Papst Pius XII. sitzt in seinen päpstlichen Gewändern auf seinem Papststuhl, über ihm das päpstliche Wappen, die Hände hat er auf den Beinen liegen, er hat die Augen geschlossen.

Lehrschreiben der Päpste

Pius XII. Mediator Dei Altertumssucht in der Liturgie

261. Gleich zu beurteilen sind die Versuche und Bestrebungen, alle möglichen alten Riten und Zeremonien wieder in Gebrauch zu bringen. Ganz gewiß, die Liturgie der alten Zeit ist zweifelsohne verehrungswürdig. Aber ein alter Brauch ist nicht allein schon deshalb, weil er Altertum ausstrahlt, in sich oder für spätere Zeiten und neue Verhältnisse als geeigneter und besser zu betrachten. Auch die neueren liturgischen Riten sind ehrfürchtiger Beobachtung würdig, weil sie unter Eingebung des Heiligen Geistes entstanden sind, der immerdar der Kirche beisteht bis zur Vollendung der Zeiten (vgl. Matth. 28, 20); und auch sie sind gleich berechtigte Werte, mit deren Hilfe die ruhmreiche Braut Christi die Menschen zur Heiligkeit anspornt und zur Vollkommenheit führt.
Mit Geist und Herz zu den Quellen der heiligen Liturgie zurückzukehren, ist sicher weise und sehr lobenswert, da das Studium dieses Wissenszweiges durch Zurückgreifen auf dessen Anfänge nicht wenig dazu beiträgt, die Bedeutung der Feste und den Sinn der verwendeten heiligen Texte und Zeremonien tiefer und genauer zu erforschen; dagegen ist es nicht weise und nicht lobenswert, alles um jeden Preis auf das Altertum zurückzuführen. So würde z. B. vom rechten Weg abweichen, wer dem Altar die alte Form der Mensa, des Tisches, wiedergeben wollte; wer die liturgischen Gewänder nie in Schwarz haben wollte; wer die Heiligenbilder und Statuen aus den Kirchen entfernen wollte; wer die Nachbildung des gekreuzigten Erlösers so machen ließ, daß sein Leib die bitteren Qualen, die er erduldete, nicht zum Ausdruck brächte; wer endlich den polyphonen (mehrstimmigen) Gesang mißbilligte oder ablehnte, auch wenn er den vom Heiligen Stuhl gegebenen Weisungen entspräche.

262. Denn wie kein vernünftiger Katholik in der Absicht, zu den alten, von den früheren Konzilien gebrauchten Formeln zurück zu kehren, die Fassungen der christlichen Lehre ablehnen kann, welche die Kirche unter der Leitung des Heiligen Geistes in der neueren Zeit zum größten Nutzen der Seelen vorgelegt und als verbindlich erklärt hat, oder wie kein vernünftiger Katholik die geltenden Gesetze ablehnen kann, um zu den aus den ältesten Quellen des kanonischen Rechtes geschöpften Bestimmungen zurück zu greifen, so ist gleichermaßen, wenn es sich um die heilige Liturgie handelt, offensichtlich von keinem weisen und gesunden Eifer getrieben, wer zu den alten Riten und Bräuchen zurückkehren und die neuen ablehnen wollte, die doch unter dem Walten der göttlichen Vorsehung mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse eingeführt worden sind.

263. Diese Denk- und Handlungsweise läßt jene übertriebene und ungesunde Altertumssucht wiederaufleben, der die unrechtmäßige Synode von Pistoia Auftrieb gegeben hat, und ebenso trachtet sie, die vielfachen Irrtümer wieder auf den Plan zu rufen, welche die Ursache zur Einberufung jener Synode waren und zum großen Schaden der Seelen sich aus ihr ergaben, und welche die Kirche, die immer treue Hüterin des ihr von ihrem Stifter anvertrauten Glaubensgutes, mit vollem Recht verworfen hat. Denn solch verkehrtes Beginnen geht nur darauf aus, die heiligmachende Tätigkeit zu beeinträchtigen und zu schwächen, durch welche die Liturgie Gottes Gnadenkinder auf dem Wege des Heils dem himmlischen Vater zuführt.

279. Es gibt nämlich Leute, ehrwürdige Brüder, die heute bereits verurteilte Irrtümer streifen (vgl. Konzil von trient, Sess. XXII, c. 4. Denzinger Nr. 960), indem sie lehren, im Neuen Testament gebe es nur jenes Priestertum, das sich auf alle Getauften erstrecke; jenes Gebot ferner, womit Jesus Christus beim letzten Abendmahl den Aposteln das zu tun auftrug, was er selbst getan hatte, gehe unmittelbar die gesamte Kirche der Gläubigen an; erst daraus sei dann in der Folge das hierarchische Priestertum entstanden. Somit behaupten sie, das Volk besitze wahre priesterliche Gewalt, der Priester dagegen handle nur kraft des von der Gemeinschaft erhaltenen Auftrages. Daher halten sie das eucharistische Opfer für ein wahres „Mitzelebrieren“ (Conzelebration) und meinen, es sei besser, wenn die Priester zusammen mit dem anwesenden Volk „mitzelebrieren“, als daß sie in Abwesenheit des Volkes das Opfer privat darbringen.

287. Manche verwerfen nämlich kurzerhand die heiligen Messen, die privat und ohne Anwesenheit des Volkes gelesen werden, als ob sie von der ursprünglichen Opferpraxis abwichen. Es fehlt auch nicht an Leuten, die behaupten, es dürften nicht Priester gleichzeitig an mehreren Altären das heilige Opfer feiern, weil sie damit die Gemeinschaft lockerten und deren Einheit in Gefahr brächten. Man stellt sogar die überspitzte Behauptung auf, das Volk müsse das Opfer bestätigen und genehmigen, um ihm Geltung und Wirksamkeit zu verleihen.

288 Zu Unrecht beruft man sich dabei auf den sozialen Charakter des eucharistischen Opfers. Sooft nämlich der Priester das erneuert, was der göttliche Erlöser beim letzten Mahl tat, wird in Wahrheit das heilige Opfer vollzogen; dieses Opfer hat aber immer und überall und zwar notwendiger Weise und vermöge seines Wesens einen öffentlichen und sozialen Charakter; denn derjenige, der es darbringt, handelt im Namen Christi und der Gläubigen, deren Haupt der göttliche Erlöser ist, und er bringt es Gott für die heilige katholische Kirche sowie für die Lebenden und die Verstorbenen. (Römisches Missale, Canon) Das geschieht aber zweifellos, ob nun Gläubige anwesend – und Wir wünschen und empfehlen, dass sie in großer Zahl und Andacht beiwohnen -, oder ob keine da sind; denn es ist keineswegs erforderlich, dass das Volk bestätige, was der Diener des Heiligtums vollzieht. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 151-179