Die geheime Offenbarung des hl. Johannes – Kap. 13, 11-18
Das Malzeichen an Stirn oder rechter Hand tragen
11. Und ich sah ein anderes Tier aufsteigen aus der Erde (19): es hatte zwei Hörner gleich dem Lamme, redete aber wie der Drache. (20)
12. Es übte alle Gewalt des ersten Tieres vor seinen Augen (21), und machte, daß die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeteten, dessen tödliche Wunde heil geworden war. (22)
13. Und es tat große Zeichen, so daß es sogar Feuer vom Himmel auf die Erde fallen machte vor den Augen der Menschen. (23)
14. Und es verführte die Bewohner der Erde durch die Zeichen, welche ihm zu tun gegeben sind vor dem Tiere, und es sagte den Bewohnern der Erde, daß sie ein Bild dem Tiere machen sollten, das die Wunde vom Schwert hatte, und wieder auflebte. (24)
15. Und es ward ihm gegeben, dem Bilde des Tieres einen Geist zu geben, daß das Bild des Tieres redete (25), und zu machen, daß alle, die das Bild des Tieres nicht anbeteten, getötet würden.
16. Und es wird machen, daß Alle, Klein und Groß, Reich und Arm, Freie und Knechte ein Malzeichen auf ihrer rechten Hand oder an ihrer Stirn tragen (26),
17. und daß Niemand kaufen oder verkaufen kann, als der das Malzeichen hat, oder den Namen des Tieres, oder die Zahl seines Namens. (27)
18. Hier ist Weisheit. Wer Verstand hat, der berechne die Zahl des Tieres (28); denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist sechshundert sechs und sechzig. (29)
Anmerkungen:
(19) es kommt aus der Erde; denn seine Gesinnung ist durchaus irdisch und sinnlich.
(20) Es hatte eine Macht gleich dem Lamme, d. i. eine geistliche, redete aber Lästerungen, gottlose Lehre wie der Drache. Dieses Tier ist offenbar die dem heidnischen Reich zur Seite gehende geistliche Macht, welche das Heidentum zu schützen und zu befestigen suchte, die Lehre, der Trug und die ganze Wirksamkeit der Götzenpriesterschaft.
(21) d. h. es bediente sich der Gewalt des ersten Tieres unter dessen Zustimmung und Beifall. Das zweite Tier konnte in der Tat alle macht des ersten Tieres ausüben, da im römischen Teiche die oberste weltliche und geistliche Macht vereinigt war, und die römischen Kaiser zugleich die obersten Priester waren.
(22) Die Götzenpriester wirkten mit aller Macht dahin, die heidnische Herrschaft im Ansehen zu erhalten.
(23) Es wirkte scheinbare Wunder durch satanische Kräfte (s. 2. Thess. 2, 9). Daß die Götzenpriester größtenteils nur durch Trug und Blendwerke betörten, ist ohne Zweifel; daß aber nicht selten auch der Satan im Spiele war, und seine scheinwunder wirkte, läßt selbst die Schrift vermuten, da sie eine solche Wirksamkeit des Satans zugibt (2. Thess. 2, 9). So ist gewiß in des berüchtigten Apollonius Taten nicht alles Betrug. Das Feuer vom Himmel ist übrigens Anspielung auf 4. Kön. 1, 10, und ist damit im allgemeinen gesagt, daß der falsche Prophet Wunder tun wird, ähnlich denen des Elias. Da diese Erstaunen erregende Wirksamkeit des Satans besonders in der letzten Zeit unter dem Antichrist eintreten wird (2. Thess. 2, 9; Matth. 24, 24): so spielt auch hier das Wort der Weissagung in diese letzte Zeit hinüber.
(24) Daß sie Götzenbilder dem Tiere, d. i. nach seinem Wunsch und Befehl machen sollten.
(25) Die Götzenbilder des Tieres, die unter dem Schutz des Tieres standen, zu beleben. Nach des Philostratus Berichte, soll das Bild des Apollonius geredet haben: was durch Wirkung des Teufels wohl möglich war.
(26) Malzeichen haben ist bildlicher Ausdruck für: dem Heidentum einverleibt sein. Die Malzeichen wurden verschieden erteilt. Sklaven wurden zum Zeichen ihrer Hörigkeit an der Stirne, Soldaten an der Hand gezeichnet: darum stehen hier beide Weisen. Der Sinn ist: Das falsche Priester- und Prophetentum wird machen, daß Alles dem heidnischen Reiche, dem Heidentum huldige.
(27) Und daß Niemand frei und öffentlich wandeln darf, als wer sich zum Heidentum bekennt, den Namen eines römischen Heiden trägt, der auch durch eine Zahl ausgedrückt werden kann. Unter dem Tiere ist das erste Tier verstanden: denn wäre das zweite gemeint, würde es heißen: oder seinen Namen.
(28) Eben des ersten Tieres.
(29) Hier ist etwas zu erforschen. Wer Scharfsinn genug hat, der suche ein Wort, dessen Buchstaben die Summe einer Zahl geben, die Summe der Zahl eines Menschen, die Summe der Zahl 666. Die Alten gebrauchten ihre Buchstaben zugleich als Zahlzeichen. Demnach will der Apostel, daß man einen menschlichen Namen suche, dessen Buchstaben, wenn man sie in den Zahlenwert umsetzt, gerade die Summe 666 geben, so wird man dann den Namen des ersten Tieres haben. Diese geheimnisvolle Zahl wurde seit den ältesten Zeiten in verschiedenen Namen gesucht. Der heilige Kirchenvater Irenäus, der von dem heiligen Polycarp, einem Schüler des heiligen Johannes unterrichtet worden, hegt die Vermutung, daß unter der Zahl der Name „Lateinos“ verborgen liege. Die Buchstaben dieses Wortes enthalten wirklich diese Zahlsumme; denn L ist 30, A = 1, T = 300, E = 5, I = 10, N = 50, O = 70, S = 200, was zusammen 666 gibt. Nach dem Zusammenhang hat diese Deutung die größte Wahrscheinlichkeit, und so wäre unter dem Tiere das mächtige römische Reich (Latium, die Lateiner) bezeichnet, wie dieses auch unter den übrigen Bildern des Tieres kenntlich und deutlich genug hervortritt. Bemerke noch: In dieser Weissagung, welche vorzugsweise die nächste Zukunft betrifft, bilden zwei Tiere, die heidnische weltliche Macht und das heidnische Priestertum das Widerchristentum; in der letzten Zeit ist dieses in der Person des Antichrists vereinigt, der als weltlicher und geistlicher Tyrann zugleich auftreten wird (2. Thess. 2, 3ff.). Da unsere Weissagung überhaupt auch in die letzte Zeit hinüber spielt (Note 23), so hat der heilige Johannes mit der obigen Zahl wahrscheinlich auch den Namen dieses letzten Bösewichts ausdrücken wollen. Sollte sein Name etwa Apostates, der Abtrünnige sein, welcher Name ebenfalls die Zahl 666 ausdrückt? Mehrere Ausleger haben diese Zahl auch in seinen Vorläufern (2. Thess. 2, 3) gesucht, und wirklich läßt sich nicht leugnen, daß sie in dem Namen Julians des Abtrünnigen (C.F. JVLIANUS CAES. AVG.) und dem griech. Namen Mohammeds Maometis (Der Islam in der Endzeit nach der hl. Schrift) enthalten sei. –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 6. Bd. 1838, S. 469 – S. 470