Jesus beteuerte Seine Gottheit feierlich

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
Vom apostolischen Glaubensbekenntnis – Zweiter Glaubensartikel
§ 2. Jesus Christus wahrer Gott

Wie hat Jesus die Lehre von Seiner Gottheit mit dem Tode besiegelt?

Als er vor Gericht beim lebendigen Gott beschworen wurde, zu sagen, ob er der Sohn Gottes sei, beteuerte er feierlich, dass er „Christus, der Sohn Gottes sei, zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen werde“; und auf dieses Bekenntnis hin erlitt er den Tod.

Nicht bloß vor seinen Jüngern und vor dem ganzen Volk, sondern auch vor dem Hohen Rat, dem es von rechts wegen zustand, nach der Sendung des neuen Lehrers zu fragen, beschwor Jesus feierlich, dass er der Sohn Gottes sei. In der Gerichtssitzung nämlich, in welcher er zum Tode verurteilt wurde, wandte sich der Hohepriester Kaiphas an ihn mit der feierlichen Aufforderung: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du Christus der Sohn Gottes bist.“ Jesus antwortete: „Ich bin es.“ (Mark. 14, 62) „Ich sage euch aber: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (Matth. 26, 63-64) Da riefen alle: „Du bist also der Sohn Gottes?“ und Jesus wiederholte die Aussage und sprach: „Ihr sagt es“, d. h. ich bin es, wie ihr es sagt. (Luk. 22, 70) „Da zerriß der Hohepriester seine Kleidung und sprach: Er hat Gott gelästert! Was haben wir noch Zeugen nötig? Siehe, nun habt ihr die Lästerung gehört. Was dünkt euch? Sie aber antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig!“ (Matth. 26, 65-67) Der gesamte Hohe Rat faßte die Worte Jesu, daß er „der Sohn Gottes“ sei, offenbar so auf, daß er sich im vollen und eigentlichen Sinn für den „Sohn Gottes“ ausgebe; eben deshalb deuteten sie dieselben auch als Gotteslästerung. Hätte nun Jesus anders verstanden sein wollen, so hätte er durch ein Wort der Aufklärung das Missverständnis beseitigen müssen. Er tat es nicht und brachte auch kein Wort vor, um das gegen ihn ausgesprochene Todesurteil von sich abzuwenden. Als ihn hierauf der Hohe Rat dem Landpfleger Pilatus überlieferte und dieser nach Jesu vergehen sich erkundigte, gaben die anwesenden Hohenpriester und Schriftgelehrten zur Antwort: „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben; denn er hat sich selbst zum Sohn Gottes gemacht.“ (Joh. 19, 7) Allein auch in diesem Augenblick ließ sich Jesus weder zu einer Erklärung, noch zu einem Widerruf herbei; er schwieg still, bekannte durch sein Stillschweigen laut seine Gottheit und besiegelte dieses sein Bekenntnis mit seinem Blut.

Wenn ein bloßer Mensch vor Gericht sich fälschlich für Gott ausgäbe und darum als Gotteslästerer zum Tode verdammt würde, und wenn derselbe nichts desto weniger auf seiner Aussage beharrte, ohne sie irgendwie zu erklären, müssten wir ihn nicht entweder für einen Wahnsinnigen oder aber für den verstocktesten Bösewicht halten? Wer sich also weigert, der eidlichen Beteuerung Jesu, dass er Gott sei, Glauben beizumessen, für wen muss der ihn dann halten? Der Mund darf es nicht aussprechen. In welchen Widerspruch mit sich selber geraten demnach alle, welche die Gottheit Jesu leugnen und ihn dennoch den Weisen von Nazareth, den wahren Menschenfreund, das Muster aller Tugend und Heiligkeit nennen! Und wie ließe sich das zusammen reimen mit dem, was bei und nach dem Tode Jesu sich ereignete? Während Jesus am Kreuz hing, „entstand eine wunderbare Finsternis auf der ganzen Erde von der sechsten bis zur neunten Stunde.“ (Matth. 27, 45) (*) Und als der Gekreuzigte das Haupt geneigt und seinen Geist aufgegeben hatte: „Siehe, da riß der Vorhang des Tempels in zwei Stücke von oben bis unten; die Erde bebte und die Felsen spalteten sich; die Gräber öffneten sich, und viele Leichname de entschlafenen Heiligen wurden auferweckt. Und sie gingen hervor aus ihren Gräbern, kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.“ (Matth. 27, 51-53) Am dritten Tage erstand Jesus selbst von den Toten, verließ das verschlossene und versiegelte Grab und erschien fortan vierzig Tage lang öfters seinen Jüngern im verherrlichten Leibe, bis er vor ihren Augen glorreich in den Himmel auffuhr. Und alle diese erstaunlichen Wunder und Zeichen sollte Gott (die Zunge sträubt sich, es auszusprechen) zur Verherrlichung eines Wahnsinnigen oder eines Gotteslästerers gewirkt haben!!

Der heidnische Hauptmann, welcher den Gekreuzigten bewachte und von dem Erdbeben und von allem, was sonst geschah, Zeuge war, rief laut: „Wahrlich, Gottes Sohn war dieser!“ Es gereicht unserer Zeit gewiß zu nicht geringer Schande, daß es solche gibt, die sich Christen nennen und dennoch ungläubiger sind, als dieser Heide es war. Was werden solche Namenschristen dereinst zu Entschuldigung ihres Unglaubens vorbringen? Etwa, daß sie nicht wie jener Hauptmann die Wunder sahen, welche beim Tode Christi stattfanden? Aber ist ihnen deren Wahrheit nicht hinreichend im Evangelium verbürgt? Sehen sie nicht überdies mit eigenen Augen das größte aller Wunder, daß die heidnische Welt bekehrt, der Wahn des Götzendienstes besiegt ist, daß Jesus, der Gekreuzigte, auf dem ganzen Erdkreis erkannt, geleibt und angebetet wird? Bald sind neunzehn Jahrhunderte verflossen, seit Jesus diese Welt verließ, und noch immer lebt er geliebt und angebetet in den herzen seiner Getreuen ohne Zahl! Welche andere Liebe mag wohl mit dieser verglichen werden, mit einer Liebe, welche bereit ist, jeden Augenblick Blut und Leben für den Geliebten hinzugeben! Ist das kein Wunder? Ist das nicht ein unumstößlicher Beweis der Gottheit Christi? Dieser Beweis liegt vor ihren Augen; und dennoch hören sie nicht auf, Jesus mit Schmach zu überhäufen, Gott und seinen Gesalbten zu lästern! Werden sie nicht vor Scham vergehen, wenn ihnen der Herr am Tage des Gerichtes zurufen wird: O du verkehrtes Geschlecht! Einen Unglauben wie bei dir habe ich selbst bei den Heiden nicht gefunden?

(*) Diese Finsternis, welche so lange dauerte, als Jesus am Kreuz hing, war keineswegs nach den gewöhnlichen Naturgesetzen entstanden; sie war ganz außerordentlich, ein wahres Wunder. Sie geschah zur Zeit des Vollmondes, wo der Mond der Sonne gegenüber stehend, nicht zwischen die Sonne und Erde kommen, folglich jene nicht verfinstern kann. Sie war selbst für die Heiden ein Gegenstand der Verwunderung. Phlegon, ein heidnischer Geschichtsschreiber, erwähnt ihrer im fünfzehnten Buch der Chronik der Olympiaden. Er schreibt daselbst: „Im vierten Jahr der zweihundert und zweiten Olympiade (dieses ist das Todesjahr Christi) war die größte und merkwürdigste Sonnenfinsternis, welche je statthatte. Der Tag verwandelte sich um die sechste Stunde (um zwölf Uhr nach unserer Tagesrechnung) in eine Finsternis, daß man die Sterne am Himmel sah. Zu gleicher Zeit warf das Erdbeben zu Nicäa, einer Stadt in Bithynien, viele Häuser um.“ Auch andere heidnische Schriftsteller sprechen nach dem Zeugnis des Eusebius (Chron.) von dieser Finsternis, und Tertullian beruft sich dafür vor den Heiden auf die in ihren Archiven vorhandenen Urkunden (Apolog. Hpst. 21).

Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 332-334

siehe auch den Beitrag: Christi Weissagungen Beweis seiner Gottheit