Unfehlbarkeit des Papstes: Widerlegung der Einwürfe

III. Einwurf: Oberste Vollmacht bedeutet keine Willkür

III. Einwurf:

„Die Päpste haben doch selbst nicht selten erklärt, sie könnten von den Entscheidungen der allgemeinen Konzilien nicht abweichen. Dies hätten sie wohl nicht getan, wenn sie gemeint hätten, dass ihnen auch allein die oberste und apostolische Vollmacht des kirchlichen Richteramtes zustände.“

Antwort:

Solche Erklärungen der Päpste beziehen sich nie auf ein Konzil, welches erst gefeiert, und noch von keinem Papst bestätigt ward, sondern immer nur auf bereits von ihren Vorgängern konfirmierte Konzilien. Es folgt also aus selben gar nichts gegen die oberste Vollmacht der also erklärenden Päpste, da sie ja durch diese Vollmacht nicht über das göttliche Recht und über die Wahrheit selbst erhaben sind.

Beziehen sich nämlich dergleichen Erklärungen auf Glaubenssätze von bereits konfirmierten allgemeinen Konzilien, wie sollte es einem nachfolgenden Papst gestattet sein, von demselben abzugehen?!! Die apostolische Vollmacht des Papstes in Glaubens-Entscheidungen ist ja doch keine Macht der Willkür, und keine Macht gegen den Glauben selbst und über das göttliche Recht, welches auf alle Nachfolger Petri sich ungeteilt vererbt.

Beziehen sich aber dergleichen Erklärungen selbst auf Disziplinar-Satzungen allgemeiner Konzilien, so durften und mussten die Päpste dennoch bekennen, es sei ihnen nicht erlaubt, von denselben abzuweichen. Wir sagen, nicht erlaubt; denn was in weisester Beratung und Verordnung zum Wohl der Kirche von solchen bereits konfirmierten Konzilien verordnet ward, kann erlaubter Weise nicht nach Willkür verändert, oder wohl gar verworfen werden, wenn den also handelnden Machthaber nicht der bekannte Rügespruch Bernards treffen soll: „Facitis, quia potestis; sed utrum etiam debeatis, quaestio est“. „Ihr tut es, weil ihr es könnt; ob ihr es aber auch solltet, ist eine andere Frage.“ –

Was Paulus von der ihm durch Christus gegebenen Gewalt erklärte, nämlich:

„Sie sei ihm nicht zum Niederreißen, sondern zum Aufbauen gegeben“; das gilt auch von der apostolischen Macht des Papstes: sie ist ihm gegeben „non in destructionem“, sondern „in aedificationem“. In dieser Hinsicht haben die Päpste an unzählbaren Orten ebenso feierlich beteuert, wie es Hadrian II. in Betreff der Dekrete seines Vorgängers, Papst Nikolaus, so feierlich betonte, sie könnten von den Verordnungen ihrer Vorfahren, der römischen Päpste, kein Haar breit abweichen; ohne dass es da doch jemandem einfiele zu meinen, die Macht eines Nikolaus sei größer gewesen, als die eines Hadrian, oder die eines Pius VI. größer, als die eines Pius VII. oder Gregor XVI., oder als die eines Pius IX.

Dass dies die Ansicht der Päpste war und sein musste, die man uns mit ihren Erklärungen dagegen anführt, erhellt überdies unbezweifelbar aus den Aussprüchen selbst, welche sie über ihre Machtfülle in jener ununterbrochenen Reihe von Zeugnissen gegeben, die wir oben aus dem Munde derselben Päpste angeführt, und die mit solcher Entschiedenheit dieses volle Bewusstsein ihrer obersten, unbedingten, apostolischen Macht aussprechen. Wir setzen denselben hier den Ausspruch eines Papstes bei, dessen Gelehrsamkeit, Klugheit und Mäßigung von allbekannt gefiertem Andenken ist, nämlich Benedikt XIV., der in seiner Synod. Dioec. ausdrücklich also lehrt:

„Die von Christo gegebene Gewalt und Vollmacht des Papstes jedes bloß kirchliche Gesetz durch eigene Autorität nachzulassen oder völlig aufzuheben, wird von keinem Katholiken in Zweifel gezogen.“ (…) (Cfr. lib. 8. c. 2. num. 3) Und in diesem Sinne konnte Innozenz III. von sich und allen Trägern seiner Würde sagen: „Nos, qui secundum plenitudinem potestatis de jure possumus supra jus dispensare.“

Hat denn nicht selbst der so weise als gemäßigte Gregor der Große für England aus eigener Machtfülle den allgemeinen Kanon, in Betreff der Verwandtschafts-Grade bis in den siebenten Grad, als Ehehindernis aufgehoben, und so durch die Tat gezeigt, wie unbeirrt seine Verehrung für die von ihm den vier Evangelien gleichgehaltenen allgemeinen Konzilien, mit dem Bewusstsein seiner ungeschmälerten, apostolischen Machtfülle sehr wohl beisammen bestünden? –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 326 – S. 329

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