Die Apokalypse des hl. Johannes – Kap. 13, 1-10

Herrschaft und Verdammung des Antichristen

1. Das Tier aus dem Meer ist der Antichrist, der von Daniel, dem Propheten, in einer Vision vorausgesagt wurde, die der des Johannes sehr ähnlich ist. (Daniel 7, 19-22) Unser bisheriges Studium der Apokalypse stellt sicher, daß das Tier nicht mit dem Römischen Reich identifiziert werden kann, wie viele Interpreten es getan haben. Andere, der Meinung des heiligen Augustinus (St. Augustin, „Stadt Gottes“ 20, 19) folgend, nehmen das Tier als ein Symbol aller Boshaften und Treulosen. Diese Interpretation ist in gewissem Maße wahr, da der Antichrist seine schändliche Arbeit nicht ohne Jünger und Anhänger vollbringen konnte. Daher kann das Tier genommen werden als eine Erweiterung, um das ganze Reich des Antichristen darzustellen. Dennoch ist es sicher, und in der Tat hält Suarez es als Glaubensartikel fest, daß der Antichrist ein bestimmtes Individuum ist. Die Worte des Paulus an die Thessalonicher lassen keinen Zweifel in dieser Angelegenheit. (2. Thess. 2, 3-9)
Es ist eine sehr allgemeine Meinung, daß der Antichrist sich selbst als Messias aufstellen wird. Diese Meinung scheint von den Worten unseres Erretters unterstützt zu werden: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmet mich nicht auf: wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommen wird, den werdet ihr aufnehmen.“ (Joh. 5, 43; siehe auch 1. Joh. 2, 18) Dieser Anspruch auf Messiasschaft wird es notwendig machen, dass er der jüdischen Rasse entspringt.
Das Kommen des Antichristen öffnet den entscheidenden Konflikt zwischen der Kirche und den Mächten der Hölle. Es wird die vollständige Verwirklichung der Prophezeiung der Genesis sein: „Ich will Feindschaften setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen.“ (Gen. 3, 15) Der Same der Schlange ist der Antichrist und seine Anhänger; der Same von Maria, der Frau, ist Jesus Christus und seine treuen Jünger.
Das Tier hat sieben Köpfe und zehn Hörner wie die des Drachen. Als Vertreter des Satans wird der Antichrist von den gleichen Königen und Herrschern unterstützt und begünstigt, die in beiden Fällen durch Hörner und Diademe symbolisiert werden. Der Antichrist wird in die Fußstapfen seines Meisters treten, indem er jede Form von Sünde und Irrtum anwendet, um die Gläubigen zu verführen. Daher ist jeder Kopf mit einem Namen versehen, der die Sünde oder den Fehler beschreibt, den er repräsentiert. Alle Häresien lästern, indem sie ein Dogma des Glaubens leugnen; so zum Beispiel leugnet der Atheismus die Existenz Gottes; der Arianismus weist die Göttlichkeit Christi zurück; der Mohammedanismus leugnet sowohl die Göttlichkeit Christi als auch die Dreifaltigkeit Gottes, während das Judentum sich weigert, unseren Herrn als Messias anzuerkennen.
2. Das Tier ähnelt einem Leoparden in der Grausamkeit. Die Füße eines Bären sind Symbole der Heimlichkeit, während der Mund eines Löwen ein Zeichen jener Stärke und Macht ist, die der Satan seinem Repräsentanten verleiht. Durch die Macht Satans vollbringt der Antichrist große Wunder, um die Menschen zu täuschen und sie dazu zu bringen, ihn als den wahren Messias anzunehmen. Der hl. Paulus sagt, daß das Kommen des Antichristen „gemäß dem Wirken Satans in aller Macht und Zeichen und Lügenwundern“ sein wird. (2. Thess. 9) Unser Herr warnt die Gläubigen auch in jenen Tagen vor falschen Wundern: „Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, und sie werden große Zeichen und Wunder tun, so daß auch die Auserwählten (wenn es möglich wäre) in Irrtum geführt würden. Siehe ich habe es euch vorher gesagt.“ (Matth. 24, 24. 25.)
3, 4. Der zum Tode verwundete, aber in wunderbarer Weise geheilte Kopf bedeutet, daß eine der Mächte, die die Sache des Antichristen unterstützen, in ihrem Konflikt mit der Kirche durch das Schwert überwunden wird. Aber zur Überraschung aller wird diese Macht schnell ihre Kräfte sammeln und dadurch viele zum Glauben an den Antichristen führen. Wie oben erwähnt, repräsentieren die Köpfe eher spirituelle als zeitliche Kräfte. Da die Drachenköpfe die Diademe des Königtums tragen, können sie vielleicht Kräfte symbolisieren, die sowohl das Geistige als auch das Zeitliche vereinen.
Jene, die den Antichristen wegen seiner „Lügenwunder“ anbeten, verehren dabei Satan, der ihnen die Macht gibt, sie zu vollbringen. Macht und materieller Wohlstand sind die Belohnungen für diejenigen, die ihm als dem Teufel dienen, wie er Christus auf dem Berg andeutet: „All diese (Königreiche) werde ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“ (Matth. 4, 9) Der Antichrist nimmt dieses berüchtigte Abkommen an und empfängt das Reich der Welt, – „Wer wird gegen ihn kämpfen können?“
5-8. Die Macht des Antichristen wird von kurzer Dauer sein (dreieinhalb Jahre), aber während dieser Zeit wird er Blasphemien gegen Gott und gegen das Allerheiligste Sakrament des Altares (den Tabernakel Gottes) ausgießen. Er wird auch diejenigen, die Gott und seiner Kirche treu bleiben, verleumden und verteufeln. Er wird die Macht erhalten, Krieg gegen die Kirche zu führen und sie für einige Zeit zu überwinden. Er wird über viele Nationen herrschen, und viele Völker werden ihn anbeten: Sein Königreich wird die Ähnlichkeit der Katholizität oder Universalität haben. Dies ist die große Revolte der Nationen, die Paulus vorausgesagt hat (2. Thess. 2, 3), aber es wird nicht wirklich universal sein; wenigstens eine Nation wird der Kirche in jenen Tagen treu bleiben, und die Auserwählten, deren Namen im Buch des Lebens geschrieben sind, werden den Antichristen nicht anbeten.
9, 10. Diese beiden Verse enthalten tröstende Versprechen an die Gläubigen, aber schreckliche Warnungen für die Bösen; daher die feierliche Ermahnung: „Wenn jemand ein Ohr hat, so soll er es hören.“ Der Antichrist und seine Anhänger, zuerst siegreich, werden bald überwunden und vernichtet werden. Wie sie es an andere getan haben, soll es an ihnen gemessen werden. (Matth. 7, 2) Diejenigen, die die Gläubigen in die Gefangenschaft geführt und sie getötet haben, werden selbst gefangen genommen und zum Schwert geführt. Daher müssen die Gläubigen in Geduld mit voller Zuversicht des Sieges leiden. –
aus: Rev. E. Sylvester Berry, Die Apokalypse des heiligen Johannes [The Apocalypse of St. John, Columbus, OH: John W. Winterich, 1921], S. 130-134; mit Imprimatur; eigene Übersetzung