Die Apokalypse des hl. Johannes – Kap. 11, 1-19

Die zwei Zeugen und der Sieg Christi

Die Darstellung der beiden Zeugen, die hier in einem zusammenhängenden Diskurs gegeben werden, erfordert einen kurzen Überblick über die Herrschaft des Antichristen, seine Verfolgung der Kirche und seine überwältigende Niederlage – Ereignisse, die in den folgenden Kapiteln ausführlicher behandelt werden.

1. Der heilige Johannes wird gebeten, den Tempel zu messen und die darin befindlichen Menschen zu zählen. Auch hier ist der Tempel ein Bild der Kirche, und diejenigen, die dort anbeten, sind die Gläubigen, die während der großen Verfolgung des Antichristen standhaft bleiben.
2. Der abgelehnte und den Heiden übergebene äußere Hof bedeutet, dass eine große Anzahl von Christen in diesen bösen Tagen vom Glauben abfallen wird. Mit den anderen Anhängern des Antichristen werden sie Jerusalem während der zweiundvierzig Monate der Verfolgung mit Füßen treten. Die heilige Stadt wird hier für Jerusalems wörtlich genommen, ist aber auch ein Bild der Kirche, des Objektes des Hauptangriffs unter dem Antichristen.
3. Zu Beginn dieser schrecklichen Verfolgung wird Gott zwei Propheten oder „Zeugen“ aussenden, um die Kirche zu leiten und Buße für 1260 Tage zu predigen. Nach allen Überlieferungen, sowohl der jüdischen als auch der christlichen, wird der Prophet Elias einer dieser Zeugen sein. “Siehe, ich werde euch den Propheten Elias senden, bevor der große Tag des Herrn kommt.“ (1) Die Tradition wird auch durch das Wort Christi bestätigt: „Elias wird tatsächlich kommen und alles wiederherstellen.“ (2) Der andere Zeuge wird wahrscheinlich Henoch sein, der wie Elias „versetzt wurde, dass er den Tod nicht sehen sollte.“ (3) Doch manche denken, dass Moses der zweite Zeuge sein wird, weil er mit Elias bei der Verklärung Christi erschienen ist (4): Die beiden Zeugen sollen unter den Menschen als Apostel der Kirche und als Gegner des Antichristen erscheinen.
Die Dauer der Verfolgung wird manchmal in Jahren angegeben; ein anderes Mal in Monaten oder Tagen, aber in jedem Fall wird die gleiche bestimmte Zeitdauer vorhergesagt. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die dreieinhalb Jahre wörtlich genommen werden müssen.
4. Die beiden Zeugen wurden durch die beiden Olivenbäume und den Kerzenleuchter symbolisiert, der in der Prophezeiung von Zacharias erwähnt wurde. (5) Die Olive ist ein Symbol für Gottes Gnade wie in den Tagen der Sintflut. (6) Das Öl aus der Olive symbolisiert auch die Vereinigung des Heiligen Geistes, der auf die beiden Propheten ausgegossen wird, die den Gläubigen durch ihre Predigt zu Lichtern (Kerzenleuchter) werden sollen.
5, 6. Die beiden Zeugen haben eine wundersame Kraft, um ihre Feinde zu besiegen, da Elias von früher die Soldaten von Ochozias mit Feuer vom Himmel vernichtet hat. (7) Sie werden auch die Treulosen mit Dürre und Hunger bestrafen, wie es Elias in den Tagen von Achab getan hat. (8) Die Umwandlung von Wasser in Blut kann bedeuten, dass die Flüsse von Kriegen und Revolutionen rot werden. Wahrscheinlicher sollten die Worte wörtlich genommen werden, um Plagen, wie es Moses über Ägypten brachte, vorauszusagen. (9) In beiden Fällen gibt es einen Hinweis auf die Plagen in Ägypten, die den Glauben zu bestätigen scheint, dass Moses einer der Zeugen sein wird.
7. Nachdem sie ihre Mission erfüllt haben, werden die beiden Propheten vom Antichristen, dem Tier aus dem Abgrund, getötet. So werden sie das Schicksal ihres göttlichen Meisters und unzähliger Verkünder des Evangeliums teilen. Ihr Martyrium wird am Ende eines Krieges stattfinden, in dem der Antichrist und seine Anhänger die entscheidende Schlacht in der Nähe von Jerusalem gewinnen werden.
8-10. Für drei einhalb Tage werden die Körper der Märtyrer-Propheten unbestattet in den Straßen Jerusalems liegen, „wo unser Herr gekreuzigt wurde“. Die Feinde der Kirche werden sich freuen und ihres kurzlebigen Sieges durch Austausch von Geschenken gedenken. Wie die alten Juden dachten, sie hätten sich von Christus durch Seinen Tod am Kreuz befreit, werden diese Feinde Seiner Kirche glauben, sie hätten es mit den Propheten getan, die sie durch ihr Predigen und durch Wunder belästigt haben. Natürlich werden die Gläubigen mit Furcht ergriffen, wie die Jünger beim Tod unseres Herrn.
11, 12. Nach dreieinhalb Tagen werden die Anhänger des Antichristen verblüfft sein, zu sehen, wie die beiden Propheten von den Toten auferstehen und vor ihren Augen in den Himmel aufsteigen.
Vor Jahrhunderten waren Elias und Henoch von der Erde genommen worden (10) und für diesen höchsten Konflikt reserviert. Nun nehmen sie durch ein besonderes Privileg die allgemeine Auferstehung als Belohnung für ihre Arbeit und ihre Leiden vorweg.
Dieser Triumph der beiden Propheten führt direkt zur Niederlage des Antichristen, wie von Isaias vorausgesagt: “Mit der Hauch seiner Lippen wird er den Bösen töten.“ (11) In derselben Weise sagt der heilige Paulus: “Der Herr Jesus wird mit dem Hauch Seines Mundes töten.“ (12) Diese Abschnitte scheinen ein persönliches Eingreifen unseres Herrn zu sein, aber Er kann einen Engel als Sein Werkzeug der Zerstörung aussenden; oder, vielleicht, wird Elias Feuer vom Himmel auf den Antichrist herab regnen, wie er es bei den Soldaten von Ochozias und den Baals-Priestern tat. (13)
13. Während die beiden Propheten in den Himmel gebracht werden, wird Jerusalem von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert, bei dem siebentausend Menschen umkommen und ein zehnter Teil der Stadt zerstört wird. Beim Anblick dieser Wunder werden alle, die überleben, bekehrt und beginnen, Gott zu preisen und zu verherrlichen. Hier sieht man die wahre Barmherzigkeit Gottes, die bestraft nicht um zu zerstören, sondern um zu bekehren und zu retten.
14. Die Herrschaft des Antichristen ist das zweite, vom Adler angekündigte Wehe. (14) Das dritte Wehe, das auf das zweite folgt, endet mit der Zerstörung von Rom, dem neuen Babylon (15), und der Niederlage des falschen Propheten.
15. Der siebte Engel verkündet den Triumph Christi und Seines Königreiches, das bis zum Ende der Zeit andauern wird. Die Kirche, das Königreich Christi, wird auf den Ruinen des Reiches des Antichristen weit glorreicher errichtet werden, als es auf den Ruinen des alten Reiches des heidnischen Roms geschehen. Häresien, Schismen und Religionskriege werden nicht mehr sein, und alle Nationen werden zum Christentum konvertieren.
16, 17. Der Lobgesang der vier und zwanzig Ältesten zu ihrem siegreichen Erlöser repräsentiert das Lob der Kirche, das Christus durch die Geistlichkeit des Priestertums erhalten hat.
18. Gegen Ende der Welt wird eine endgültige Revolte gegen die Kirche durch eine Flut von Feuer bestraft. (16) Kurz darauf folgt die Auferstehung des Leibes und das allgemeine Gericht, in dem Gott Seine Propheten und Heiligen belohnen wird, und alle, die Seinen Namen fürchten, seien sie groß oder klein. Die Bösen werden dann die gerechte Strafe ihrer Missetat erleiden.
19. Wenn dieser Vers mit dem Vorstehenden in Verbindung gebracht wird, beschreibt er das Eingreifen Christi, um Seine Kirche gegen ihre Feinde im letzten Konflikt am Ende der Welt zu beschützen. Es scheint jedoch besser, es als Vorspiel auf das folgende Kapitel zu nehmen. Es bezieht sich dann auf die Unterstützung, die Gott Seiner Kirche gibt im Konflikt mit Satan, wie oben erwähnt (Verse 2, 3), und ausführlich in den folgenden Kapiteln beschrieben.
Die Lade des Testaments ist das eucharistische Tabernakel, in dem Christus mit seiner Kirche wohnt. Blitze, Stimmen und Erdbeben (Donner, auf griechisch) symbolisieren die Predigten und Warnungen der Kirche; ihre Anathemen und Urteile gegen alle Ketzerei und Schisma, und die göttliche Strafe, die diese Sünden auf jene Schuldigen herab bringen.

Anmerkungen:

(1) Malachias 4, 5.
(2) Matth. 12, 11.
(3) 4. Kön. 2, 3; Hebr. 11, 5.
(4) Matth. 17, 3.
(5) Zacharias 4, 3.
(6) Gen. 8, 11.
(7) 4. Kön. 1, 10-14.
(8) 3. Kön. 17, 1.
(9) Exodus 7, 20 ff.
(10)Gen. 5, 22, Eccli. 17, 9; 4. Kön. 2, 11, Hebr. 11, 5.
(11) Isaias 11, 4.
(12) 2. Thess. 2, 8.
(13) 3. Kön. 17, 38-40; 4. Kön. 1, 10-14
(14) Apok. 8, 13.
(15) Apok. 18.
(16) Apok. 20. –
aus: Rev. E. Sylvester Berry, Die Apokalypse des heiligen Johannes [The Apocalypse of St. John, Columbus, OH: John W. Winterich, 1921], S. 112-116; mit Imprimatur; eigene Übersetzung

siehe dazu auch die ausführliche Auslegung von P. Kramer: Auslegung der Apokalypse Kap. 11