Der 2. Petrusbrief
Widerlegung der Spötter über die Wiederkunft Christi und das Weltende
Der zweite Petrusbrief (Kap. 3, Vers 11-13): Ernste Mahnung zur Wachsamkeit
Schon Christus hatte aus der Ungewissheit des Zeitpunktes seiner Parusie die ernste Mahnung zur Wachsamkeit als Folgerung abgeleitet (Matth. 24, 42; 25, 13; Mark. 13, 37). Wollte einer sagen: „Mein Herr bleibt noch lange aus“, und darum in Selbstsucht und Unbeherrschtheit dahin leben, so würde ihn der plötzlich erscheinende Richter im Schlaf oder in der Trunkenheit überraschen und bestrafen (Luk. 12, 45f).
Von dem Weltbrand wird nämlich das Weltgericht zeitlich kaum getrennt sein. Ist es einmal da, dann bleibt keine Zeit mehr zur Vorbereitung. Jeden Augenblick gilt es also, gerüstet zu sein. Die urchristliche Verkündigung wurde nicht müde, diesen Gedanken immer wieder einzuschärfen (Röm. 13, 11f; 1. Kor., 7, 29; 16, 13; Gal. 6, 10; Eph. 5, 16; 6, 13; Kol. 4, 2 u. 5; 1. Thess. 5, 2ff; 2. Tim. 4, 5; 1. Petr. 4, 7; Offb. 1, 3; 3, 2f; 15, 15; 22, 10). Nur ein rascher Übergang zum jenseitigen Leben ist das Erdenleben; die Erdengüter aber verdienen es nicht, dass einer sein Herz daran hängt, weil sie alle der Vernichtung anheim fallen. Das steht jetzt schon ein für allemal fest. Ein Lebenswandel, der Gott allein zum Hauptziel nimmt und in jeder Weise bemüht ist, das göttliche Wohlgefallen zu sichern, ist mithin die ebenso nahe liegende wie dringliche Forderung an jeden Christen, der seiner Berufung entsprechen will.
Den klugen Jungfrauen gleich müssen alle Gläubigen mit brennenden Lampen die Ankunft des Herrn erwarten; denn er wird kommen, sobald der „Gottestag“ da ist. Wie können sie aber diesen Tag „beschleunigen“? Vorhin sagte Petrus, aus Langmut verzögere der Herr die Verheißung (2, 9), um den Sündern Zeit zur Buße zu lassen. Je heiligmäßiger also die Menschen leben, desto mehr fällt dieser Grund der Verzögerung fort, desto eher vollendet sich die von Gott gewollte Zahl der Auserwählten. Ähnlich hat sich Petrus in seiner Rede an das Volk nach der Heilung des Lahmen im Tempel geäußert (Apg. 3, 10f). Dadurch wird der Wartezeit auf das Kommen des Herrn ein positiver Sinn gegeben, und jeder Anlass zur Missdeutung fällt fort. Christus selbst hat uns beten gelehrt: „Dein Reich komme“ (Matth. 6, 10). Mit der auf den Bräutigam harrenden Braut, der Kirche, vereint sich der Heilige Geist im Flehen um das Kommen des Herrn (Offb. 22, 17 u. 20). Solches Beten aber wäre sinnlos, wenn es nicht zur Beschleunigung des Gottestages beizutragen vermöchte. Dem Gebet muss der heilige Lebenswandel der Christen entsprechen. „Die Stunde des innigsten Gebetes wird auch die Stunde der Erfüllung sein“ (Reinhold Schneider).
Das Reich Gottes ist vollendet, wenn das große Anliegen des hohepriesterlichen Gebetes Jesu Erhörung gefunden hat, dass die Seinen dort bei ihm sind, wo er ist, damit sie seine Herrlichkeit schauen, die der Vater ihm gegeben hat (Joh. 17, 24). Und weil im Plan Gotte das allgemeine Gericht auf engste mit dem Weltuntergang verknüpft ist, kann Petrus weiter sagen, um des Gottestages oder um dessen Ankunft willen werden sich die Himmel im Feuer auflösen und die Elemente in der Glut zerschmelzen. Ob das Gericht unmittelbar auf den Weltbrand folgt oder ihm voraus geht, ergibt sich aus dem Text nicht mit Sicherheit und ist umstritten. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI/1, 1950, S. 323 – S. 324