Unfehlbarkeit des Papstes: Widerlegung der Einwürfe
V. Einwurf: Cyprians Standhaftigkeit gegen Stephan I.
V. Einwurf:
„Gegen die Zeugnisse der heil. Väter steht das Zeugnis und Beispiel des heiligen Cyprian, welcher sich standhaft der Entscheidung des Papstes Stephan widersetzte, was er doch gewiss nicht getan haben würde, im Falle er von dessen apostolischer Vollmacht und Unfehlbarkeit in Glaubens-Entscheidungen überzeugt gewesen wäre.“
Antwort:
Wer weiß es nicht, wie oft dieses Faktum herhalten muss, um den Feinden der kirchlichen Autorität der Päpste als Argument zu dienen, um nicht nur die Glaubens-Prärogative der Nachfolger Petri, sondern auch ihre anderen wesentlichen Primatial-Rechte widerrechtlich anzufeinden, und diesen ihren Angriffen durch selbes, einen Schein von kirchlichem Ansehen grauester Vorzeit zu geben.
„Armer Cyprian, wir müssten dich bedauern, wenn nicht selbst ein heil. Paulus so oft herhalten müsste, um den Irrtümern Luthers ein Wort zu sprechen, und wenn nicht auch ein Augustin des Jansenismus angeklagt worden wäre. Wir sagen: „Aus dem, was Cyprian getan, folgt durchaus gar nichts gegen die Kompetenz des Glaubensrechtes der Päpste überhaupt, noch gegen die Begründung dieses Rechtes aus dem Ansehen der heil. Väter insbesondere; noch gegen Cyprian selbst, den wir oben in der Reihe der Zeugen, und zwar mit den entscheidendsten Zeugnissen für dieses Primatial-Recht zu vernehmen Gelegenheit gehabt.“
Die eigentliche Ansicht Cyprians über die päpstliche Vollmacht
Unsere Beweisführung für das Gesagte ist folgende:
Erstens: Unsere Gegner, welche das Ansehen dieses heil. Bischofs missbrauchen, fassen seine Widersetzlichkeit in Betreff der Ketzertaufe, ebenso einseitig auf, als wie das Glaubensrecht der Nachfolger Petri selbst, das wir verteidigen, und unterscheiden weder was den Gegenstand der Streitfrage betrifft, noch was das Benehmen Cyprians und des Papstes Stephan in derselben angeht, noch was aus allem letztlich zu folgern ist. Wir folgen, wenn wir dies behaupten, ganz vorzüglich dem Ansehen und der Ansicht des großen hl. Augustin, der, wie bekannt, den Zeiten des hl. Cyprian so nahe gestanden, und sagen:
Auch angenommen, dass, in Betreff des Streithandels sich alles so verhalten habe, wie die Feinde der päpstlichen Kirchengewalt das Faktum selbst darzustellen pflegen (Was doch nach dem Zeugnis Augustins, wie wir unten sehen werden, – schon zu seiner Zeit sehr bezweifelt ward),
so ist die eigentliche Ansicht Cyprians über die päpstliche Glaubens-Vollmacht, keineswegs bloß aus jenen Äußerungen und Taten zu beurteilen, die Cyprian in der Hitze des Streites von sich gab, sondern diese seine Ansicht ist vielmehr aus jenen Äußerungen, die er ohne Leidenschaft, außer dem Streit, an so vielen Orten, bei so vielen Gelegenheiten, in entschiedenster Anerkennung des Rechtes, das wir behaupten, von sich gab, zu beurteilen; – wenigstens sind die Ausdrücke und das Benehmen Cyprians in der Streithitze nicht ohne deren Berücksichtigung zu beurteilen und zu verstehen. Die Grundsätze einer gesunden Hermeneutik verlangen dies.
Cyprians Ansicht und Glauben in Betreff der päpstlichen Glaubens-Prärogative
Ist es nicht derselbe Cyprian, auf den man sich beruft, welcher vom Papst, in seinem 55. Brief an Cornelius sagt, „dass er Richter an Statt Christus sei, – und dass, wenn, wie es die göttliche Anordnung fordert, alle im Reich der heil. Kirche Seinem Urteil sich pflichtgemäß unterwürfen, wie dann niemand die Kirche zerreißen würde; und dass nirgend anders woher, als aus dieser Verweigerung und Widersetzlichkeit, Ketzereien und Schismata entstanden seien?“
Ist es nicht eben dieser Cyprianus, welcher in seinen Briefen die römische Kirche so oft „die Mutter und Wurzelkirche“ nennt, – Ecclesiam radicem et matricem?“ – Ist es nicht eben dieser Cyprian, welcher in seinem Buch „De unitate Ecclesiae“ höhnend ausruft: „Wie mag wohl irgend jemand meinen, dass er in der Kirche sei, welcher die Kathedra Petri, auf welcher die Kirche Christi gebaut ist, verlässt?“ –
Ist es nicht derselbe Cyprian, welcher, als die Schismatiker Fortunat und Felicissimus nach Rom schifften, um den Papst auf ihre Seite zu bringen, getrost ausruft: „Zur Kathedra Petri wagen sie es, zu schiffen, – Rom wollen sie betören? Und bedenken nicht, dass es Römer seien, deren Glauben deer Apostel gerühmt, und zu denen kein Irrtum jemals gelangen kann.“ –
Nun denn, wenn uns wirklich daran liegt, Cyprians Ansicht und Glauben, in Betreff der päpstlichen Glaubens-Prärogative zu wissen, wer erlaubt uns alle entschiedenen Äußerungen nicht zu beachten? – Wer erlaubt uns, Cyprian mit sich selbst in offenbaren Widerspruch geraten zu lassen? – was gegen den Hauptkanon jeder billigen Hermeneutik ist, auf die wohl Cyprians Aussprüche auch einen Anspruch haben! –
Und wenn schon ein Widerspruch statt haben soll, was berechtigt uns die Äußerungen, welche in gereizter Hitze fielen, denen vorzuziehen, welche in ruhigen Stunden gegeben wurden, und nicht vielmehr jene durch diese zu berichtigen?
Ähnlichkeit zwischen Cyprian und Tertullian in der Frage ihrer Äußerungen
Wir können in dieser Hinsicht nicht umhin, auf eine Ähnlichkeit aufmerksam zu machen, die uns hier zwischen Cyprian und Tertullian entgegentritt, und die notwendig geltend wird, so bald man auf dem Ansehen der Äußerungen Cyprians gegen die Glaubensvollmacht des Papstes bestehen wollte.
Nämlich, gleichwie niemand gegen die Notwendigkeit und die Beweiskraft apostolischer Tradition und gegen die Notwendigkeit der Kirchengemeinschaft mit den apostolischen Kirchen, Tertullian als Autorität anführen wird, aus dem Grunde, weil er später Montanist ward, welche Sekte doch weder des Zeugnisses der Tradition, noch der allgemeinen Kirchengemeinschaft sich erfreute, im Gegenteil ganz offenbar derselben entgegen war, was Tertullian leider durch Leidenschaft fortgerissen nicht zu erkennen und ganz zu vergessen schien, was er von der Tradition und kirchlichen Sukzession einst schrieb.
Gleichwie, sagen wir, deshalb Tertullian als Zeugen gegen diese Notwendigkeit der Tradition und Kirchengemeinschaft anführt, sondern sich seiner darüber so kräftig gegebenen einstigen Äußerungen für dieselbe und gegen Tertullian selbst, und das mit vollstem Recht, bedient:
So wird gleicherweise niemand mit Fug sich Cyprians Ansehens bedienen können in Äußerungen, die nicht seinem Glauben, sondern seiner Glaubens-Verirrung angehören, um das Ansehen des apostolischen Stuhles in Glaubens-Entscheidungen zu entkräften; sondern wenn er je das, und in dem Sinne gesagt hat, was und wie unser Gegner ihn es sagen und glauben lassen, so würden und müssten wir uns der oben angeführten, und noch anderwärts gegebenen Äußerungen Cyprians bedienen, um durch selbe in volle Beweiskraft den Glaubensprimat der Päpste zu stützen; und wenn Cyprian dagegen sich verfehlt, ihn mit dessen eigenen Bekenntnissen richten, wie wir es mit Tertullian tun. –
Denn was er für den Glaubensprimat gesagt, sagt er in Einstimmung mit den übrigen Vätern, als Träger der Tradition, – was er dagegen gesagt zu haben bezichtigt wird, hat er gegen diesen Einklang, mithin irrig gesagt. Die Väter im Einzelnen waren ja, wie niemand bezweifelt, dem Irrtum unterworfen.
Cyprian blieb mit dem Oberhaupt in Frieden
Darum antworten wir
zweitens mit Augustin: „Sei es, dass Cyprian sich geirrt; was wird sein spezieller Irrtum gegen das Gesamtgewicht der übrigen Zeugnisse aus dem Mund der Väter und gegen die Wahrheit vermögen?“ – Selbst wenn es nicht ein Cyprian, sondern ganze Provinzialkirchen gewesen wären, folgte nichts daraus gegen den Glauben der allgemeinen Kirche und gegen die Wahrheit und Göttlichkeit ihrer Rechte. –
Wir sagen daher mit denselben Worten von Cyprian und seinen Schriften, was Augustin von denselben in seinem zweiten Buch „contra Cresconium“ gesagt, wo er selbst schreibt: „Ich halte die Briefe Cyprians nicht für kanonische, sondern beurteile sie nach den kanonischen Schriften, und was ich in ihnen dem Ansehen der göttlichen Schriften gemäß finde, nehme ich mit Lob desselben an, was ich demselben nicht gemäß finde, verwerfe ich, – bleibend mit selbem im Frieden“; – denn wie wir gleich hören werden, Cyprian blieb trotz seiner Heftigkeit mit der Kirche und deren Oberhaupt im kirchlichen Frieden. (…)
Stritt Cyprian eine formelle Glaubens-Entscheidung ab?
Wir sagen Drittens: „Cyprians Hartnäckigkeit in Betreff der Streitfrage der Ketzertaufe, auch zugegeben, was ihn unsere Gegner gesagt und getan haben lassen, ist nicht einmal eine solche, dass aus solcher etwas gegen ihn und unsere Behauptung sich ergäbe. –
Stritt denn Cyprian eine päpstliche Definition an, eine formelle Glaubens-Entscheidung? Keineswegs. – Stephan. Der Papst, hatte kein definitives Urteil erlassen, sondern er drang ohne dogmatisches, definitives Urteil bloß auf die Aufrechthaltung der Praxis der römischen Kirche; sodass die ganze Streitfrage mehr den Anschein einer Disziplinarsache, als einer eigentlichen Glaubensdifferenz beibehielt, bis endlich das definitive Urteil lang nach Cyprian, erfolgte.
Dass dem wirklich so sei, erhellt aus den eigenen Äußerungen Cyprians in seinem 73. Brief „ad Jubajanum“, in welchem er die obwaltende Streitfrage, als eine Disziplinarsache ansieht, in Betreff welcher eine gewisse Freiheit unbeschadet der Glaubens-Einheit Statt finden könne. – Dasselbe spricht der noch heftigere Firmilian in seinem Schreiben an Cyprian aus. (Siehe gleichfalls das Konzil von Arles, can. 8. Ep. Amphiloch. ad Basil. Athanas. ora 3. adv. Arian. Epiph. expos. fidei catholicae Nro. 13. Cyrill. Hier. praef. in catecheses.)
Der Gebrauch der Wiedertaufe war in vielen Kirchen des Orients angewandt
Cyprian musste sich um so mehr versucht fühlen, dieser seiner Ansicht Raum zu geben, da er den Gebrauch seiner Kirche auch in so vielen Kirchen des Orients, in jenen von Kappadozien und Cilicien, bis dahin angewandt, und durch mehrere Provinzial-Konzilien bestätigt wusste, als da waren: das Concilium von Afrika unter Agrippinus und jenes von Iconia und Synnadä; gegen welche Aussprüche Stephan wohl deutlich genug seine Ansicht, jedoch ohne definitives Urteil aussprach, so, dass Cyprian noch immer ohne Bruch im Glauben selbst, und ohne formelle Verletzung seiner schuldigen Anerkennung der Glaubens-Prärogative des apostolischen Stuhles, bei seiner Praxis bis zur vollen und letzten Entscheidung der Frage verharren konnte, – welches letztere wir jedoch aus gleich zu ersehenen Gründen sehr bezweifeln.
Cyprian war im Kirchenfrieden
Gewiss ist nämlich, dass Stephan mit Cyprian im Kirchenfrieden blieb, was Stephan doch nie getan haben würde, wenn er ein definitives Urteil hätte ergehen lassen. Für die historische Gewissheit dieser unserer Behauptung des ungestörten Kirchenfriedens liegen uns die Zeugnisse aus Cyprian selbst und Augustin vor Augen. –
Dieser schreibt in seinem Buch „de Baptismo“ (C. 25. 1. 5): „Obwohl etwas heftiger, eiferten sie (Cyprian und Stephan) doch brüderlich; – denn es siegte der Friede Christi in ihren Herzen, so dass zwischen ihnen das Übel des Schisma nicht erfolgte.“ -(…) – Cyprian aber selbst in seinem Brief „Ad Jubajanum“ bezeugt: „Es wird von uns in Geduld und Liebe des Herzens bewahrt: die Ehre des Kollegiums, das Band des Glaubens, die Einheit des Priestertums.“ „Servatur a nobis patienter et leniter: charitas animi, honor collegii, – vinculum fidei, concordia Sacerdotii.“
Stephan drohte wohl mit der Exkommunikation; – und wäre sie als Folge eines definitiven Urteils erfolgt, so hätte sich Cyprian um so gewisser unterworfen, je ängstlicher er alles aufbot, wie aus dessen Briefen erhellt, dass dieser Bannstrahl nicht erfolge.
Warum Papst Stephan nicht die Exkommunikation aussprach
Stephan, diesen letzten Schritt verschiebend, handelte auch ganz im Geist der Kirche, deren Haupt er war; die so ohnedies bald zu erfolgender Rückkehr zur Wahrheit, mit Geduld entgegensehend. Stephan wollte, da er die Hitze des Streites gewahrte, die Glaubenstreue so hoch verdienter Männer, wie ein Cyprian und Firmilian mit ihrem Anhang waren, besonders da diese den Gegenstand als bloße Disziplinarsache ansahen, keiner zu plötzlichen Erschütterung aussetzen, sondern mit weisester Mäßigung des Befehls vor sich gehen. Die Drohung sollte der Tat und Strafe vorausgehen; vielleicht, dass sie genügte, und dann um so besser.
Und ob dies bei Cyprian nicht wirklich der Fall gewesen, kann durchaus nicht geradehin geleugnet werden, was aber doch unsere Gegner, ohne alle geschichtliche Begründung, geradezu tun zu dürfen meinen.
Für die Nichtunterwerfung Cyprians gibt es kein historisches Dokument
Für seine endliche Nichtunterwerfung liegt ja gar kein historisches Dokument vor, wohl aber gegen dieselbe, wie dies mit Cabasutius, Baronius, Thamassinus, Ludivicus, Bail, so viele andere Kanonisten, gestützt auf die Zeugnisse der ältesten, bewährtesten Männer jener Zeit, nachweisen. Ausdrücklich versichert uns dessen, und zwar mit Berufung auf die Zeugnisse seiner Vorwelt, der hl. Hieronymus, in seinem „Dialog. adv. Lucifer“. Augustin, in seinem zweiten Buch „de Bapt.“, schreibt gleichfalls, dass ihm dies wahrscheinlich sei, wenn gleich es nicht schriftlich dargetan werden könne.
„Dies tue jedoch“, sagt Augustin, „nichts zur Sache; denn es ist ja nicht alles, was damals geschah, aufgeschrieben worden, noch wissen wir alles, was aufgeschrieben ward.“
Man beurteile doch nicht die Zeiten der Handschriften nach denen der Presse!
Wenn daher Augustin an einer anderen Stelle sagt, Cyprian hätte sich dem Ausspruch eines Conciliums unterworfen, so ist dies nur gegen die Donatisten deshalb gesagt, um es diesen ketzerisch Halsstarrigen begreiflich zu machen, dass zwischen ihrem Streit, gegen welchen bereits Konzilien-Aussprüche unter Konfirmation des Papstes ergangen, und den Umständen der Streitangelegenheit Cyprians durchaus keine Gleichheit stattfinde, da zu dessen Zeit solche Aussprüche noch nicht erfolgt waren. –
Augustin wollte aber gegen die Donatisten nicht sagen: Cyprian habe sich dem Willen Stephanus, auch ohne definitiven Ausspruch unterworfen, weil dies aus historischen Quellen nicht evident dargetan werden konnte, also gegen donatistische Halsstarrigkeit ganz nutzlos, ja unklug gesagt worden wäre.
Ein weiteres Bedenken gegen die Gegner der Glaubens-Prärogative
Wir halten schließlich unseren Gegnern, die sich gar so viel auf diesen verworrenen Streithandel Cyprians zu Gute tun, noch ein Bedenken vor.
Alles zugegeben, was sie Cyprian zumuten, so hätte Cyprian doch nur unseren Satz von dem Glaubensprimat der Nachfolger Petri mittelbar geleugnet; implicite, wie man in der Schulsprache sagt. – Nun aber, was folgt daraus? – Hat dieser nämliche Cyprian nicht bei eben der Gelegenheit, wo er dies implicte tat, explicite einen anderen Satz verteidigt, und der Kirche zugemutet, welchen die Kirche bereits explicite als ketzerisch verworfen hat?! –
Folgt nun gegen diesen Satz, welchen Cyprian ausdrücklich gegen die Erklärung des Papstes mit allem Aufwand von Beredsamkeit zu verteidigen suchte, nichts gegen dessen Falschheit, wie sollte aus demselben Cyprian und seiner Halsstarrigkeit gegen den Glaubensprimat der Nachfolger Petri selbst etwas folgen? Hat sich Cyprian in jenem Satz geirrt, den er explicite verteidigte, und für den wirklich ein Schein von Rechtgläubigkeit stritt, wie sollte derselbe Cyprian in dem, was man ihn dabei implicite leugnen lässt, und wofür gar kein Schein von Tradition und Rechtgläubigkeit vorlag, sich nicht ebenfalls haben irren können?!! –
Mit welcher Konsequenz und Logik, fragen wir, berufen sich unsere Gegner auf Cyprian, das päpstliche Lehransehen zu entkräften, das sich eben in dieser Angelegenheit so auffallend als unfehlbar in der Lehre betätigt hatte?! – Wir sehen gewiss weit richtiger in allem diesem nur einen glänzenden Beweis für die Glaubens-Prärogative des Papstes, als etwas, das dieselbe verdächtigen oder in Zweifel stellen könnte.
Ferner: Wenngleich wir nicht gesonnen sind, der Meinung so mancher Kanonisten und Theologen beizupflichten, welche, gestützt auf Äußerungen des hl. Augustinus, den ganzen Streit, was Cyprian betrifft, als eine Erfindung und Lüge der Donatisten erklären, welche die dahin gehörigen Briefe dem Cyprian nur unterschoben hätten; so dürfen doch unsere Gegner auch diesen Umstand nicht vergessen. –
Es fehlt der historische Nachweis, da Verfälschung der Briefe Cyprians durch die Donatisten
Denn, wenngleich die Beweisgründe, welche den Widerstand Cyprians als bloße Finte der Donatisten darzutun trachten, keineswegs so tüchtig sind, dass nicht das Gegenteil immer wahrscheinlicher bliebe, weshalb wir auch uns an selbes halten: so sind doch diese ihre Gegenstände von der Art, dass, – wohlgemerkt, – ein hl. Augustin selbst sich nicht recht pro oder contra auszusprechen wagt, sondern die Sache dahingestellt sein lässt; mithin fehlt jedenfalls die historische Evidenz, die wir billig bei Einwürfen verlangen gegen ein so voll historisch-begründetes Recht, wie die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens-Entscheidungen.
Jedenfalls sind die betreffenden Briefe Cyprians in dieser Angelegenheit nicht außer Zweifel von donatistischer Interpolation. (1) Wir fragen: Mit welchem Fug bedienen sich unsere Gegner derselben als unbezweifelbar, während sie die Äußerungen aus anderen, wirklich ganz außer Zweifel von Verfälschung gesetzten Briefen und Werken desselben Vaters nicht beachten?
(1) Dieser Verdacht liegt in der Tat sehr nahe, wenn man bedenkt, was den Werken eines Origenes und Hieronymus widerfuhr, und welche Verfälschungen zu jenen Zeiten des bloßen Abschreibens und der sehr verhinderten Mitteilung, sich einschleichen konnten. –
Fürwahr, wenn ein Photius es wagen konnte, ein Concilium zu erdichten, und als wirklich gehalten von der Stadt in die Provinzen zu versenden, – das doch niemals gehalten worden; – und wenn die Griechen überhaupt es wagen konnten, an die Acta der wirklich gehaltenen allgemeinen Konzilien Hand zu legen, was wird es uns Wunder nehmen, wenn die Donatisten Ähnliches bei Briefen eine einzelnen Mannes zu versuchen wagten, dessen Ansehen in ihrem Land groß und für sie sehr wichtig war? –
Die Widersetzlichkeit Cyprians gegen Papst Stephan war eine Sünde
Endlich, gestützt auf das Gegengewicht aller übrigen Zeugnisse der hl. Väter und der hl: Schrift selbst, fragt es sich ja nicht nur, wenn Cyprian so getan, wie die Gegner es wollen, ob er es so getan, – sondern wenn er es so getan, – mit welchem Recht er so getan? – und da können wir nicht anders, als trotz dem, was wir zur Rettung der Rechtgläubigkeit Cyprians billigerweise gesagt, dennoch unumwunden, dessen Benehmen gegen Stephan, wie es auch Augustin getan, tadeln, und mit Augustin dasselbe, wenn er so getan, eine Sünde nennen, welche er durch das Blut und die Sichel der Marter getilgt; wie derselbe hl. Augustin so schön und treffend in seinem Buch von der Taufe gegen die Donatisten sich äußert:
„Cyprian“, sagt Augustin, (I. 1. c. 8. de Bapt. contra Donatistas) „ist zur Marterpalme gelangt, auf dass durch den Glanz des Marterblutes die Nebel des Geistes, die in seinem Geist aus menschlicher Gebrechlichkeit aufstiegen, verscheucht würden.“ –
Nun aber, was sollte diese Sünde in dem Streit, von dem Augustin spricht, für eine gewesen sein, als sein Widerstand gegen den Papst? Denn, dass er eine Ansicht, die er auf apostolische Tradition gegründet hielt, verteidigte, war doch nicht Sünde! – mithin war es die Widersetzlichkeit, mit der dies gegen des Papstes Ansicht tat. Es gibt kein Drittes.
Cyprian hat seinen Fehler durch den Martertod und die Liebe getilgt
Wir entgegnen daher schließlich, was bereits Augustin denjenigen, welche das Ansehen Cyprians zum Vorwand ihrer Halsstarrigkeit gegen den apostolischen Stuhl missbrauchten, in seinem 48. Brief entgegnete:
„Entweder hat Cyprian durchaus nicht so gemeint, wie ihr ihn meinen lasset, oder er hat es alsdann verbessert durch die Regel der Wahrheit, – oder er hat diesen Fehler gedeckt durch die Fülle der Liebe; denn es steht geschrieben, die Liebe deckt die Menge der Sünden.“ Jene Liebe nämlich, in welcher Cyprian für Jesu und seine Kirche den Martertod gelitten.“ – (…)
Wie nichtig ist also der Einwurf, welchen unsere Gegner so gerne aus Cyprian gegen die Glaubens-Prärogative und das Ansehen des apostolischen Stuhles ziehen, und wie wichtig für uns, wenn wir sehen, wie elend und schwach die auch scheinbar stärksten Gegengründe sind, die man zur Bekämpfung der Glaubens-Prärogative der Nachfolger Petri als Oberhaupt und Lehrer der Kirche vorbringt. –
aus: F. X. Weninger SJ, Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche, 1869, S. 333 – S. 346
Bildquelle
- Cyprian_von_Karthago2: wikimedia