P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
IV. Von der Übertretung der Gebote oder von der Sünde
§ 2. Von den verschiedenen Gattungen der Sünde
2. Von den sünden wider den Heiligen Geist
Durch Vermessenheit auf Gottes Barmherzigkeit sündigen
So sündigt derjenige, welcher von der Größe der göttlichen Barmherzigkeit selbst Anlaß nimmt, desto freier zu sündigen oder desto länger in der Sünde zu verharren. Ein solcher sündigt wider den Hl. Geist, indem er die unendliche Barmherzigkeit Gottes, welche die die wohl verdiente Strafe um seines Heiles willen bisher von ihm abwandte und ihn zur vertrauensvollen Rückkehr fort und fort einlädt, gerade dazu mißbraucht, sein Herz zu verhärten und sich immer tiefer in den Sündenschlamm zu versenken. Wer vermessentlich auf Gottes Barmherzigkeit sündigt, verachtet somit den Reichtum der göttlichen Güte, Geduld und Langmut und zwingt Gott gleichsam, ihn nunmehr seine Strafgerechtigkeit fühlen zu lassen. (Röm. 2, 4. 5) Ihm gilt daher die Warnung des weisen Sirach (5, 6-9): „Saget nicht: Die Barmherzigkeit Gottes ist groß, er wird die Menge meiner Sünden vergeben… Säume nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschieb es nicht von einem Tag zum andern; denn plötzlich kommt sein Zorn, und zur Zeit der Vergeltung wird er dich vernichten.“
Leider gibt es nur zu viele Christen, welche fort und fort sündigen in der Hoffnung, es werde ihnen vergönnt werden, sich beim Herannahen des Todes durch die Beichte mit Gott auszusöhnen. Möchten diese Beklagenswerten, bei denen das ewige Heil jeden Augenblick auf dem Spiele steht, an den bekannten Ausspruch des hl. Augustin sich erinnern: „Einen Schächer hat Gott in Gnaden aufgenommen, damit du nicht verzweifelst; aber auch nur einen, damit du nicht vermessen hoffest“; oder an jenen des hl. Gregor des Großen: „Gott, der dem Reuigen Vergebung verheißen, hat dem Sünder den morgigen Tag nicht verheißen.“
Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 2, 1912, S. 359 – S. 360; S. 552