Autorität der päpstlichen Ansprachen

Lehramt der Kirche

Zur Frage der Autorität der päpstlichen Ansprachen

Mit dem Aufkommen neuer Kommunikationsmittel wie das Radio begann Pius XII., Radioansprachen zu halten. Es war seitdem die Frage aktuell, ob die Radioansprachen wie die Allokutionen Teil des päpstlichen Lehramtes sind. Bezüglich der Allokutionen haben wir die Bedeutung von diesen bereits bei Monsignore Joseph Clifford Fenton kennengelernt.

Msgr. Fenton hatte bereits die lehrmäßigen Aussagen von Allokutionen bei Pius XII. deutlich gemacht. Pius XII. hat sie als wichtiges Instrument des ordentlichen Lehramtes gesehen.

So hielt er im Jahr 1951 eine Ansprache an italienische Hebammen, in der er die Wahrheit der Begierdetaufe erklärte:

„Aber dennoch ist der Gnadenstand im Augenblick des Todes absolut notwendig für die Erlösung. Ohne ihn ist es nicht möglich, das übernatürliche Glück, die selige Anschauung Gottes, zu erlangen. Für einen Erwachsenen kann ein Akt der Liebe genügen, um die heiligmachende Gnade zu erlangen und das Fehlen der Taufe auszugleichen; für ein ungeborenes Kind oder einen Neugeborenen ist dieser Weg nicht offen.“

(Quelle: introibiadaltaredei2: Die Autorität der päpstlichen Ansprachen)

Der Gebrauch von Allokationen durch Papst Pius XII.

Papst Pius XII. sitzt in seinen päpstlichen Gewändern auf seinem Papststuhl, über ihm das päpstliche Wappen, die Hände hat er auf den Beinen liegen, er hat die Augen geschlossen.

Während seiner Amtszeit (1939 bis 1958) verkündete Pius XII. (abgesehen von Heiligsprechungen) ex cathedra das Dogma der Aufnahme der allerseligsten Jungfrau Maria mit Leib und Seele in den Himmel, Munificentissimus Deus. Die meisten Theologen halten Sacramentum Ordinis von 1947 für unfehlbar, da es den genauen Inhalt und die Form aller drei Weihegrade festlegte und die Katholiken in dieser Frage für immer bindet.

Welchen lehrmäßigen Wert haben nicht unfehlbare Dekrete, wenn das ordentliche Lehramt eine Erklärung abgibt? Hier ist ein wichtiges Zitat aus der Enzyklika Humani Generis (1950):

„Ebenso wenig darf man annehmen, was in den Enzykliken vorgelegt werde, fordere an sich keine Zustimmung, da die Päpste in diesen Schreiben nicht die höchste Gewalt ihres Lehramtes ausüben. Sie sind nämlich Verlautbarungen des ordentlichen Lehramtes, von dem das bekannte Wort ebenfalls gilt: „Wer euch hört, der hört mich“ (Luk. 10, 16); sehr häufig gehört das, was die Enzykliken lehren und einschärfen, schon anderweitig zum katholischen Lehrgut. Wenn aber die Päpste in ihren Akten über eine bislang umstrittene Frage ein ausdrückliches Urteil fällen, dann ist es für alle klar, daß diese nach der Absicht und dem Willen derselben Päpste nicht mehr als der freien Erörterung der Theologen unterliegen kann.“

(Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, S. 263)

Kommentar des Theologen Cotter

In seiner Abhandlung „Authentische Lehre des Lehramtes“ lehrt der Theologe Cotter:

„Der Papst [Pius XII.] zweifelt nicht daran, daß die katholischen Theologen, die er in der Enzyklika [Humani Generis] im Blick hat, bereit sind, sich an die endgültigen Entscheidungen des Lehramtes zu halten, die solemni iudicio überliefert sind. Sie sind weder Häretiker noch Schismatiker. Aber er beklagt, daß sie päpstliche Verlautbarungen ignorieren, die ihnen mit weniger Autorität übermittelt werden, wie etwa Enzykliken. Wenn sich angesehene Theologen in der Vergangenheit uneinig waren, gehen sie davon aus, daß nichts weniger als eine feierliche Definition die Angelegenheit klären kann; und solange eine solche nicht vorliegt, wird davon ausgegangen, daß es jedem freisteht, päpstliche Dokumente gemäß seiner eigenen Interpretation der Tradition auszulegen.

In seiner Antwort erinnert der Papst daran, daß Enzykliken oft nicht nur Dogmen enthalten, sondern auch die Absicht haben können, bisher strittige Punkte zu regeln, und daß solche Entscheidungen von sich aus eine positive Zustimmung der Gläubigen, einschließlich der Theologen, verlangen. Mit ihrem Erlass üben die Päpste das so genannte ordentliche oder authentische Lehramt aus, von dem man mit Recht sagen kann: „Wer euch hört, der hört Mich.“

(Zitiert in Contemporary Moral Theology, [1962], 1:24-26). (Zitiert in „Die Autorität der päpstlichen Verlautbarungen“, siebe oben)

Auch die Radioansprachen sind in diesem Sinne zu interpretieren

Der Theologe Cotter stellt also fest, daß sich die päpstliche Erklärung zwar in erster Linie auf Enzykliken bezieht, aber nicht auf diese beschränkt ist. Der gesamte Bereich dessen, was man das „ordentliche Lehramt“ des Papstes nennt, ist damit abgedeckt. Dazu gehören auch die päpstlichen Radiobotschaften und Allokutionen. Diese spielen insbesondere eine herausragende Rolle in der päpstlichen Lehre unter Papst Pius XII., so daß sie besondere Aufmerksamkeit verdienen. Papst Pius XII. selbst hat auffallend deutlich gemacht, daß seine Ansprachen, selbst wenn sie vor kleinen Gruppen gehalten werden, eine maßgebliche Lehre für die ganze Kirche enthalten können.

In seiner Radiobotschaft über die Erziehung des christlichen Gewissens sagte Papst Pius XII:

„Eingedenk des Rechts und der Pflicht des Apostolischen Stuhles, in sittlichen Fragen autoritativ einzugreifen, wenn es sich als notwendig erweist, haben wir uns in der Ansprache vom 29. Oktober letzten Jahres bemüht, das Gewissen der Menschen über die Probleme des Ehelebens aufzuklären. Mit derselben Autorität erklären wir heute den Erziehern und auch den Jugendlichen, daß das göttliche Gebot der Reinheit von Seele und Leib auch für die Jugend von heute ohne jede geringere Verpflichtung gilt.“

Nach Ansicht des Theologen Hurth (Konsultor der Obersten Heiligen Kongregation des Heiligen Offiziums und überzeugter Antimodernist) haben päpstliche Radioansprachen und Allokationen denselben lehrhaften Wert wie Enzykliken. Damit sind sie ein integraler Bestandteil der ordentlichen Lehre des Papstes. Daraus folgt, daß sie als solche, wenn auch nicht unfehlbar trotzdem volle Akzeptanz der Gläubigen erfordern.

Katholiken müssen auch nicht unfehlbaren Lehren zustimmen

Hier ist, was die Päpste selbst gelehrt haben:

Papst Leo XIII:

„Bei der Festlegung der Grenzen des Gehorsams, der den Seelenhirten, vor allem aber der Autorität des Papstes geschuldet ist, darf nicht angenommen werden, daß er nur in Bezug auf die Dogmen zu leisten ist, deren hartnäckige Leugnung nicht vom Verbrechen der Häresie getrennt werden kann. Nein, es genügt auch nicht, aufrichtig und fest den Lehren zuzustimmen, die zwar nicht durch eine feierliche Erklärung der Kirche definiert sind, die aber von ihr als göttlich geoffenbart in ihrer gemeinsamen und allgemeinen Lehre zum Glauben vorgeschlagen werden und von denen das [1870] Vatikanische Konzil erklärt hat, daß sie „mit katholischem und göttlichem Glauben“ zu glauben sind. Aber auch dies muss zu den Pflichten der Christen gerechnet werden, daß sie sich von der Autorität und Leitung der Bischöfe und vor allem des Apostolischen Stuhls leiten und leiten lassen.“ (Quelle: Sapientiae Christianae, Abs. 881).

Papst Pius IX:

„Unmöglich können Wir die Unverschämtheit jener übergehen, welche die gesunde Lehre nicht ertragen und deshalb behaupten ‚man könne ohne Sünde, ohne den christlichen Glauben zu verletzen, jene Entscheide und Verfügungen des Apostolischen Stuhles, von denen erklärt wird, daß sie sich auf das Gemeinwohl der Kirche, ihre rechte und ihre Ordnung beziehen, Billigung und Gehorsam verweigern, sofern nur nicht Lehrsätze der Glaubens- und Sittenlehre berührt werden.‘ Jedermann muss doch sehen, daß dies dem katholischen Lehrsatz völlig widerspricht, nach dem der Römische Papst von Christus selbst, Unserem Herrn, die volle Macht erhalten hat, die gesamte Kirche zu weiden, zu leiten und zu verwalten.“ (Quelle: Quanta Cura, Abs. 5).

Papst Pius XI:

„Daher sollen sich die Christgläubigen (…) hüten, zu sehr ihrem eigenen Urteil zu trauen und sich von der falschen Freiheit der menschlichen Vernunft oder der „Autonomie“, wie man sie nennt, verführen zu lassen. Denn es paßt ganz und gar nicht zu einem wahren Christen, seinem eigenen Urteil so stolz zu vertrauen, daß er nur dem, was er selbst durch Einsicht in die inneren Gründe erkannt hat, seine Zustimmung geben wollte, die Kirche aber, die von Gott zur Unterweisung und Leitung aller Völker bestellt wurde, als rückständig in Bezug auf die moderne Welt ihre Probleme ansehen oder auch nur dem zustimmen und sich unterordnen wollte, was sie durch die genannten feierlichen Entscheidungen befiehlt. Gerade, als ob ihre anderen Entscheidungen zunächst einmal als falsch angenommen werden könnten oder als ob sie nicht hinreichende Gewähr für ihre Wahrheit und Sittengemäßheit böten. Es ist, im Gegenteil, allen wahren Jüngern Christi, ob gebildeten oder ungebildeten, eigen, in allen Belangen des Glaubens und der Sitten sich von der heiligen Kirche Gottes leiten und führen zu lassen, durch ihren obersten Hirten, den Römischen Papst, der seinerseits von Jesus Christus, Unserem Herrn, geleitet wird.“ (Quelle: Casti Connubii, Nr. 1733).

Resumee

In der theologischen Fachzeitschrift Clergy Review hat der Theologe Smith resumiert, wie wir Katholiken uns gegenüber den päpstlichen Ansprachen, wie immer sie auch gehalten werden, zu verhalten haben:

„Katholiken sind verpflichtet, zu glauben, was die Kirche lehrt. Die Zustimmung des göttlich-katholischen Glaubens zu einem Dogma zu verweigern, bedeutet, ein Häretiker zu sein; die Zustimmung des kirchlichen Glaubens zu einer Lehre zu verweigern, die die Kirche als indirekt zum Glaubensgut gehörend lehrt, ist mehr oder weniger nahe an der Häresie; die innere religiöse Zustimmung zu den nicht unfehlbaren Lehrentscheidungen des Heiligen Stuhls zu verweigern, bedeutet, die Unterwerfung zu verweigern, zu der Katholiken gegenüber der Lehrautorität der Kirche strikt verpflichtet sind.“ (Quelle: Die Autorität der päpstlichen Ansprachen, Link siehe oben)