Hl. Johannes, Apostel und Evangelist

 Der erste Brief des heiligen Apostels und Evangelisten Johannes Das 2. Kapitel

Der Gegensatz zwischen der Gemeinde des Lichtes und der Welt

Von der Sünde und der Vergebung derselben schreibe ich nicht, um euch leichtsinnig zu machen, sondern damit ihr die Sünde meidet und Gottes Gebote haltet, obwohl wir, wenn wir gesündigt, an Jesu einen Versöhner haben. Wer Gottes Gebote hält, hat die wahre Erkenntnis und Liebe Gottes. Dies ist eine alte Lehre, die ihr gleich Anfangs bei eurer Bekehrung gehört habt; aber auch ein neues Gebot schreibe ich euch, das Gebot der Bruderliebe, das Jesus neu genannt, und welches auch für euch neu ist, weil es zur neuen Lichtlehre, zum Evangelium gehört; denn wer Christ sein will, muss seinen Bruder lieben. Nebst dieser Liebe muss ich euch Allen wegen der großen Gnaden, die ihr empfangen und der Fortschritte, die ihr gemacht, auch einschärfen, die Welt und ihre Lüste nicht zu lieben; denn die Welt vergeht zuletzt und nur der Gott Liebende bleibt ewig. Das Ende der Welt ist auch nicht sehr ferne; denn wir stehen in der letzten Zeit, wie wir aus den Widerchristen, den Irrlehrern sehen. Ich brauche euch nicht davor zu warnen; denn durch die Lehre, die ihr erhalten, wisset ihr Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Ihre Lüge ist, dass sie in Jesu den Sohn Gottes, und also auch den Vater leugnen. Bleibt bei dem Anfangs erhaltenen Unterricht, so werdet ihr das ewige Leben empfangen, bleibet bei der Lehre und Gnade, mit denen ihr gesalbt worden, damit ihr getrost seiner Wiederkunft entgegen sehen könnt, bleibet gerecht in ihm, dem gerechten, um als Kinder Gottes sicher auch mit ihm zu erben.

1. Meine Kindlein, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber Jemand gesündigt hat, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten (1),
2. und dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden; doch nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt (2).
3. Und daraus ersehen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten (3).
4. wer da sagt, er kenne ihn, und hält doch seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht.
5, Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollkommen (4), und daran erkennen wir, dass wir in ihm sind (5).
6. Wer sagt, dass er in ihm bleibe, der muss auch wandeln, wie Er gewandelt hat.
7. Geliebteste, ich schreibe euch kein neues Gebot (6), sondern ein altes Gebot, das ihr vom Anfang gehabt habet: das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habet (7).
8. Aber auch ein neues Gebot schreibe ich euch, was es sowohl bei ihm als bei euch wirklich ist, da die Finsternis vergangen, und das wahre Licht jetzt scheint (8).
9. Wer da sagt, er sei im Licht (9), und hasset seinen Bruder, der ist noch bis jetzt in der Finsternis (10).
10. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht (11), und in ihm ist kein Ärgernis (12).
11. Wer aber seinen Bruder hasset, der ist in der Finsternis, und wandelt in der Finsternis, und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat (13).
12. Ich schreibe euch, Kindlein (14), weil euch die Sünden vergeben worden um seines Namens willen (15).
13. Ich schreibe euch, Väter, weil ihr den kennt, der vom Anfang ist (16). Ich schreibe euch, Jünglinge, weil ihr den Bösen überwunden habt (17).
14. Ich schreibe euch, Kindern, weil ihr den Vater kennt (18). Ich schreibe euch, Jünglinge (19), weil ihr stark seid, und das Wort Gottes in euch bleibt (20), und ihr den Bösen überwunden habt.
15. Habet nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn Jemand die Welt lieb hat, so ist nicht die Liebe des Vaters in ihm (21).
16. Denn Alles, was in der Welt ist, das ist die Begierlichkeit des Fleisches, die Begierlichkeit der Augen und die Hoffart des Lebens (22), was nicht vom Vater, sondern von der Welt ist (23).
17. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit (24).
18. Kindlein, es ist die letzte Stunde; und wie ihr gehört habt, wird der Widerchrist kommen, ja schon jetzt sind viele Widerchristen geworden, woraus wir erkennen, dass die letzte Stunde ist (25).
19. Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns (26); denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie bei uns geblieben sein; aber an ihnen zeigt sich, dass nicht Alles von uns sind.
20. Doch ihr habt die Salbung vom Heiligen, und wisset Alles (27).
21. Ich schreibe euch nicht, als ob ihr die Wahrheit nicht wüßtet, sondern als solchen, die sie wissen, und (erkennen), dass keine Lüge aus der Wahrheit komme (28).
22. Wer ist der Lügner (29) als der, welcher leugnet, dass Jesus der Christus sei (30). Das ist der Widerchrist, welcher den Vater und den Sohn leugnet (31).
23. Jeder, der den Sohn verleugnet, hat auch den Vater nicht; wer aber den Sohn bekennt, hat auch den Vater (32).
24. Was ihr vom Anfang gehört habt, das bleibe i euch: wenn in euch bleibet, was ihr vom Anfang gehört habt, so werdet ihr auch in dem Sohn und in dem Vater bleiben (33).
25. Und das ist die Verheißung, die er uns gegeben, das ewige Leben.
26. Dies hab ich euch von denen geschrieben, die euch verführen.
27. Was euch betrifft, so bleibe (34) die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch Jemand lehre; sondern so wie euch seine Salbung über Alles belehrt, so ist’s wahr und keine Lüge, und wie er euch gelehrt hat, so bleibt in ihm (35).
28. Ja, Kindlein, bleibt in ihm (36), damit wir, wenn er erscheint, (37), Vertrauen haben können, und von ihm nicht beschämt werden bei seiner Ankunft.
29. Wenn ihr wisset, dass er gerecht ist, so wisset auch, dass Jeder, der Gerechtigkeit übt, aus ihm geboren ist (38).

Anmerkungen:

(1) Meine Christen, die ich so liebe, wie ein Vater seine Kinder liebt, von der Barmherzigkeit Gottes, womit er unsere gebeichteten Sünden vergibt, schreibe ich euch nicht, dass es euch leichtsinnig mache; vielmehr sollt ihr dadurch um so mehr aufgemuntert werden, die Sünde zu meiden und Gottes Gebote zu vollziehen. Doch wenn Jemand, wie es gebrechlichen Menschen geschehen kann, gesündigt hat, so soll er deshalb nicht verzweifeln; denn Jesus ist bei seinem Vater und bittet für uns, indem er ihm beständig sein dargebrachtes Opfer zur Versöhnung vorstellt (Hebr. 9).
(2) Setze hinzu, um das Folgende anzuschließen: wenn wir ihn als Versöhner, Heiland, wahrhaft erkennen. Wie diese Erkenntnis beschaffen sein müsse, wenn sie wahrhaft sein soll, sagt der folgende Vers.
(3) Unsere Kenntnis Christi, unser Glaube an ihn und seine Lehre, ist nur dann wahrhaft zu nennen, wenn wir damit einen heiligen Wandel, Gehorsam gegen Gottes Gebote, verbinden.
(4) Der besitzt wahrhaftig nicht nur die Erkenntnis, sondern auch die Liebe Gottes.
(5) An diesem liebenden Gehorsam erkennen wir, dass wir mit ihm auf’s Innigste verbunden sind, wie die Rebe mit dem Weinstock (Joh. 15, 1ff).
(6) Darin, dass ich verlange, Erkenntnis müsse mit Gehorsam – Liebe, verbunden sein.
(7) Das Gebot des Gehorsams – der Liebe, ist ein altes Gebot, ihr kennt es, seitdem ihr Christen seid, aus dem erteilten mündlichen Unterricht.
(8) Aber auch vom Gebot der Bruderliebe schreibe ich euch; dieses kann neu genannt werden, sowohl in Beziehung auf Jesum als auf euch: auf Jesum, weil er es selbst ein neues Gebot genannt hat (Joh. 13, 34); auf euch, weil ihr es erst, seit ihr Christen seid, kennt und beobachtet; denn die heidnische Gesinnung, welche die übernatürliche Liebe nicht kennt, hat ihr abgelegt, die christliche, zu welcher die Liebe wesentlich gehört, angenommen. Dass die Liebe dem Christentum wesentlich sei, erläutern die folgenden drei Verse.
(9) Er sei ein Christ, denke und handle wie ein Christ.
(10) Noch immer heidnisch gesinnt.
(11) Bleibt Christ, mit Christo verbunden, wie die Rebe mit dem Weinstock
(12) der stoßt nicht an. Wie Jemand, der im Tageslicht wandelt, nicht anzustoßen befürchten darf, so wandelt der geistlich Erleuchtete, der in Jesu vermöge der Liebe Bleibende, sicher auf seinem Lebensweg, ohne durch Bruderhass zur Sünde, zu Fall und Untergang verleitet zu werden.
(13) Wer mit der Liebe Jesum verloren hat, der ist wie Einer,d er im Finstern tappt; er hat die sichere, feste Richtschnur des Lebens verloren, und wird von seinen Leidenschaften, von Irrtum und Sünde, die ihn verblenden, vom Weg ab ins Verderben geführt.
(14) Was Johannes nun schreiben will, folgt Vers 15-17. Die Verbindung mit dem Vorhergehenden ist: Nebst dem, dass ich euch zur Liebe Gottes und des Nächsten auffordere (Vers 7-11), schreibe ich euch auch, dass ihr die Welt, ihre Güter und Freuden nicht liebt. Mit dem Wort „Kindlein“ spricht er die Christen im Allgemeinen an; dann wendet er sich einzeln an sie nach ihrem Lebensalter, an die Väter, Jünglinge, Kinder, um jede Altersklasse recht nachdrücklich auf seine Warnung aufmerksam zu machen. Bei jeder Altersklasse führt er einen besonderen Beweggrund an, die Welt nicht zu lieben, der gerade recht passend dafür ist, obwohl er zugleich auch den Anderen dienen kann.
(15) Um dessen willen, was er ist, um seiner Eigenschaft als Erlöser willen. Der Name steht wieder statt des Wesens. Alle Christen überhaupt sollen die Welt und ihre Lust nicht lieben, weil ihnen durch Jesu die große Wohltat der Sünden-Vergebung zu Teil geworden ist.
(16) Weil ihr die tiefere Erkenntnis von der göttlichen Würde Jesu Christi habt. Der stärkste Beweggrund, die Welt nicht zu lieben, soll für euch Väter der sein, dass ihr in der christlichen Erkenntnis schon weitere Fortschritte gemacht habt.
(17) Ihr Jünglinge habt in der Taufe, da ihr aus Kindern des Satans Kinder Gottes geworden seid, durch euer standhaftes Bekenntnis (Vers 14) den Satan überwunden. Dies sei euch ein Beweggrund, den Kampf zu vollenden, und auch die Welt zu überwinden, die Alles aufbietet, euch an sich zu ziehen. ^Sehr passend stellt der Apostel die Jünglinge als Kämpfer hin, und ermutigt sie zugleich zu fernerem Kampf gegen die Versuchungen der Welt.
(18) Euch Kinder ermahne ich darum, die Welt nicht zu lieben, weil ihr den Vater im Himmel kennt, und wisset, dass er nichts mit der Welt gemein hat (Vers 16). Wie der Vater sollen die Kinder sein; der passendste Beweggrund für das frühere Jugendalter.
(19) Die Jünglinge, welche den Versuchungen der Welt vorzüglich ausgesetzt sind, werden noch einmal erwähnt. Im Griechischen werden überdies auch die Väter wiederholt: Ich schreibe eigentl. Schrieb) euch, Väter, weil ihr den kennt, der vom Anfang ist. Ich schreibe (schrieb) euch, Jünglinge etc.
(20) durch standhaftes Bekenntnis.
(21) Euer Herz hänge nicht an den sinnlichen, begierlichen Menschen, noch überhaupt an dem Irdischen; denn damit verträgt sich die Liebe Gottes nicht.
(22) Genusssucht, Habsucht und Ehrsucht.
(23) Was seinen Ursprung nicht aus Gott, sondern aus der im Argen, in der Sünde liegenden Welt hat, aus der Begierlichkeit, die durch die Sünde in der Welt das Übergewicht erhalten hat.
(24) Siehe 1. Kor. 6, 13.
(25) Das Ende der Welt ist auch nicht so fern, wie ihr etwa glaubt; denn wir stehen in der letzten Periode des göttlichen Reiches auf Erden, in welcher, wie euch gepredigt worden, der Antichrist kommen soll: es sind auch schon seine Vorläufer, die falschen Lehrer, vorhanden, woraus wir erkennen, dass die letzte Periode wirklich eingetreten ist. Über die letzte Zeit siehe Hebr. 10, 37; 1. Thess. 4, 15ff. Über den Antichrist und seine Vorläufer siehe 2. Thess. 2.
(26) sie waren keine rechten Christen, die ausharren bis ans Ende.
(27) Doch ich habe nicht nötig, euch vor diesen Widerchristen, den Irrlehrern, zu warnen; denn ihr seid Christen, d. i. Gesalbte, seid innerlich ausgestattet mit der Gnade und Weisheit des heiligen Geistes, so dass ihr befähigt seid, das zu prüfen, was die Irrlehrer vorbringen, und vor ihren Täuschungen euch zu bewahren.
(28) Ich habe euch nicht geschrieben, als ob euch die christliche Wahrheit unbekannt wäre, sondern als solchen, die darin wohl unterrichtet sind, und die eben darum auch wissen, dass sie keine Lüge, keine falsche Lehre enthalten könne. Welche falsche Lehre der Apostel besonders im Auge habe, zeigt der folgende Vers.
(29) Falsche Lehrer.
(30) Dass in der Person Jesu der Sohn Gottes, der Messias, der Heiland erschienen sei.
(31) Das ist der Widerchrist, welcher in Jesu den Christus und Sohn, und mit dem Sohn auch den Vater leugnet.
(32) Denn nur durch den Sohn lernen wir Gott den Vater kennen, verkehren und lieben. Die Wort: wer etc. sind nicht im Griech.
(33) Bleibt bei der euch gepredigten Lehre, dann werdet ihr auf’s innigste mit Vater und Sohn verbunden bleiben.
(34) Im Griech.: so bleibt.
(35) So steht es mit euren Verführern, sie leugnen in Jesu den Sohn und den Vater: was euch betrifft, so habt ihr der tieferen Weisheit, der sie sich rühmen, nicht nötig, bewahrt nur die empfangenen Gnaden mit der empfangenen Lehre, so werdet ihr über alles Nötige Aufschluss erhalten. So wie ihr in diesem Gnadenzustand und mittels der Lehre belehrt werdet, so ist es reine Wahrheit; ja, wie euch Jesus durch seine Stellvertreter gelehrt hat, so bleibt dabei und dadurch in ihm. Bemerke: die Worte: „wie euch seine Salbung über Alles belehrt“ stehen in Verbindung mit den Folgenden: „wie er euch belehrt hat“. Die Gnadensalbung darf also nicht von der Lehre Christi getrennt werden. Damit fällt von selbst das leere Geschwätz der Aftermystiker weg, als reiche die innerliche Erleuchtung hin, uns über das, was wir zu glauben und zu tun haben, zu belehren: denn der heilige Johannes spricht von der Gnadensalbung nur in Verbindung mit der Lehre, die gepredigt wird, und die man innerlich in sich aufnehmen muss, wie sie gepredigt wird.
(36) Durch Standhaftigkeit im rechten Glauben und der wahren Liebe.
(37) Zum Gericht.
(38) Diese Worte hängen mit „bleibt in ihm“ zusammen. Ja, bleibt in ihm durch gläubigen, heiligen Wandel; denn so wie ihr wisset, dass er heilig ist, so wisset auch, dass nur der, welcher sich der Heiligkeit befleißt, ein sicheres Kennzeichen der göttlichen Wiedergeburt ans ich trägt, und damit die Bürgschaft hat, mit ihm bei seiner Wiederkunft das göttliche Reich zu erben; weil, wenn wir Kinder Gottes sind, wir auch Erben Gottes und Miterben Christi werden (Röm. 8, 17). –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 6. Bd. 1838, S. 409 – S. 413