Dogmatik

Das Verhältnis des göttlichen Wollens zum Übel

Kann Gott das Übel wollen?

a) Das physische Übel

Das physische Übel, z. B. Leiden, Krankheit, Tod will Gott nicht per se, d. h. nicht um des Übels willen oder als Zweck. Weish. 1, 13f: „Gott hat den Tod nicht geschaffen und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Denn alle Dinge hat er zum Seine erschaffen.“
Gott will aber das physische Übel, sowohl das Naturübel als auf das Strafübel, per accidens, d. h. als Mittel zu einem höheren Zweck der physischen Ordnung (z. B. zur Erhaltung eines höheren Lebens) oder der sittlichen Ordnung (z. B. zur Strafe oder zur sittlichen Läuterung). Sir. 11, 14: „Glück und Unglück, Leben und Tod, Armut und Reichtum sind von Jahwe.“ Vgl. Sir. 29, 35f; Am. 3, 6.

b) das moralische Übel

Das moralische Übel, d. h. die Sünde, die ihrem Wesen nach eine Negation Gottes ist, will Gott weder per se noch per accidens, d. h. weder als Zweck noch als Mittel zum Zweck. Das Konzil von Trient hat die gegenteilige Lehre Calvins als häretisch verurteilt. D 816. Ps. 5, 5: „Fürwahr, du bist nicht ein Gott, dem Frevel gefällt.“ Gott läßt die Sünde nur zu (permissive solum; D 816), weil der auf die Freiheit des Menschen Rücksicht nimmt (Sir. 15, 14ff) und weil er die Weisheit und Macht besitzt, auch aus dem Bösen Gutes hervorgehen zu lassen. Gn. 50, 20: „Ihr hattet Böses gegen mich im Sinn, aber Gott hat es zum Guten gelenkt.“ Vgl. Augustinus, Enchiridion 11. Letzten Endes muss auch das moralische Übel dem höchsten Weltzweck, der Verherrlichung Gottes, dienen, indem es entweder seine Barmherzigkeit offenbart im Verzeihen oder seine Gerechtigkeit im Strafen.

Wenn die hl. Schrift sagt, dass Gott den Menschen im Bösen verhärtet (Ex. 4, 21; Röm. 9, 18), so will sie ihn nicht als eigentlichen Urheber der Sünde hinstellen. Die Verhärtung ist eine Strafe, die in der Entziehung von Gnaden besteht. Vgl. Augustinus, In Ioan. tr. 53, 6: „So verblendet, so verhärtet Gott, dass er verläßt und nicht hilft“ (deserendo et non adiuvando). –
aus: Ludwig Ott, Grundriss der katholischen Dogmatik, 1954, S. 54

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