Das heilige Evangelium nach Matthäus 24. Kapitel
Die Zeichen vor dem Ende der Welt
21. Denn es wird alsdann eine große Trübsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, noch fernerhin sein wird. (24)
22. Und wenn dieselben Tage (25) nicht abgekürzt würden, so würde kein Mensch gerettet werden (26): aber um der Auserwählten willen werden jene Tage abgekürzt werden. (27)
23. Wenn alsdann Jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist Christus, oder dort! So glaubt es nicht. (Mark. 13, 21; Luk. 17, 23)
24. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen: und sie werden große Zeichen und Wunder tun (28); so daß auch die Auserwählten (wenn es möglich wäre) in Irrtum geführt würden.
25. Siehe, ich habe es euch vorhergesagt!
26. Wenn sie euch also sagen: Siehe, er ist in der Wüste, so geht nicht hinaus: siehe, er ist in den Kammern, so glaubt es nicht. (29)
27. Denn gleichwie der Blitz vom Aufgang der Sonne ausgeht, und bis zum Untergang leuchtet: ebenso wird es auch mit der Ankunft des Menschensohnes sein. (30)
28. Wo immer ein Aas ist, da versammeln sich auch die Adler. (31) (Luk. 17, 37)
29. Sogleich aber nach der Trübsal jener Tage (32) wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond seinen Schein nicht mehr geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen (33), und die Kräfte des Himmels (34) erschüttert werden (35) (Isa. 13, 10; Ezech. 32, 7; Joel. 2, 10; Mark. 13, 24; Luk. 21, 25)
30. Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen (36), und dann werden alle Geschlechter der Erde wehklagen (37), und sie werden den Menschensohn kommen sehen in den Wolken des Himmels (38), mit großer Kraft und Herrlichkeit. (39) (Apok. 1, 7)
31. Und er wird seine Engel mit der Posaune senden, mit großem Schalle (40): und sie werden seine Auserwählten von den vier Winden (41), von einem Ende des Himmels bis zum andern zusammen bringen. (42) (1. Kor. 15, 52: 1. Thess. 4, 15)
32. Vom Feigenbaum aber lernet das Gleichnis (43): Wenn sein Zweig schon zart wird, und die Blätter hervor gewachsen sind, so wisset ihr, daß der Sommer nahe ist.
33. So auch, wenn ihr dies Alles sehet, so wisset, daß es (44) nahe vor der Türe ist.
34. Wahrlich, sage ich euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies Alles geschieht. (45)
35. Himmel und Erde werden vergehen (46), aber meine Worte werden nicht vergehen. (47) (Mark. 13, 31)
36. Jenen Tag aber und die Stunde weiß Niemand, auch die Engel des Himmels nicht (48), als der Vater allein. (49)
37. Gleichwie es aber in jenen Tagen des Noe war, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. (50) (1. Mos. 7, 7; Luk. 17, 26)
38. Denn wie sie in den Tagen vor der Sündflut aßen und tranken, zur Ehe nahmen und zur Ehe gaben, bis zu dem Tage, da Noe in die Arche ging,
39. und nicht achtsam waren, bis die Sündflut kam, und Alle hinweg nahm: also wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. (51)
40. Dann werden Zwei auf dem Felde sein: der Eine wird aufgenommen. Der Andere verlassen werden. (52)
41. Zwei werden mahlen an der Mühle: die Eine wird aufgenommen, die Andere verlassen werden. (53)
42. Darum wachet; denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird. (54) (Mark. 13, 33)
43. Das aber sollet ihr wissen: Wenn ein Hausvater wüßte, zu welcher Stunde (55) der Dieb kommt, so würde er sicherlich wachen, und in sein Haus nicht einbrechen lassen. (Luk. 12, 39)
44. Darum seid auch ihr bereit: denn der Menschensohn wird zu einer Stunde kommen, die ihr nicht wisset. (56)
45. Wer ist wohl der getreue und kluge Knecht, der sein Herr über sein Hausgesinde gesetzt hat, daß er ihnen Speise gebe zu rechter Zeit? (57)
46. Selig ist derselbe Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, also handelnd findet. (Apok. 16, 15)
47. Wahrlich, sag ich euch, über alle seine Güter wird er ihn setzen! (58)
48. Wenn aber derselbe Knecht böse wäre, und in seinem Herzen spräche: Mein Herr säumet zu kommen:
49. und anfinge, seine Mitknechte zu schlagen, und mit den Zechern zu essen und zu trinken:
50. so wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, wo er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, da er es nicht weiß (59),
51. und wird ihn absondern (60), und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben (61): da wird Heulen und Zähenknirschen sein. (Ob. 13, 42; Unt. 25, 30)
Zweiter Teil Anmerkungen
(24) Da von einer Trübsal die Rede ist, welche die größte während der Dauer der Welt sein wird, so kann nicht zunächst und eigentlich die Drangsal, welche die Römer über Jerusalem brachten, verstanden sein; denn deren gab es mehrere und größere; es muss hier die letzte, dem Gericht voran gehende Gräuelzeit des Antichrists gemeint sein: und die Verse 21. 22 gehen demnach nur im entfernteren und uneigentlichen Sinne auf die Zeiten der Zerstörung Jerusalems.
(25) dieselbe Zeit.
(26) an Leib und Seele. Die Verführung zur Zeit des Antichrists wird so groß sein, daß Niemand selig werden würde, wenn Gott die Tage seiner Herrschaft nicht abkürzte; so wie auch Niemand unter den Christen am Leben bliebe, wenn Gott nicht ins Mittel träte.
(27) um der dann lebenden wenigen Heiligen willen, um sie selbst und durch sie Andere zu erhalten.
(28) mittelst des Satans. Der heilige Paulus (2. Thess. 2, 9) und Johannes (Apok. 13, 12) sagen dasselbe von dem Antichrist, und führen es weiter aus.
(29) Wenn man euch dann sagt: Der wahre Messias ist auf dem Felde mit seinem Kriegsheer, oder er ist da und dort, um geheime Zusammenkünfte zu halten: so glaubt nicht, daß es der Messias sei, und schließt euch ihm nicht an.
(30) Lasset euch nicht irre führen; denn plötzlich und Allen sichtbar wie der Blitz, der von einem Ende des Himmels zum andern fährt, wird meine zweite und letzte Ankunft sein. Nur uneigentlich kann diese Ankunft auf den unsichtbar im Gericht über Jerusalem waltenden Herrn bezogen werden.
(31) „Aas“ hat eigentlich das Griechische; im Lateinischen steht: Körper; doch hat dieses den Sinn des Ersteren: Die Adler stehen hier für Geier, die das Aas angreifen. Der Sinn ist: Wie sich die Geier um ein Aas versammeln, so wird dann, wenn der Antichrist seine Gräuel vollbracht hat, der Menschensohn im Strafgericht über die verderbte Menschheit kommen. Uneigentlich ist zugleich die unsichtbare Ankunft Christi mit dem Strafgericht der römischen Adler über das verderbte Volk der Juden verstanden.
(32) welche der Antichrist und Gog und Magog herbei geführt (Apok. 20, 7).
(33) untergehen, verschwinden.
(34) das Heer des Himmels, alle Sterne.
(35) Nach jener Trübsal wird eine heftige Erschütterung des ganzen gestirnten Himmels, an welchem das Zeichen des Herrn sichtbar erscheinen soll (V. 30), eintreten, und Alles in dichte Finsternis hüllen. Vgl. Isa. 13, 10. Ezech. 32, 7. 8. Der gestirnte Himmel wurde mit der Erde erschaffen (1. Mos. 1), und macht mit ihr ein Ganzes aus: daher nimmt er auch Teil an den Gerichten, die über sie ergehen.
(36) Nach der Erklärung aller heiligen Väter ist dieses Zeichen das Kreuz; und so singt auch die Kirche in ihren Tagzeiten. Es war das Zeichen seiner Erniedrigung, und wird also auch das Zeichen seiner Verherrlichung und Herrschaft sein; denn dadurch errang er sich die Herrschaft (Phil. 2, 8-9).
(37) Die Geschlechter der Erde sind hier die Gottlosen, welche beim Anblick des Kreuzes ihre Sünde, aber zu spät beklagen werden (Aug.). Das Gefühl, den Herrn gekreuzigt zu haben, wird sie peinigen (Chrys.).
(38) In Licht-Wolken gehüllt.
(39) Dem Reiche der Gottlosen auf Erden ein Ende zu machen.
(40) Um zur allgemeinen Auferstehung zu rufen. Die Posaune steht für gewaltige Stimme.
(41) den vier Weltgegenden.
(42) Alle, die Gerechten und Gottlosen werden in ihren Leibern erscheinen (Apok. 20, 12ff). Von dem Gerichte selbst spricht der Herr hier nicht, weil die Jünger nur um die demselben vorgehenden Zeichen fragten (V. 3); aber weiter unter (25, 31) führt Matthäus die Offenbarung des Herrn darüber an. Die Verse 29-31 gehen zugleich, aber nur im uneigentlichen Sinne, auf das Gericht über Jerusalem, wo dann unter der Verfinsterung der Himmelslichter die über die Juden herein brechende sittliche Finsternis, unter dem Zeichen des Menschensohnes das siegende Christentum, unter den wehklagenden Geschlechtern der Erde die zwölf über ihre Stadt klagenden Stämme der Juden, unter den Engeln die Apostel verstanden werden, welche aus allen Gegenden des Erdkreises Gläubige in die Kirche sammeln.
(43) Am Feigenbaum habt ihr ein Gleichnis.
(44) Das Reich Gottes jenseits: im uneigentlichen Sinne die Kirche, die siegreich über dem Judentum sich erhebt. Siehe Luk. 21, 31.
(45) Unter Geschlecht sind im eigentlichen Sinne nach den obigen erläuternden Stellen (23, 36; 16, 28) die damals lebenden Juden zu verstehen; im uneigentlichen, entfernteren Sinne ist das Menschengeschlecht im allgemeinen gemeint. Für die damaligen Juden ging die gesamte Weissagung in Erfüllung, insofern sie die Zerstörung Jerusalems erlebten, welche bald im eigentlichen bald im uneigentlichen Sinne darin vorher gesagt ist: für die gesamte Menschheit geht oder wird sie in Erfüllung gehen, insofern das Weltende bald im eigentlichen bald im uneigentlichen Sinn darin geschildert ist.
(46) Verwesen, sich verändern, in einem andern (besseren) Zustand übergehen (2. Petr. 3, 13, Isa. 65, 17).
(47) mein Wort ist unveränderlich, und trifft genau ein.
(48) Mark. 13, 32 ist beigesetzt: auch der Sohn nicht, sofern er Geschöpf, bloßer Mensch ist; wohl aber, sofern er Gott, und seine Menschheit mit der Gottheit zu Einer Person verbunden ist.
(49) Wenn das Gericht über Jerusalem und die Welt eintreten wird, ist nur Gott bekannt.
(50) Wenn er zum Gericht gegen den Antichrist kommen wird. V. 28
(51) Wie zu den Zeiten Noes nur wenige Gott treu blieben, und sich fast Alle dem bloß irdischen Leben überließen; so wird es auch zur Zeit sein, wenn der Antichrist beinahe die ganze Menschheit verführen wird: und wie man damals das herannahende Gericht des Herrn nicht merkte, so auch dann nicht. Bemerkenswert ist, daß der Herr nicht von großen Lastern, sondern einem bloß irdischen sinnlichen Leben spricht. Die groben Laster verdammt auch der natürliche Mensch, aber von der innerlichen, das Gemüt umwandelnden Liebe, von der göttlichen die Vernunft übersteigenden Weisheit hat er keinen Begriff. Er hält vielmehr das Rein-Natürliche, das Rein-Menschliche, wie es in dem Zustande der Erbsünde erscheint, als das einzig Wahre und Gute, und hält sich darin für gerecht. So eine bloß natürliche Tugend und Weisheit, so ein bloß natürliches Leben wird die Menschheit am Ende der Zeiten betören, und sie Christo abwendig machen, daß sie blind in ihrer Selbstgerechtigkeit die nahe Zukunft des Herrn weder ahnt noch fürchtet.
(52) Wenn dann der Herr zum Gericht kommt (V. 28), wird die Hälfte des Menschengeschlechtes an Leib und Seele zu Grunde gehen.
(53) Die Juden mahlten gewöhnlich ihr Getreide durch Handmühlen, wozu in der Regel Weibspersonen verwendet wurden. Die Verse 37-41 gehen im uneigentlichen Sinn zugleich auf die Ankunft Christi zum Gericht über Jerusalem, wo nur ein Teil der Menschen in die Kirche einging, der andere in der heidnischen Lebensweise verharrte und verlassen blieb.
(54) Aber der Herr hat ja die obigen Zeichen seiner Ankunft, die falschen Messiasse, die Bewegung unter den Völkern etc. (V. 4. 5. 14) gegeben; wozu also die tägliche Wachsamkeit? Eben um diese Zeichen zu erwarten und zu erkennen; dann aber vorzüglich deshalb, um bei dem Tode, der plötzlich kann, nicht unvorbereitet zu sein. Das allgemeine Gericht, von dem hier der Herr zunächst spricht, bricht für jeden Menschen schon bei seinem Tode als ein besonderes herein, für seine Seele, die noch vor der Auferstehung des Leibes gerichtet wird. Da dieses besondere kein anderes Urteil enthält, als welches einst beim allgemeinen Gericht Gott ausspricht, so ist es unter dem hier zunächst gemeinten allgemeinen Gericht mitverstanden, und die Jünger werden in der Wachsamkeit für dieses auch zur Wachsamkeit für jenes ermahnt; weshalb der heilige Hiernoymus sagt: Was am allgemeinen Gericht Allen bevorsteht, das wird am Tage des Todes für jeden Einzelnen erfüllt.
(55) Im Griech. zu welcher Nachtwache der Dieb etc.
(56) Dies gilt nicht bloß von der Stunde des Todes, sondern auch von der zweiten Ankunft des Herrn zum Gericht. Diese hat ihre bestimmten Zeichen, aber da nichts in der Welt plötzlich erscheint, sondern Alles sich vorbereitet und anbahnt, Alles entsteht, wächst, im Wachstum fort schreitet und sich vollendet, so erschienen auch diese Zeichen wachsend durch die ganze Geschichte, und treten von Zeit zu Zeit gleichsam in Altersstufen auf, bis sie beim Ablauf der Zeit vollendet sind, und das Ende bringen. Der Antichrist kommt also nicht bloß am Ende der zeit, sondern öfter in der Zeit, in seinen Vorläufern und Vorbildern, und er bringt deshalb auch öfter die mit ihm verbundenen Erscheinungen (Vgl. 1. Joh. 2, 18. 22), wenn auch nicht im gleichen Grade. Und so kommt auch das Gericht des Herrn öfter, indem er von Zeit zu Zeit in göttlicher Herrlichkeit mit sichtbar himmlischer Kraft seine Feinde richtet, und seiner Sache den Sieg verschafft. Eben deshalb aber müssen die Gläubigen aller Jahrhunderte zur steten Wachsamkeit auch in Bezug auf die letzte Ankunft des Herrn verpflichtet sein: denn wenn sie auch wissen, daß das Weltende erst dann kommt, wenn diese Zeichen in ihrer letzten Entwicklungsstufe eintritt, indem dies zu wissen sich der Vater vorbehalten hat (V. 36), und sie darum auch nie in Sicherheit sein können, ob diese letzte Stufe nicht schon zu ihrer zeit eingetreten ist.
(57) Wer ist wohl der ergebene, auf seinen und seines Herrn Vorteil bedachte Knecht, der aufgestellt worden, für die Hausgenossen zu sorgen? Ist es der, welcher zu jeder Zeit seine Pflicht erfüllt, weil sein Herr zu jeder Zeit kommen und Rechenschaft fordern kann; oder derjenige, welcher sich denkt, die Zeit der Ankunft des Herrn sei noch nicht da, und deshalb die Erfüllung seiner Pflicht hinaus schiebt? Der Herr stellt diese Frage an die Apostel und spricht also vorzugsweise von der Pflicht steter Wachsamkeit und Fürsorge der geistlichen Vorsteher (Hilar.).
(58) Der Herr wird ihn einst an seiner Herrschaft Teil nehmen lassen.
(59) Wenn aber ein solcher geistlicher Vorsteher oder jeder Vorgesetzte die Ankunft des Herrn zum Gericht ferne glaubte, und sich der Üppigkeit und dem Wohlleben ergäbe, seine Untergebenen aber hart und ungerecht behandelte; so wird ihn der Herr im Tode zu einerStunde vor sein Gericht rufen, da er sichs nicht versieht. Vergl. 1. Petr. 5, 2ff.
(60) Aus der Gesellschaft der Heiligen (Hier.).
(61) Ihn ewig verdammen, wie die Heuchler.
(62) Siehe oben 8, 12. –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 5. Bd. 1838, S. 119 – S. 123