F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube
Zweites Hauptstück
Erster Abschnitt – 5. Merkmal der Kirche Unfehlbarkeit
Die katholische Kirche ist, wie wir es aus ihren Merkmalen soeben nachgewiesen, die wahre göttliche Kirche Christi, somit ist dieselbe auch unfehlbar.
Kein logischer Geist kann diese Folgerung zurückweisen. Die Unfehlbarkeit der Kirche ist eine notwendige Eigenschaft derselben, als der von Christus selbst bestellten Lehrerin des Menschengeschlechtes in Dingen des Heiles. Dieselbe ist überdies durch die ausdrücklichen Verheißungen Jesu Christi und durch die Handlungsweise der ersten Kirche bestätigt.
Unfehlbarkeit ist eine notwendige Eigenschaft der Kirche Christi
Ich sage erstlich, sie ist eine notwendige Eigenschaft der Kirche Christi, als der von ihm gesetzten Lehrerin der Menschheit in Dingen des Heiles. Von der einen Seite die Kirche als solche Lehrerin in Dingen des Glaubens anerkennen und von der anderen Seite ihre Unfehlbarkeit leugnen, das hieße so viel als die Wahrhaftigkeit und Weisheit Gottes selbst in Zweifel ziehen.
Christus befahl seiner Kirche ausdrücklich, alle Völker der Erde bis an das Ende der Zeiten zu lehren. Er befahl anderseits ebenso bestimmt, dieselbe zu hören, als redete Er uns selbst durch sie an. Annehmen, dass die so bestellte Kirche Irrtum lehren könne, hieße behaupten, dass Christus die Kirche nicht zu ihrem Lehrberuf befähigt und sie aufgefordert habe in seinem Namen zu lehren, selbst wenn es Irrtum wäre, und dass er von den Gläubigen verlangte, den Irrtum zu glauben, wenn die Kirche denselben lehrt. Doch so etwas behaupten heißt offenbar lästern.
Die Unfehlbarkeit ist bekräftigt durch die Verheißungen Christi
Zweitens ist die Unfehlbarkeit der Kirche Christi auch bekräftigt durch die ausdrücklichen Verheißungen Christi.
Er versicherte, dass Er seine Kirche auf einen Felsen bauen wolle, und dass die Pforten der Hölle sie nie überwältigen werden. Er versichert, dass Er die Oberleitung dieser seiner Kirche dem Petrus übergeben, für dessen Glauben er gebeten habe, dass er nie wanke. (Luk. 22, 32) Er redet alle seine Apostel mit der Versicherung an: „Wie mich der Vater gesendet hat, so sende ich euch. Darum geht und predigt allen Völkern und lehrt sie alles halten, was ich zu halten befohlen. Seht ich bleibe bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ „Wer euch hört, der hört mich.“ (Luk. 10, 16)
„Und wenn der Tröster, der heilige Geist kommen wird, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alle Dinge lehren und in Erinnerung bringen, was ich euch immer gesagt.“ „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, den heiligen Geist, dass er bei euch bleibe für immer.“ (Joh. 14, 16; 26, 15; 26, 16, 13ff.)
In Kraft dieser feierlichen Verheißungen Christi erleuchtet der heilige Geist die Kirche Christi und leitet sie in zweifacher Beziehung. Erstlich, indem Er sie alles lehrt, was zum Heil nötig ist, und zweitens, indem er ihr in Erinnerung bringt, was Christus selbst auf Erden diesfalls gelehrt hat, und dies für immer. –
Die Kirche hat in dem heiligen Geist einen unfehlbaren Lehrer
Die Kirche hat somit in Gott dem heiligen Geist, der da ist die ewige Wahrheit, einen unfehlbaren Lehrer und Leiter. Darum, wenn wir ihrer Lehre folgen, folgen wir der Stimme Gottes selbst und seinem Wort. Hingegen, wer sie nicht hört, der weicht vom Wege des Heiles ab, so wie jeder Heide. Das erklärt Christus selbst. (Matth. 18, 17)
Ich frage euch nun, wer immer an Christus glaubt und diese so bestimmten und oft wiederholten Verheißungen und Versicherungen Christi ernstlich erwägt, kann er daraus etwas anderes schließen, als dass die wahre Kirche Christi sich in ihrer Lehre nicht irren könne?
Das Gegenteil behaupten heißt die Wahrheit der Verheißungen Christi und somit Christum selbst leugnen.
Was es bedeutet, wenn die Kirche fehlbar wäre
Kein Zweifel, wenn die Kirche Christi sich in Dingen des Glaubens irren kann, dann hat sie Christus nicht auf einen Felsen, sondern auf Sand gebaut; dann konnten die Pforten der Hölle sie überwältigen und haben sie auch schon lange und oft überwältigt; dann war Christus nicht Gott und unfehlbarer Lehrer, sondern ein Betrüger und Lügner; dann war der heilige Geist nicht immer mit der Kirche Christi; dann hört der, der sie hört, nicht immer Gott, sondern den Geist des Irrtums; dann ist zeitweise derjenige, der nicht auf sie hört, wenn sie Irrtum lehrt, nicht wie ein Heide, sondern weiser wie der, der glaubt.
Das alles aber ist für jeden, der wirklich an Christus als den Sohn Gottes glaubt, Widerspruch und Lästerung.
Die Unfehlbarkeit ist geltend gemacht durch die Leitung der Apostel
Die Unfehlbarkeit der Kirche Christi ist drittens außer allen Zweifel gesetzt, durch die Art und Weise selbst, wie die erste Kirche, unter der unmittelbaren Leitung der Apostel und ihrer ersten Nachfolger, dieses ihr Lehransehen geltend gemacht.
Sogleich nach der Sendung des heiligen Geistes traten sie als die von Gott gesendeten und unwidersprechbar ermächtigten Lehrer der Völker auf, und erließen die Entscheidung des ersten Concilium zu Jerusalem mit diesen bezeichnenden und denkwürden Worten: „Es hat uns und dem heiligen Geist gefallen“ dieses zu verordnen. (Apostelgesch. 15) Sie erklären somit ihre Entscheidung als die des heiligen Geistes selbst.
Dabei ist wohl zu bemerken, dass die Apostel zu demselben Zweck der unverfälschten Verkündigung des heiligen Evangeliums sich Nachfolger und Mitarbeiter durch eine eigene Weihe bestellten, gerade so wie sie an die Stelle des abtrünnigen Judas einen anderen, nämlich Matthias, zum Apostel bestellten. (Apostelgesch. 1, 15ff.) Sie wiesen mit der größten Entschiedenheit diejenigen zurück, die sich ohne ihre Sendung in das Lehramt einzudrängen wagten.
Die Kirche ist apostolisch und unveränderlich
Die Lehre der Kirche sollte für alle Folge der Zeiten apostolisch sein und bleiben. Sie sprechen den Fluch über jeden aus, der es wagen sollte, ein anderes Wort zu predigen, als was sie selbst der Kirche verkündigten. „Und wenn ein Engel vom Himmel käme und predigte euch ein anderes Evangelium als das, was ihr von mir gehört, der sei verflucht.“ (Gal. 1, 8) Ist aber die Kirche nicht durch alle Zeiten unfehlbar, wie könnte sie, wie könnten wir selbst wissen, ob sie die Lehre der Apostel predige oder nicht?
Die Kirche sollte, was die Glaubenslehre betrifft, eine und dieselbe Kirche Christi bleiben, wie sie einst war, unveränderlich. Wollt ihr behaupten, dass die Lehre der Kirche, unter der Leitung der Apostel selbst, schon fehlbar gewesen? Ich zweifle. War sie aber damals unfehlbar, so ist sie es auch heute noch, weil Christus seine Kirche nicht für die Apostel, sondern für das Heil der ganzen Menschheit bis an das Ende der Zeiten gründete.
Jede Gewalt, die Christus zum Wohl der Kirche seinen Aposteln erteilt, geht, da diese nicht unsterblich geworden, notwendig nach Christi Anordnung auf ihre Nachfolger über. Bei jeder wohlgeordneten Gesellschaft ist ja die Amtsgewalt nicht sowohl an die Person als an das Amt geknüpft, wer immer dasselbe verwaltet.
Gott der Vater sandte zum Heil der Menschen seinen eingeborenen Sohn in die Welt, damit er die Kirche gründete; und der Sohn Gottes, Christus, sandte seine Apostel zur Verbreitung und Erhaltung derselben mit derselben Gewalt in die Welt, die Er selbst vom Vater erhielt. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ (Joh. 20, 21) „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf – wer euch hört, hört mich.“
Was kann bestimmter und deutlicher gesagt werden? Und so sollte es durch Ihn bleiben bis an das Ende der Welt: „Siehe, ich bleibe bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt“, so versichert Christus hochfeierlich. Somit gilt von seiner Kirche dasselbe Wort, was der hl. Paulus von Christus ausgesprochen, nämlich: „Christus (und so auch seine Kirche) gestern, heute und in Ewigkeit derselbe.“
Der amerikanische Konvertit Dr. Brownson (1803-1876) über die katholische Kirche
Dr. Brownson drückt sich in seiner Abhandlung über die Verfassung und den organischen Charakter der Kirche, zur Bekräftigung des soeben Gesagten, ebenso bündig als meisterhaft aus. Er sagt:
Die „katholische Kirche, als ein Leib und wohl gegliedertes Ganzes betrachtet, in welchem Sinn allein nur von einem Lehransehen derselben die Rede sein kann, ist keine bloße Verbindung von gewissen Individuen, die gerade zu irgendeiner bestimmten Zeit in der Kirche leben, aber bald wieder dahinschwinden, sondern sie ist auch heute und für immer dieselbe, gewissermaßen Christus und seinen Aposteln gleichzeitige Kirche. Sie ist in dieser Beziehung unsterblich, weiß von keiner Unterbrechung und von keinem Vergehen der Jahre. Sie hat in dieser Beziehung wie Gott, Ihr Stifter, Bestand, aber kein Nacheinander. Sie kann nicht altern und vorübergehen.
Die einzelnen Personen, welche derselben angehören, wechseln und gehen vorüber, sie selbst nicht; sie bleibt durchweg dieselbe. Sie ist heute dieselbe Kirche, die sie gewesen, als der Sohn Gottes, ihr Stifter, im Fleisch sichtbar auf Erden wandelte.
Sie, die wir unsere Mutter heute nennen, sie sah Ihn, hörte sein Wort, sah die Wunder, die er vor achtzehnhundert Jahren in Judäa gewirkt. Sie hörte die Predigt der Apostel am Pfingstsonntag, als der heilige Geist über dieselben in Gestalt feuriger Zungen herabkam. Sie hörte, wie Petrus erklärte, dass der heilige Geist über Cornelius kam, und dass der Herr keinen Unterschied zwischen Personen mache, sondern dass auch die Heiden berechtigt seien, Gottes Wort zu hören. Sie vernahm mit Entzücken des Herzens die trostvolle Mahnung des Jüngers, den Jesus liebte: „Kinder, liebet einander.“
Sie sah den alten Tempel fallen und den alten Bund aufgelöst und sah das einst auserwählte Volk vertrieben aus dem heiligen Land und über die Erde hin zerstreut. Sie sah das heidnische Rom in seiner Macht und Herrlichkeit; Sie blutete unter dem Schwert seiner Verfolgung und pflanzte endlich doch das Kreuz im Triumph auf dessen Ruinen. Sie ist die Zeitgenossin von achtzehnhundert Jahren, die sie gleichsam für uns gebunden und als noch bestehend uns, ihren Kindern, vor Augen stellt.
Mit der einen Hand empfängt sie die Hinterlage des Glaubens durch Christus und seine Apostel – mit der anderen teilt sie uns dieselbe mit. Was sie dazu braucht, ist eben unfehlbare Gewissheit, göttlichen Schutz und Beistand, dass sie nichts vergesse, nichts missverstehe noch entstelle; und den besitzt sie, weil Christus mit ihr ist, und der heilige Geist, der sie in alle Wahrheit einführt und an alles erinnert, was Christus in eigener Person und durch seine Apostel einst zu ihr gesprochen, so dass sie durch seinen Beistand stets es klar erkennt und bestimmt und entschieden bekennt, worüber der Herr sie einst belehrte.“
Die Unfehlbarkeit bezieht sich auf göttlich geoffenbarte Heilslehre
Es folgt hieraus zugleich, dass sich die Unfehlbarkeit der Kirche durchaus nicht, wie so manche Protestanten meinen, auf alle Wissenschaften, ja wohl selbst auf Politik beziehe. Nein, dieselbe bezieht sich einzig und allein auf die göttlich geoffenbarte Heilslehre, und was deren Sicherstellung und Erhaltung als solche betrifft. Und selbst in dieser Beziehung verlangt sie nur dann unsere unbedingte Unterwerfung, wenn sie durch feierliche Entscheidung uns etwas als göttlich geoffenbart zu glauben vorstellt. Dies zu fordern ist aber auch durchweg berechtigt, wie wir das soeben nachgewiesen haben.
Ich bemerke schließlich nur noch, wie sehr auch in dieser Beziehung die Praxis der Lehre der Andersgläubigen widerspricht. Was solche immer für eine Autorität annehmen, sei es die heilige Schrift, sei es der eigene Geist oder die Privatinspiration oder was immer, so erkennen sie doch praktisch die Unfehlbarkeit dieser Autorität an, wenn selbe anders als Richtschnur des Glaubens für sie Wert haben und ausreichen soll. Ist es nicht sehr überraschend, dass Andersgläubige diesen Widerspruch gewöhnlich gar nicht zu ahnen scheinen und gegen die Unfehlbarkeit der Kirche atemlos deklamieren und doch dabei selbst irgendeiner anderen grundlos angenommenen Unfehlbarkeit huldigen? –
aus: Franz Xaver Weninger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 97 – S. 103
Folgebeitrag: Die Unhaltbarkeit des protestantischen Glaubensprinzips
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- F. X. Weniger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube – Inhaltsangabe des Buches
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