Der Antichrist und die Zeit der Apostasie
Der Antichrist ist der Rivale des wahren Messias
3. Daraus entnehmen wir einen dritten Charakter des Antichrist, dass er nicht bloß der Widersacher, sondern der Stellvertreter und Rivale des wahren Messias sein wird, und dies wird noch wahrscheinlicher gemacht durch den Umstand, daß der Messias, welcher von den Juden erwartet wird, immer ein weltlicher Befreier, der Wiederhersteller ihrer weltlichen Macht, oder mit andern Worten, ein politischer und kriegerischer Fürst gewesen sei. Es ist auch klar, dass wer immer künftig sie in dem angenommenen Charakter ihres Messias täuschen mag, dadurch die Menschwerdung leugnen muss, was für einen Anspruch auf einen übernatürlichen Charakter er für sich etwa vorbringt. In seiner eigenen Person wird er eine vollständige Leugnung des ganzen christlichen Glaubens und der Kirche sein; denn wenn er der wahre Messias wäre so, so müßte der Christus der Christen ein falscher sein.
Wir machen uns vielleicht keinen hinreichenden Begriff davon, was für eine gewöhnliche und historische Person ein solcher Betrüger sein mag. Wir sind von der Idee und Erscheinung des wahren Messias in der Glorie seiner Gottheit und Menschheit, seiner göttlichen Handlungen, seines Leidens, seiner Auferstehung und Himmelfahrt und seiner königlichen Gewalt über die Welt und die Kirche so eingenommen, dass wir uns nicht zu denken vermögen, wie irgend ein falscher Christus als der wahre aufgenommen werden könnte. Aus diesem Grunde hat unser Herr von diesen letzten Zeiten gesagt: „Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, so daß auch die auserwählten, wenn es möglich wäre, in Irrtum geführt würden“ (Matth. 24, 24); das heißt, sie werden nicht getäuscht werden, aber solche, die den Glauben an die Menschwerdung verloren haben, z.B. die Nationalisten und Pantheisten können wohl durch irgend eine Person von großer politischer Macht getäuscht werden, der die Juden wieder in ihr Land einsetzte und Jerusalem noch einmal mit den Söhnen der Patriarchen bevölkerte. Auch macht nichts in der politischen Lage der Welt eine solche Kombination unmöglich; ja der Zustand Syriens und der Drang der europäischen Diplomatik, der beständig ostwärts gerichtet ist, geben einem solchen Ereignis eine gegründete Wahrscheinlichkeit. –
aus: Heinrich Eduard Manning, Kardinal, Der Antichrist oder die gegenwärtige Krise des heiligen Stuhls, im Lichte der Weissagung betrachtet, 1861, S. 37 – S. 38
Der nächste Beitrag: Die Zeit ist reif für eine Täuschung