Vom Manichäismus zur Freimaurerei
Über die Verschwörung der geheimen Gesellschaften
Aus diesen nur allgemeinen Zügen geht also schon überzeugend hervor, dass nicht allein Frankreich, sondern alle Regenten auf diese in Frankreich sich umtreibenden geheimen Gesellschaften ein nur zu aufmerksames Auge zu heften haben; denn hier ist der Mittelpunkt der so weit sich ausdehnenden Verschwörung.
Um also den gegenwärtigen Zustand, die ganze Einrichtung und den Einfluss kennen zu lernen, welchen die geheimen Gesellschaften in allen Teilen Europas sich errungen haben, muss man sie in zwei Klassen abteilen. Es gibt deren wirklich zwei unterschiedene Arten: Die Eine, welche schon sehr lange haust, enthält unter der Hülle der Freimaurerei verschiedene Gesellschaften, welche mehr und weniger der Religion, der Moral, Politik und dem Glauben der Staatsgesellschaft feindlich entgegen arbeiten. Die andere Art begreift unter dem Namen der Carbonari geheime Verbindungen, welche stets schlagfertig sich bewaffnet halten, um auf das erste Zeichen gegen die öffentliche Macht aufzutreten. Die Eine derselben wirkt vermittels ihrer moralischen Tätigkeit die Geisterrevolution; die Andere, mit materiellen Mitteln versehen, hat den Zweck, mit Gewalt gegen die öffentlichen Einrichtungen zu wirken. In der Versammlung der Ersteren haben die Priester der Philosophie den Vorsitz, erlassen Göttersprüche, und weissagen der Völker Wiedergeburt. In den geheimen Schlupfwinkeln der Zweiten thront furchtbar drohend der Dämon des Verschwörungs-Geistes, und grollt der bestehenden Ordnung. Man könnte die Eine durch eine Brandfackel, die Andere durch einen Morddolch vorstellen.
Beide Arten einander in die Hände arbeitend haben sich eine unberechenbare Macht errungen. So lange die bewaffneten Gesellschaften nicht organisiert waren, war das Zerstörer-System noch unvollständig. Die Verbindungen, welche gegen die Religion und Politik sich erheben, waren gleichsam die gesetzgebende Macht der Revolution; aber die vollziehende Gewalt fehlte noch. Von einer andern Seite, wenn nur bewaffnete Gesellschaften vorhanden wären, so würden sie mit ihren revolutionären Grundsätzen wenig Einfluss auf die Geister haben, weil sie sich nur unter den unstudierten Klassen zu rekrutieren legen; dieses Geschäft, auf die gebildeten Stände zu wirken, blieb den bloß philosophischen Gesellschaften der Freimaurer überlassen. Die Verschwörung ist nun vollständig organisiert, da beide Gesellschaften einander wechselseitig unterstützen. Wenn nun aber gleich beide Gattungen als für sich bestechend, anzusehen sind, so werden sie doch von einer und derselben geheimen Hand geleitet. Diese Tatsache ist keinem aufmerksamen Beobachter des Revolutionswesens unbekannt. Die Einwirkung der unsichtbaren Macht auf diese Gesellschaften ist in den Erscheinungen vor unsern Augen nur desto unverkennbarer, je verborgener die Häupter das Ganze leiten.
Des gemeinschaftlichen Zieles dieser Verbindungen ungeachtet, herrscht doch auch in ihrem Innern Zwiespalt und Eifersucht; denn des Satans Reich ist niemals einig. In Frankreich gibt es Freimaurer-Gesellschaften und Logen vom modernen Ritus, vom alten angenommenen schottischen Ritus, vom Ritus Misrhaim, und von dem der Tempelherren. Immer will die eine vor der andern die bessere, echtere sein. Die Loge der Misrhaims-Innung ist kürzlich von der Regierung geschlossen worden, d. h. die Mitglieder halten sich wie in unserm Deutschland ruhig, aber sie schlafen nicht, und sind auch nicht untätig. Der unter ihnen bestehende Verband dauert fort.
In Hinsicht der unter diesen Gesellschaften stets herrschenden Reibungen und Zwiste müssen wir bemerken, dass, da alle vom Geist der Freiheit und Gleichheit lebhaft durchglüht sind, sie großenteils sich nicht wenig ärgern ob der Herrschaft der durchlauchtigen Obern. Ein anderer Stein des Anstoßes sind ihnen auch die großen Geldzuflüsse von andern Logen, an denen sie eben so gerne Teil nehmen, als wissen möchten, zu welchem Zweck sie verwendet werden. Wenn man ferner bedenkt, dass die Glieder dieser Gesellschaften nicht alle einerlei Gesinnung, Charakter und Tätigkeitslust haben, und wenn dieser Teil nur an gewalttätigen mit Blut und Gräueltaten bezeichneten Handlungen seine Lust hat, der andere Teil wieder nur der sanften Mittel sich bedienen möchte, um Veränderungen im Staat hervor zu bringen, oder mit Chamfort zu reden, nur in Revolutionen von Rosenwasser waten möchte; so wird es begreiflich, dass es in diesen Gesellschaften nie an Irrungen fehlt.
Aber man täusche sich nicht, daß man von diesen Misshelligkeiten etwas Gutes erwarten möchte. Der gemeinschaftliche Feind, gegen welchen ihr Hass sie vereint, würde sich sehr betrogen finden, wenn er ihre Stärke nach ihren inneren Irrungen berechnen wollte. Auch die wichtigste Partikular-Beschwerde gilt nichts gegen den Hass, welchen sie alle der Religion und der Gesellschaft geschworen haben. Wenn sie diesen schaden zu können, die Gelegenheit finden, schweigt alle Privatleidenschaft. Man wird hieraus schon auf das Gefahrvolle dieser Verbindungen schließen können. Immer bereit, jeder falschen Meinung das Wort zu reden, wenn sie der Religion oder der öffentlichen Ordnung Abbruch zu tun, die Aussicht gibt; kein Gedanke der Widersetzlichkeit wird ihnen bekannt, den sie nicht sogleich in Schutz nähmen; die empörendste Missetat erhält an ihnen Verteidiger, wenn sie nur ihren Zwecken entspricht. Verleumdung, Gewalttaten, Giftmischerei, erdichtete Verbrechen, Schriften-Verfälschungen, und wie die abscheulichen Lastertaten je heißen mögen, sind Mittel zur Erreichung ihrer ruchlosen Plane; denn sie wollen herrschen, und um zu diesem Zwecke zu gelangen, sehen sie die Religion und die Thronen der Fürsten als ihre unversöhnlichsten Feinde an; denn das Gesetz dieser Verhaßten dringt auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Achtung gegen Gott und Tugend.
So weit ist das Übel gediehen, dass längeres Schweigen ein Verbrechen wäre. Nur durch die Entlarvung dieser Gesellschaften der Finsternis kann gegen das Böse gewirkt werden, das sie unausgesetzt aushecken. Das Licht der Wahrheit ist ihnen überall verhaßt; so auch hier bei der Aufdeckung ihrer gottlosen Werke und Anschläge. Die öffentliche Gewalt ist ihnen lange nicht so furchtbar, als jenes Licht. –
aus der Zeitschrift „Der Katholik“ Bd. 13-14, 1824, S. 138 – S. 141