt gegenüberstehen. Sie verlegen sich oft mehr darauf, in der Stille zu klagen, als ihre gute Sache – nicht mit Trotz und Erbitterung, sondern mit ruhiger Festigkeit und herzlichem Wohlwollen gegen den Gegner – zu verteidigen.
Welch lehrreiches Beispiel stellt ihnen hier der Amerikaner vor Augen. Dort sind die religiösen Verhältnisse in gewisser Beziehung für die Katholiken weit schlimmer als in Europa. Meist in großer Minderzahl, oft der notwendigsten Mittel beraubt, umgeben nicht bloß von zahllosen Sekten, sondern sozusagen mitten in einem unermesslichen Meer des Unglaubens und aller erdenklichen Irrtümer, sehen wir den amerikanischen Katholiken, von dem uns unser Missionär in seiner eigenen Person ein sprechendes Beispiel vor Augen stellt, mit siegesfreudiger Zuversicht erfüllt.
Und in der Tat? Tun wir nicht der göttlichen Wahrheit ein Schmach an, wenn wir an ihrem Sieg zweifeln, oder sie nicht frei und offen bekennen – und handeln wir nicht gegen die Liebe, wenn wir nicht in aller Offenheit die Wahrheit zu verteidigen, zu verbreiten und die Irrenden eines Besseren zu belehren bestrebt sind?
Das bestimmte uns, dieses vortreffliche Buch, das in englischer und deutscher Sprache über ganz Nordamerika verbreitet ist, auch unserem deutschen Volk mitzuteilen. Es wird ohne Zweifel in dem Maße Nutzen stiften, als es Leser findet. Der Segen Gottes möge es begleiten!
Inhaltsverzeichnis
Erstes Hauptstück – Vom Charakter des Protestantismus
Erster Abschnitt – Gegenüberstellung der Lehrsätze
Vom Urzustand des Menschen und seinem Fall
Die Mittel des Heiles: Die Taufe – Die Firmung
Das allerheiligste Sakrament des Altars
Die Buße – Der Ablass
Das Sakrament der letzten Ölung
Das Sakrament der Priesterweihe
Die Ehe
Die guten Werke
Der Zustand des Menschen nach dem Tode
Die Gemeinschaft der Heiligen
Zweiter Abschnitt – Vorbemerkung des Verfassers zu dieser deutschen Ausgabe (*)
Wie ich vernahm, so soll mein Buch: „Protestantismus und Unglaube, ein Aufruf an alle wahrheitsliebenden Amerikaner“ auch dem deutschen Volk zur Beherzigung mitgeteilt werden. –
Es ist mit lieb, wenn meine deutschen, von uns getrennten Brüder, unter welchen es so viele edle, aufrichtige und ganz vortreffliche Herzen gibt, erfahren, wie ich in der neuen Welt meine Mitbrüder anrede. Allein, ich wünsche nicht missverstanden zu werden. Das wäre mir sehr unlieb. Es könnte dies besonders in diesem Abschnitt geschehen, wo ich von den logischen Folgerungen des protestantischen Prinzips rede. –
Man würde sich sehr irren, wenn man meinte, als dächte ich, dass die Masse des protestantischen Volkes sich dieser logischen Folgerungen bewusst sei, oder wohl gar nach denselben lebte. Weit entfernt, so etwas zu behaupten, erkläre ich im Gegenteil, dass es meine volle Überzeugung ist, dass sich Sittlichkeit und Rechtsgefühl im protestantischen Volk so gut wie im katholischen erhalten habe, und dass dasselbe mit gleicher Entschiedenheit, wie das katholische Volk, diese logischen Konsequenzen im Leben zurückweise.
Allein, wie ich es auch den Amerikanern bemerkte, ich stellte diese unleugbaren logischen Konsequenzen meinen redlichen Lesern nur deshalb so unumwunden vor Augen, damit dieselben veranlasst werden, mit um so größerem Ernst zu prüfen, ob wohl ein Prinzip, das zu solchen Folgerungen berechtigt wirklich aus Gott und der Wahrheit, oder vielmehr aus dem Irrtum stamme. (S. 54)
(*) Aus einem Brief an den Herausgeber.
Logische Folgerungen der protestantischen Lehre
Fernere Folgerungen
Zweites Hauptstück – Von dem Prinzip des Protestantismus
Erster Abschnitt – Von der Göttlichkeit der katholischen Kirche und ihrer Glaubensregel
Die Einheit
Die Heiligkeit
Die Allgemeinheit
Die Unzerstörbarkeit
Die Unfehlbarkeit der katholischen Kirche
Zweiter Abschnitt – Die Unhaltbarkeit des protestantischen Glaubensprinzips
Drittes Hauptstück – Vorurteile des Protestantismus
Erster Abschnitt – Religiöse Vorurteile
Der Papst
Die Hierarchie und der Klerus
Die Beichte
Der Ablass
Die Bibel
Die Heiligen
Maria
Der Zölibat
Die heilige Messe
Die Kommunion
die lateinische Sprache
Zeremonien
Enthaltung von Fleischspeisen
Die alleinseligmachende Kirche
Zweiter Abschnitt – Politische Vorurteile
Untertanen-Verband
Die Inquisition
Despotismus
Zivilisation
Moralität
Der Sabbat
Die Souveränität des Papstes und seine weltliche Regierung
Republikanismus
Freiheit der Verhandlungen
Viertes Hauptstück – Unglaube, die letzte logische Folgerung des Protestantismus
Erster Abschnitt – Die Widersprüche des Unglaubens
Die erste Brücke – Gott
Die zweite Brücke – Unsterblichkeit
Die dritte Brücke – Religion
Die vierte Brücke – Offenbarung
Die fünfte Brücke – Christus
Die sechste Brücke – Die Kirche
Die siebente Brücke – Die katholische Kirche
Zweiter Abschnitt – Beantwortung der Einwürfe
Die Ewigkeit der Hölle
Geologische und geschichtliche Einwürfe
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Bildquelle
- Weninger_Franz_Xaver: wikimedia