Anna Katharina sitzt, an zwei dicken Kissen angelehnt, im Bett, der Kopf ist verbunden, sie hält und betrachtet ein Kruzifix, das sie in der Hand hält

Die Visionen der Anna Katharina Emmerich

Schlechte Priester und schlechtes Messelesen

In der letzten Hälfte des Monats August 1820 hatte sie wiederum oft Tage lang die mit unbeschreiblichen Peinen begleitete Anschauung der Lauigkeit und Gleichgültigkeit von Priestern und Laien gegen das heiligste Sakrament. Es wurden ihr dabei heilbegierige Heiden zur Beschämung der trägen Christen vorgestellt.

„Ich sehe“, sprach sie, „an allen Orten Priestern von den Gnaden der Kirche, von den Schätzen der Verdienste Jesu und der Heiligen umgeben, aber tot und lau sehen und predigen und opfern. Und es ward mir ein Heide gezeigt, der auf einer Säule stehend von dem neuen Gott aller Götter, den ein anderes Volk habe, so innig redete, daß das ganze Volk mit ihm in Sehnsucht hingerissen ward. Diese Gesichte bestürmen mich Tag und Nacht so, daß ich mir nicht zu helfen weiß. Es wird mir das jetzige Elend und die Verkommenheit immer im Vergleich mit besserem Ehemals gezeigt und ich muss ohne Aufhören beten. Das schlechte Messelesen ist eine ungeheure Sache. Ach, es ist nicht einerlei, wie sie gelesen wird! … Ich hatte ein unermessliches Bild von den Mysterien der hl. Messe, und wie alles Heilige von Anfang der Welt sich darauf bezieht…“

S. 244-245

In solche Geschichts-Bilder traten als Gegenstücke Bilder aus der in Lauigkeit und Unglauben verfallenen Gegenwart ein, in welchen die Ursachen und Folgen der Verunehrung des hl. Sakramentes an bestimmten Persönlichkeiten gezeigt wurden.

„Ich sah“, erzählte sie, „über einer Gesellschaft von Geistlichen, Laien und Frauen in einer Stadt, welche schmausend und leichtsinnig scherzend zusammen saßen, einen dunklen Nebel, welcher sich in eine Fläche von nacht endete. Darüber in der Mitte sah ich den Satan sitzen in scheußlicher Gestalt, und um ihn herum ebenso viele Gesellen, als Glieder der Gesellschaft unten saßen. Alle diese Geister waren in beständiger Tätigkeit und Wirkung auf das Treiben der Leute unten. Sie flüsterten ihnen zu und wirkten auf alle Art und Weise. Die Leute waren in einem sehr gefährlichen, lüsternen Treiben und in anzüglichem, mutwilligem Geschwätz. Die Geistlichen waren solche, welche den Grundsatz haben: man muss leben und leben lassen; man darf in unsern Tagen nicht den Sonderling oder Finsterling machen; man soll fröhlich mit den Fröhlichen sein. Und in diesem Zustand lasen sie täglich die hl. Messe. In dieser Gesellschaft sah ich allein eine junge Frauensperson noch in gutem Stande, welche eine gewisse Andacht zu ihrem Patron hatte. Es war ein Heiliger von sehr bekanntem Namen, den sie gewöhnlich anrief. Ich sah, daß die Anderen sie neckten und auch zu verführen suchten; über ihr war die Nacht durchbrochen und ich sah, daß dieser Heilige die bösen Geister neben ihr oben zurück wies und Licht auf sie herab goss. Da sah ich nun, daß der Satan in der Mitte des Nachtkreises mit dem Heiligen sprach und fragte, was was erhöre wolle und wie er ihm in sein Recht greife. Er prahlte ganz hohnlächelnd, daß alle diese Priester ihm gehörten, da sie in ihrem Zustand täglich die Messe läsen und so immer tiefer in seine Schlinge fielen. Der Heilige wies ihn zurück und sagte ihm, daß er auf diese Person durch die Verdienste Jesu Christi kein Recht mehr habe, und er solle ihr nicht nahen. Da ward der Satan prahlend und sagte, er wolle sie doch erwischen; er wolle einen Menschen aus der Ferne heranführen, der einmal einen Eindruck auf sie gemacht habe, und der solle sie zum Fall bringen. Die Gestalt des Satans war gräulich. Er hatte kurze Arme mit Krallen, seine Füße waren lang und die Knie verkehrt. Er konnte nicht knien. Sein Angesicht war menschlich, doch kalt, boshaft und gräßlich. Er hatte etwas Häufiges wie Flügel; er war schwarz und verfinsternd; es ging Nacht von ihm aus. Da er von seinem Recht sprach und mich das wunderte, so hatte ich eine Weisung, daß er wirklich ein bedeutendes Recht erlange, wenn ein Getaufter, der durch Jesus Christus die Gewalt erhalten, ihn zu überwinden, nun doch mit freiem Willen seiner Macht durch Sünde sich daheim gebe. Dieses Bild hatte etwas sehr Ernstes und Rührendes. Ich kannte die Menschen und die durch ihren Patron erhaltene Person.“

„Ich war mit meinem Schutzengel in sieben Kirchen vor dem hl. Sakrament, um zu beten und das Leiden Christi aufzuopfern für die Schmach und Verunehrung des hl. Sakramentes durch schlechte Priester. Der Patron der Kirche war immer dabei und hielt mit dem Schutzengel zugleich die Andacht mit. Die Gebete waren in Litaneiform. Zwei der Kirchen waren in der Ferne; ich musste über ein großes Wasser. Ich hielt die Leute dort für Engländer.“

S. 252-254

28. August 1820

„Ich hatte diesen Vormittag den Auftrag zum Gebet auszuführen, der mir in der Nacht zuvor geworden war. Zuerst hörte ich eine Messe hier in der Kirche, nach welcher ich den Pilger kommunizieren sah. Nachher waren noch mehrere Messen. Ich habe dabei alle Fehler und Mängel bei Priestern und Laien gesehen, und habe beständig dafür allerlei Schmerzen gelitten und für die Fehlenden Gott aufgeopfert, indem ich Ihm seinen gekreuzigten Sohn, so oft Er in der Messe empor gehoben wurde, vor diese Mängel vorstellte, flehte und opferte. Ich habe dieses nicht allein hier, sondern, auf eine wunderbare Weise schnell von Kirche zu Kirche entrückt, in vielleicht tausend Kirchen getan; den ich war überall, wo ich je in katholischen Kirchen gewesen in Europa und andern Weltteilen. Was ich alles gesehen, ist nicht in zwei dicke Büchern zu beschreiben. Ich sah auch noch hie und da tief fromme Leute, auch hier zu Lande, doch meistens Lauheit; in den Niederlanden einen Strich am Wasser hin; in der Schweiz einige Gemeinden, doch immer wieder von schlechten unterbrochen; dann wieder oben im Norden von Deutschland an der polnischen Grenze, wo die Geistlichen sind, die ich oft sehe. In Italien sah ich Viele ganz eifrig und in alter heiliger Form, und andere ganz schlecht und frech.“

S. 254-255

aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Zweiter Band, 1873