Heilige Schrift und Tradition der Kirche

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Aus dem Katechismus von Ambrosius Guillois

Die heilige Schrift und Tradition der Kirche

Fr.: Wo finden sich alle die Wahrheiten, welche die Kirche von Jesus Christus erhalten hat?

Antw.: In der heiligen Schrift, auch Bibel genannt, und in der Tradition.

Fr. Was verstehst du unter der heiligen Schrift?

Antw. Ich verstehe unter der heiligen Schrift das Wort Gottes, das aufgezeichnet ist in der heiligen, d. h. unter Eingebung (Inspiration) des heiligen Geistes verfassten Schriften.

Erklärung: Alle Wahrheiten, welche die Kirche von Jesus Christus empfangen hat, um sie den Menschen zu lehren, sind in der heiligen Schrift und in der Tradition begriffen. Die heilige Schrift ist das in den vom heiligen Geist eingegebenen Schriften niedergelegte Wort Gottes. Sie wird eingeteilt in das alte Testament und in das neue Testament.

Das alte Testament besteht aus den heiligen Schriften, die vor der Ankunft Jesu Christi geschrieben worden sind. Testament ist ein griechisches Wort und bedeutet, in diesem Sinne gebraucht, so viel als Bündnis, Bund, Gesetz. Man nennt die vor der Ankunft Jesu Christi geschriebenen heiligen Schriften Bücher des alten Testaments oder Bundes, weil in ihnen das Bündnis aufgezeichnet ist, das Gott mit dem von ihm erwählten Volk schloss.

Das neue Testament enthält den neuen Bund, den Gott mit allen Nationen durch die Vermittlung des Gottmenschen aufgerichtet hat, und besteht aus den heiligen Schriften, die seit der Ankunft Jesu Christi geschrieben worden sind.

Das alte und das neue Testament zusammen nennt man auch Bibel, ein griechisches Wort, das im Deutschen Buch heißt. Man will damit ausdrücken, dass dieses Buch das Buch aller Bücher, d. h. das beste und wichtigste Buch sei.

Das alte Testament

Die Bücher des alten Testaments oder alten Bundes sind:

die Genesis, der Exodus, der Levitikus, die Numeri und das Deuteronomium. Diese fünf, von Moses geschriebenen Bücher nennt man mit gemeinschaftlichem Namen: Pentateuch (ein griechisches Wort: fünf Bücher).

Ferner: das Buch Josua, das Buch der Richter, Ruth, die vier Bücher der Könige, die beiden Bücher der Paralipomenon und die beiden Bücher Esra (auch Esdras); Tobias, Judith, Esther und Job; die Psalmen, 150 an der Zahl, die Sprüche Salomons, das Hohelied, der Ekklesiastes (Prediger), das Buch der Weisheit und des Ekklesiastikus (oder das Buch Jesus Sirachs); Isaias, Jeremias, Ezechiel und Daniel, welche vier man die vier großen Propheten nennt; die zwölf kleinen Propheten: Hoseas, Joel, Amos, Abdias, Jonas, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja (Sophonias), Haggai (Aggäus), Zacharias und Malachias; und die beiden Bücher der Makkabäer.

Das neue Testament

Die Bücher des neuen Testaments sind:

die vier Evangelien oder die Geschichten von dem Leben unseres Herrn, geschrieben vom heiligen Matthäus, dem heiligen Markus, dem heiligen Lukas und dem heiligen Johannes; die Apostelgeschichte, welche die Ereignisse aus den ersten Jahren der apostolischen Predigt erzählen; 14 Briefe des heiligen Paulus an verschiedene Gemeinden oder an Privatpersonen; 1 Brief des heiligen Jakobus; 2 Briefe des heiligen Petrus; 3 Briefe des heiligen Johannes; 1 Brief des heiligen Judas und die Apokalypse oder die Offenbarung des heiligen Johannes.

Siehe die Seite „Die Heilige Schrift aus der Vulgata“

Sind die Bücher des alten Testaments authentisch?

Sind die Bücher des alten Testaments authentisch, d. h. sind sie wirklich von denen geschrieben, welchen man sie zuspricht? Ist in ihnen nur Wahrheit enthalten? Sind sie von unbestreitbarem Ansehen? – All diese Fragen lassen sich leicht bejahen und beweisen.

1) „Ihr zweifelt nicht (*), dass es einen Cyrus, einen Alexander, einen Cicero gegeben habe, dass letzterer wirklich der Verfasser der ihm beigelegten Schriften sei. Aber was bewegt euch, hieran als an Tatsachen zu glauben? Ich sehe, erwidert ihr, wie alle in diesem Glauben übereinstimmen. Die, welche vor uns lebten, glaubten, wie wir, dasselbe: alle Schriftsteller der verschiedensten Jahrhunderte, bis auf Cicero, Alexander und Cyrus zurück, bezeugen diese Tatsache. Wer könnte einer so beglaubigten, zusammenhängenden und stetigen Tradition widersprechen wollen?

Aber ebenso gewiss ist es, dass einen Moses, Gesetzgeber der Juden und Verfasser des Pentateuchs, gegeben habe; es ist dies eine Tatsache, die auf dem einstimmigen und allgemeinen Glauben eines ganzen, zahlreichen Volkes, das noch heute lebt, beruht; auf dem Zeugnis aller Schriftsteller dieser Nation, alter und neuer; auf der hiermit übereinstimmenden Überlieferungen heidnischer Geschichtsschreiber, welche die Juden gekannt haben. Diodorus von Sizilien, Strabo, Justin, Plinius, sie alle führenden Moses als Gesetzgeber der Juden auf. Celsus, der erklärte Feind des christlichen Namens, hat nicht gewagt, weder das Dasein des Moses, noch die Authentizität oder Echtheit des Pentateuchs in Zweifel zu ziehen.“

(*) Le François: über die Religion.

2) „Der Pentateuch war ein allgemein verbreitetes und gelesenes Buch, an dem jeder Leser den innigsten Anteil nehmen musste. Er begreift alles in sich, was ein Volk am höchsten schätzt: seine uralte Geschichte, seine Religion, seine staatlichen Einrichtungen, alles, was dazu dient, das Leben zu regeln, alles, was die Gesellschaft verbindet und ihr eine Gestalt gibt. Der Jude findet in ihm die Geschichte seiner Vorfahren, die ihm vor allen anderen Nationen gemachten Zugeständnisse, sein Anrecht auf den Besitz des Landes Kanaan, alle religiösen und politischen Gesetze, die er befolgen muss, um die Erfüllung der furchtbarsten Drohungen von sich abzulenken.

Öffentlichen Dienern war der Schutz und die Aufbewahrung dieses köstlichen Unterpfandes anvertraut. Zu bestimmten Zeiten mussten diese vor dem versammelten Volk das Gesetz vorlesen, das jeder Privatmann genau zu kennen, zu prüfen, unaufhörlich vor Augen und im Herzen zu haben verpflichtet war. Die wichtigste Obliegenheit der Väter bestand darin, es ihren Kindern zu lehren, ihnen einzuprägen, sie zur Befolgung desselben anzuhalten, weil das Gesetz allein sie von Kindesbeinen an weise machen konnte.

Somit war der Inhalt des Pentateuchs einem jeden Juden, der ganzen Nation bekannt; wie war unter solchen Verhältnissen auch die kleinste Veränderung, die unbedeutendste Entstellung oder Verdrehung des Textes möglich?“

3) Was die göttliche Eingebung dieser heiligen Schriften anbelangt, so will ich euch, liebe Kinder, bloß folgende Worte eines Mannes anführen, dessen Zeugnis von großem Gewicht ist. „Entweder besaß Moses“, sagt dieser Mann (*), „ein ebenso tiefe und gründliche Kenntnis der Wissenschaften, wie wir im 19. Jahrhundert, oder er war von Gott belehrt. Nun aber konnte Moses unmöglich alle die geologischen Tatsachen und Entdeckungen unserer Zeit kennen; ihm standen die Hilfsmittel der Physik, Chemie, Astronomie etc. nicht zu Gebote, die wir haben, und die ihn allein zu wissenschaftlichen Schlüssen befähigen konnten.

Wir müssen uns daher nach einer höheren Quelle umsehen, wenn wir die Richtigkeit seiner Erzählungen uns erklären wollen.“

(*) Ampère, Prof. der Literatur am Collège de France, cf. Revue des deux mondes vom 1. Juli 1833.

Die Authentizität, die Wahrheit und die göttliche Eingebung der übrigen Schriften des alten Bundes sind ebenso leicht zu beweisen. Gehen wir jetzt auf die Bücher des neuen Testaments über.

Sind die Bücher des neuen Testaments authentisch?

1) Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Bücher des neuen Testamentes das Werk der Apostel oder der Jünger Jesu Christi sind, deren Namen sie tragen. Dies ist beständig von der über alle Teile der Erde verbreiteten christlichen Kirche geglaubt worden. Die Häretiker der ersten Jahrhunderte, obgleich von wütendem Hass gegen das Christentum getrieben, die Juden und selbst die Heiden haben auch nicht den geringsten Zweifel daran je blicken lassen. Welch ein schlagender Beweis für die Wahrheit, wenn sie selbst von denen bezeugt wird, die einen Grund hatten, sie anzufechten!

2) Aber nicht nur, dass die Bücher des neuen Testaments das Werk der Apostel oder der Schüler Jesu Christi sind, sondern wir haben sie auch noch ganz so, wie sie von ihnen geschrieben wurden. Kaum waren die heiligen Bücher verfasst, so waren sie auch schon überall verbreitet, wo es eine christliche Kirche gab. Man las sie öffentlich in den Kirchen vor und erklärte sie in den Unterrichtsstunden. –

Die Bischöfe waren sorgsamst bemüht, diese köstlichen Schätze unversehrt zu bewahren, und selbst das Volk wachte über ihnen mit größter Aufmerksamkeit. Sozomenus, ein kirchlicher Schriftsteller, erzählt, dass einst ein Bischof in seiner Kirche großes Ärgernis dadurch veranlasst habe, dass er ein Wort im Evangelium, das er für nicht ganz anständig gehalten, durch ein gleichbedeutendes, aber gewählteres, ersetze. Aus dieser einen Erzählung kann man genügend abnehmen, mit welchem Eifer und welcher Sorgfalt über der Reinheit des heiligen Textes in den Kirchen gewacht wurde, und wie selbst die unbedeutendste Veränderung eine Unmöglichkeit war.

3) Die Bücher des neuen Testamentes sind also ganz so auf uns gekommen, wie die Apostel oder Schüler des Herrn sie geschrieben haben. Aber sind die in ihnen erzählten Tatsachen auch wahr? Liebe Kinder, ein berühmter Schriftsteller hat gesagt: „Ich glaube gern an die Tatsachen, deren Zeugen für die Wahrheit derselben in den Tod gehen.“ Zur Behauptung und Bekräftigung einer allbekannten Lüge sich totschlagen lassen, das ist ein Wahnsinn, gegen den unsere Natur sich empört; wer zum Beweis der Wahrheit einer Tatsache bereit ist, das Leben zu lassen, beweist nicht bloß seinen Heldenmut, sondern auch die Wahrheit seiner Aussage.

Das ist aber der Fall mit den Aposteln und den ersten Schülern Jesu Christi, welche die qualvollsten Martern erduldeten und noch in ihren letzten Augenblicken die Tatsachen bezeugten, welche sie in den uns hinterlassenen Schriften erzählen. Ihre Wahrhaftigkeit ist somit außer Zweifel.

4) Die Bücher des neuen Testamentes sind unter Eingebung des heiligen Geistes geschrieben worden. Was kan gewisser sein, da wir in ihnen von dem Versprechen des göttlichen Erlösers und Gründers des Christentums lesen, seinen Jüngern seine Weisheit und sein Licht mitzuteilen, ihnen den heiligen Geist zu senden, der sie an alles, was er gesagt, gelehrt und getan, erinnern, der sie in alle Wahrheit einführen solle? Auch die Schüler versichern uns, dass sie im Namen Gottes reden, dass sie von seinem Geist geleitet und beseelt seien.

*

Fr.: Was verstehst du unter Tradition oder Erblehre? (* auch Überlieferung genannt, A. d. Übers.)

Antw.: Ich verstehe unter Tradition oder Erblehre das Wort Gottes, das, ohne in den heiligen Büchern niedergelegt zu sein, uns von solchen überliefert ist, die es aus dem Mund Jesu Christi oder seiner Jünger haben.

Erklärung: Die Apostel haben nicht alle Wahrheiten aufgezeichnet, die sie von ihrem göttlichen Meister erfuhren. Es gibt deren eine große Anzahl, die sie, nach dem Beispiel Jesu Christi, bloß mündlich gelehrt haben. Diese Wahrheiten sind von den Aposteln auf die ersten Bischöfe, von den ersten Bischöfen auf ihre Nachfolger und so weiter übergegangen und durch alle Jahrhunderte durch bis auf uns fortgepflanzt worden. Das nennt man die Tradition.

Sie ist daher das aus der apostolischen Zeit mündlich bis auf uns überlieferte Wort Gottes, das sich in den vom heiligen Geist eingegebenen Schriften nicht findet. Wir dürfen nicht fürchten, dass dies ungeschriebene Wort, indem es von Mund zu Mund ging, sich habe verändern oder entstellt werden können; denn Jesus Christus hat versprochen, niemals seiner Kirche fern sein, niemals sie in einen Irrtum sinken lassen zu wollen. –

Die Lehren der Tradition sind hauptsächlich in den Beschlüssen der Konzilien und in den Werken der Kirchenväter enthalten. –

Ein Konzil ist eine Versammlung der Hirten der Kirche, um über solche Fragen zu entscheiden, die den Glauben oder das sittliche Leben der Kirche betreffen. Man nennt ein allgemeines oder ökumenisches Konzil dasjenige Konzil, das als aus den Bischöfen der ganzen Kirche bestehend angesehen wird; ein Nationalkonzil, das von den gesamten Bischöfe einer ganzen Nation gebildet wird; ein Provinzialkonzil, das ein Metropolitan mit den Bischöfen seiner Provinz hält. –

Unter den Kirchenvätern versteht man die christlichen, sowohl lateinischen als griechischen Schriftsteller, die im Laufe der sechs ersten Jahrhunderte der Kirche über religiöse Gegenstände geschrieben haben. Die, welche seit dem siebenten Jahrhundert gelebt und geschrieben haben, werden einfach kirchliche Schriftsteller oder Kirchenschriftsteller genannt.

Die berühmtesten unter den Kirchenvätern sind:

der heilige Justinus, der heilige Klemens von Alexandrien, Origenes, Tertullian, der heilige Cyprian, der heilige Athanasius, der heilige Gregorius von Nazianz, der heilige Basilius, der heilige Ephraim, der heilige Ambrosius, der heilige Johannes Chrysostomus, der heilige Hieronymus, der heilige Augustinus etc. –
aus: Ambrosius Guillois, Historische, dogmatische, moralische und liturgische Erklärung des Katechismus, Bd. 1, 1848, S. 444 – S. 452

Siehe auch auf katholischglauben.info denBeitrag:

Siehe die Beiträge aus der Katechismuserklärung von A. Guillois zu dem Thema:

Weitere Beiträge aus dem Katechismus von Ambrosius Guillois siehe auf katholischglauben.info:

Die geringe Anzahl der Geretteten
katholisch glauben und leben: Kreuz mit Dornenkrone
Von der Lehre der Kirche