Katholische Kirche

Den Gottmenschen Christus den Gekreuzigten predigen: Ein Kreuz auf dem Boden liegend, ein Tuch und eine Dornenkrone liegen darauf, dahinter ist das Zeichen IHS von Strahlen und Sternen umrankt

Katholisch predigen heißt Christus den Gekreuzigten predigen

Dass der katholische Priester nur katholisch predigen dürfe, erheischt sein Stand und sein Beruf. Er würde ein Verräter werden an seiner heiligen Kirche, wollte er anders als katholisch predigen. Als dem Diener des göttlichen Wortes und dem Lehrer des Volkes, in der heiligsten Sache, liegen ihm sehr wichtige Verpflichtungen ob. Es würde ein Zeichen großer Geringschätzung seines Amtes sein, wenn er nicht das lebendige Bewusstsein in sich trüge, dass alle seine Predigten das Gepräge echt katholischen Gehaltes haben müssten. In neuerer Zeit hat man indes dieses unterscheidende Merkmal vielfach verkannt; selbst Katholiken haben zuweilen an katholische Priester die unsinnige Forderung gemacht, dass sie nur predigen sollten, was  für alle Konfessions-Genossen sich eignen möchte. Und wenn irgendwo ein Prediger über eine Unterscheidungs-Lehre eine Predigt zu halten für seine Pflicht hielt; so schrie man bald über zelotisches Wesen, über Unduldsamkeit und Fanatismus. Man sollte nur von Liebe und Friede predigen, als ob da Einheit der Gesinnung herrschen könne, wo keine Einheit im Glauben herrscht…

Katholisch predigen heißt: Christus predigen den Gekreuzigten, und zwar diesen gekreuzigten Christus so predigen, wie er zu allen Zeiten von der, in ihren Aussprüchen unfehlbaren Kirche gepredigt wurde. Der katholische Prediger darf nicht sich predigen, noch seine Weisheit den Gläubigen vortragen wollen; er darf mit dem Apostel Paulus von nichts Anderem etwas wissen wollen, als von Jesus, dem Gekreuzigten. Er darf nicht glänzen wollen durch gelehrte Sentenzen, durch rednerische Phrasen, noch auch darf er durch die Weisheit dieser Welt die Ohren ergötzen wollen; der Inhalt für seine Predigten ist ihm gegeben im Evangelium. Gottes Wort, nicht Menschenlehre, soll er vortragen; mit Himmelsbrot die geistigen Bedürfnisse seiner ihm anvertrauten Herde stillen. Wer anders woher, als aus Gottes Offenbarung, aus dem Buch der Natur und den heiligen Schriften unter Leitung der Kirche seine Lehre schöpft, predigt nicht katholisch. Und zwar muss Alles sich auf Christus, den Gottmenschen, der im Fleisch erschienen ist, um die Menschheit von Sünde und Tod und Satan und Hölle zu erlösen, zurück beziehen, und von Christus Alles ausgeben. Wenn die Predigt eine christlich katholische sein soll, so muss Christus ihr Ausgangs- und Endpunkt sein. Nicht alle aber predigen Christus in der rechten Weise; nicht allen ist er der menschgewordene Sohn Gottes, der ewige Sohn des ewigen Vaters. Es genügt nicht, dass Christus gepredigt wird; er muss auch so gepredigt werden, wie er wollte, daß seine Jünger ihn predigen sollten. In der Schule der Apostel also können wir nur lernen, wie man Christus predigen müsse. Aus dem Munde der Apostel vernahmen es ihre Nachfolger, und so floß die Kunde von der rechten Weise, Christus zu predigen— ein stets lebendiger Quell — durch alle Jahrhunderte fort. Die Kirche aber ist es, die, von Christus selbst dazu beauftragt, diese Quelle umschlossen und durch alle Zeiten gegen verderbliche Zuflüsse rein und unverfälscht bewahrt hat. Das ist die Quelle, aus welcher der katholische Prediger die Wahrheit des Heils schöpfen muss, wenn er sie treu und so wieder geben will, wie sie aus dem Munde des Herrn ausströmte. — Katholisch predigen heißt also, in seinen Lehrvorträgen sich an der Kirche halten und nichts anders lehren, als was die Kirche von jeher geglaubt und gelehrt hat; denn nur sie allein ist die treue Bewahrerin der Heilslehren, welche uns Christus geoffenbart hat. Einen andern Grund kann Niemand legen, als der gelegt ist, und dieser ist Christus; und auf diesem Grunde kann Niemand ein anderes Gebäude aufführen, als wozu die Kirche Zeichnung und Materialien liefert…

Von jedem Menschen fordert man Entschiedenheit des Charakters und der Gesinnung. Christus sagt selbst: Wer nicht mit mir ist, ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Ihr könnt nicht Gott und der Welt zugleich dienen. Und nach dem heiligen Johannes in seiner Offenbarung sind die lauen Seelen dem Herrn solch ein Abscheu, daß er sie ausspeit aus seinem Munde. Wird nun aber von jedem Christen dieser entschieden feste Sinn gefordert, wieviel mehr muss dann diese Gesinnung in dem Diener des göttlichen Wortes leben, da er sie in’s Herz der Gläubigen überpflanzen soll? Keine andere Gesinnung darf nun aber im katholischen Prediger leben, als eine echt kirchliche, eine wahrhaft christlich katholische, oder er ist unwürdig, diesen Namen zu tragen. Dieser Geist und diese Gesinnung müssen in seine Lehrvorträge übergehen, und  überall sich aussprechen. Im Wort muss des Priesters gläubiger Sinn sich kund geben. Dahin müssen alle seine Predigten zielen, den Glauben fest zu begründen und das christkatholische Leben in den Gläubigen zu fördern. O wie oft fehlen die Prediger gegen diesen erhabenen Zweck ihres Amtes, indem sie nicht Christus, mithin auch nicht das katholische Christentum verkündigen…

Dem katholischen Prediger ist in den Lehren der Kirche der Inhalt seiner Predigten gegeben. Dieser Inhalt muss dermaßen sich durch alle seine Predigten hindurch ziehen und so von ihm verarbeitet werden, dass man auch nicht einen Augenblick zweifelhaft sein kann, welchem Glauben die Predigt angehören soll, und welchen Glauben der Prediger selbst mit Herz und Mund bekennen will. Der katholische Prediger geht nicht bei Kant und Fichte, bei Schelling und Hegel, bei Lessing und Wieland, bei Schiller und Goethe in die Schule, um philosophisch und schön reden zu lernen. Seine Lehrmeister sind Christus, die Apostel, die heiligen Väter, ein heiliger Gregorius von Nazianz, Basilius, Chrysostomus, Augustinus, Bernardus; denn er will und soll ja christlich reden lernen, und zwar in der Sprache kindlicher Einfalt, die in den Augen der Welt als Torheit gilt…

Um so mehr muss aber der Prediger sich bestreben, diesen echt katholischen Geist in seinen Predigten wehen zu lassen, je mehr das Zeitalter zum Unglauben und Indifferentismus hinneigt. Dann eben tut es Not, Christum zu predigen, wenn der Unglaube frech sein Haupt erhebt und der Geister sich bemächtigen will; und dann eben tut es besonders Not, christkatholisch zu predigen, wenn der Indifferentismus um sich greifen will und man gegen alle positive Religion gleichgültig zu werden anfängt. Beide Feinde muss der Prediger stets nicht minder wie alle andere, die das Wachstum des christlichen Lebens zu verhindern suchen, im Auge behalten und so viel wie möglich bekämpfen. Was der katholische Prediger erstreben soll, ist eine feste Überzeugung von den Wahrheiten des Glaubens, nebst einer richtigen Auffassung derselben, ferner Begründung des religiösen und moralischen Sinnes, so wie das Christentum ihn fördert; insbesondere Hervorrufung, Weckung und Belebung jener religiös-sittlichen Gesinnungen, Gefühle und Handlungen, die uns vom Herrn und durch seine Kirche geboten oder angeraten sind. Je nach den verschiedenen Geistesrichtungen, welche zu gewissen Zeiten auftauchen, und je nach den besondern Verhältnissen einzelner Gemeinden wird der Prediger bald diese, bald jene Seite des katholischen Christentums hervorheben müssen. Katholisch predigen heißt dann in dieser speziellen Auffassung, jene Lehren besonders hervorheben und begründen, wodurch die katholische Kirche von allen andern sogenannten christlichen Kirchen sich unterscheidet.

aus: Der Katholik; eine religiöse Zeitschrift für Belehrung und Warnung, Bd. 73, 1839, S. 105 – S. 112