Bestimmung der Kirche
Was zur Erlangung der Seligkeit nicht hinreicht
Reicht es zur Erlangung der Seligkeit schon hin, ein Kind der katholischen Kirche zu sein?
Nein, denn es gibt in der Kirche auch tote Glieder, die sich durch Sünden die ewige Verdammnis zuziehen.
Aus den schon oben angeführten Gleichnissen der Hl. Schrift vom Acker, auf dem Weizen und Unkraut wächst, vom Netz, worin gute und schlechte Fische enthalten sind (Matth. 13), von den klugen und törichten Jungfrauen (Matth. 25) und ebenso aus der einstimmigen Lehre der hl. Väter geht unstreitig hervor, daß die Kirche gute und böse Mitglieder in ihrem Schoß einschließt. Gute Mitglieder sind diejenigen, die nicht nur durch das Bekenntnis des christlichen Glaubens und durch die Gemeinschaft der hl. Sakramente, sondern auch durch den Geist der Gnade und das Band der Liebe unter sich und mit Christus, ihrem Haupt, vereinigt sind. Dieselben werden auch lebendige Glieder genannt, weil sie vom Hl. Geist beseelt und Christus, dem Urquell alles gottähnlichen Lebens, einverleibt sind. Schlechte Mitglieder hingegen sind diejenigen, welche zwar den nämlichen Glauben bekennen und die nämlichen Sakramente empfangen wie die andern, aber wegen ihrer Sünden des inneren Gnadenlebens entbehren und darum auch tote Glieder genannt werden. Auf diese beziehen sich die Worte des Herrn an den Vorsteher der Kirche von Sardes: „Ich kenne deine Werke, du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot.“ (Offb. 3, 1)
Die lebendigen Glieder haben Anspruch auf die ewige Seligkeit; denn wo das Haupt ist, da werden auch die mit ihm vereinigten Glieder sein; die toten aber werden, eben weil sie innerlich von Christus getrennt sind, das ewige Leben nicht haben. Dieses beweisen selbst die angezogenen Gleichnisse. Die Bösen gleichen nämlich dem Unkraut: dies wird ins Feuer geworfen und verbrannt; sie gleichen den schlechten Fischen: diese werden von den guten geschieden und weg geworfen; sie gleichen den törichten Jungfrauen: diese bleiben vom Hochzeitsmahl ausgeschlossen. –
Es reicht also nicht hin, bloß dem äußern Verband nach ein Glied der katholischen Kirche zu sein, um zur ewigen Seligkeit zu gelangen; dazu wird gefordert, daß man ein guter, mit lebendigem Glauben und werktätiger Liebe beseelter Katholik sei. Der schlechte Katholik wird im Gegenteil wegen des himmelschreienden Missbrauchs so vieler und so ausgezeichneter Gnaden, die ihm geboten werden, eine weit strengere Rechenschaft abzulegen und viel härtere Strafen zu gewärtigen haben als Irrgläubige, Juden und Heiden. „Denn von einem jeden, dem viel gegeben worden ist, wird viel gefordert werden.“ (Luk. 12, 48) (siehe den Beitrag: Warum Gott die Katholiken straft) –
aus: Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 546-547