Apokalypse – Engelrufe künden das gericht an

Engelrufe künden das Gericht an. Kap. 14, Vers 9-11. Ewige Höllenstrafen für Gottesfeinde und Tieranbeter

Wenn alle Völker dem wahren Gott untreu werden und am Unzuchtsbecher Babylons sich berauschen, ist jeder einzelne mitverantwortlich. „Gesamtschuld ist nie ohne Einzelschuld“ (J. Behm 84). Das bringt die Botschaft des dritten Engels laut und eindringlich allen und jedem zum Bewusstsein. Sollte noch ein Christ schwanken, ob er den Lockungen und Drohungen des Lügenpropheten nachgeben, das Tier und sein Bild anbeten und sein Malzeichen annehmen dürfe, um endlich in Ruhe leben zu können, so muss er wissen, daß ihn wie jeden im Lager der Gottesfeinde die gerechte Vergeltung treffen wird. Wie er sündigte, wird er gestraft. Er hat den verbotenen Becher der Lust sich von Babylon reichen lassen und ist ein Höriger des Tieres geworden; dafür muss er nun den Zornwein Gottes trinken, dessen Wirkungen furchtbar sind (Is. 51, 17 u. 22; Jer. 25, 15f). „Gemischt ungemischt“ wird dieser Trank wörtlich genannt. Die starken orientalischen Weine werden in der Regel beim Einschenken mit Wasser gemischt. „Mischen“ nimmt darum oft die Bedeutung „darreichen“, „kredenzen“ an. Häufig werden Gewürze beigemischt, um die berauschende Kraft zu erhöhen (Mark. 15, 23). Nichts dagegen mildert mehr den Zorn Gottes gegen die Abtrünnigen. Die Zeit der Gnade ist vorüber. „Über die Gottlosen kommt der erbarmungslose Zorn bis ans Ende“ (Weish. 19, 1; vgl. Jak. 2, 13). Um nur ja den Leiden und Drangsalen der Gläubigen hienieden aus dem Wege zu gehen, haben sie das Tier angebetet und sein Zeichen getragen. Dafür wird ihnen jetzt die Pein im Abgrund zuteil, wo das Tier samt dem Lügenpropheten seinen Aufenthaltsort hat (20, 10 u. 15). Die Strafmittel, die einst gegen Sodoma und Gomorrha angewandt wurden: Feuer und Schwefel, dienen auch zu ihrer Züchtigung. Wie im Gleichnis vom Prasser ist die Lage des Peinigungsortes so gedacht, daß von dort der Blick zum Himmel möglich ist und umgekehrt (Luk. 16, 23). Die Engel und das Lamm sind Zeugen der Qual. Das erhöht die Strafe, weil es dauernd Gewissensbisse über missbrauchte und abgelehnte Gnaden weckt. Die Engel nehmen ebenso Anteil an der Freude über die Bekehrung eines Sünders und die Ehrung eines Bekenners (Luk. 12, 8; 15, 10). Der Hinweis auf die ewige Pein der Bösen soll nicht Schadenfreude bei den verfolgten Christen wecken; aber die Gewissheit einer gerechten Vergeltung im andern Leben erleichtert ihnen das Ertragen der Ungerechtigkeiten während des Erdenlebens.

Das Schrecklichste an den Peinen der Tieranbeter im Jenseits ist die Ewigkeit. Schauerlich ist das Bild vom endlos aufsteigenden Qualm ihrer Qualen. Wie ein ewig nicht erlöschender Schmelzofen ist der Ort ihrer Verdammung (9, 2). Auch hier wirkt der Bericht über den Untergang von Sodoma und Gomorrha auf die Darstellung ein. Dort sah Abraham, „wie ein Qualm von der Erde aufstieg gleich dem Qualm eines Schmelzofens“ (1. Mos. 19, 28; vgl. Is. 34, 10). An Ruhe ist in diesem ewigen Zuchthaus Gottes nicht zu denken. Auch von den vier Wesen vor Gottes Thron hieß es, sie hätten Tag und Nacht keine Ruhe (4, 8); das ist aber die beglückende Unruhe der zum Lobpreis Gottes drängenden, nimmer müden Liebe. Bei den Verdammten dagegen ist es die Unrast des folternden Gewissens und des glühendenHasses; „denn ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht erlöschen“ (Is. 66, 24). (siehe auch den Beitrag: Schrecklich zu wohnen mitten im verzehrenden Feuer)

Es geht also in der Botschaft des dritten Gerichtsengels um nichts anderes als um die Ankündigung ewiger Höllenstrafe für die Gottesfeinde und Tieranbeter. Keiner wird hinein gezwungen. Wer aber, wenn er vor die Wahl gestellt wird, aus Feigheit oder Bosheit Christus verleugnet und dem Antichristen sich anschließt, hat auch die Folgen seiner Wahl zu tragen (Matth. 10, 33; 2. Tim. 2, 12). Was Moses im Auftrag Gottes zu Israel sprach, hat ebenso für jeden einzelnen Geltung und bringt ihm die letzte Verantwortlichkeit seiner sittlichen Entscheidungen zum Bewusstsein: „Ich rufe heute den Himmel und die Erde zu Zeugen gegen euch an: das Leben und den Tod habe ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch. So wähle denn das Leben, damit du am Leben bleibst, du und deine Nachkommen, indem du den Herrn, deinen Gott, liebst und seinen Weisungen gehorchst und an ihm festhältst; denn davon hängt dein Leben ab und die Dauer deiner Tage“ (5. Mos. 30, 19f).

Es gibt eine ewige Hölle, weil es einen ewigen, gerechten Gott gibt, der seiner nicht spotten läßt. Daran ändert die Abneigung eines ebenso empfindsamen wie leichtfertigen Geschlechtes gegen diese unbequeme Wahrheit der Offenbarung nichts. Abscheu vor der Sünde zu wecken und dadurch den Sünder zu retten, ist der nächste Zweck dieser Offenbarung, also ist sie zuerst ein Zeugnis für die barmherzige Liebe Gottes. Es heißt menschliche Vorurteile zum Kriterium der göttlichen Offenbarung machen und damit der christlichen Wahrheit jede Verbindlichkeit und absolute, von Zeitströmungen unabhängige Geltung nehmen, wenn zu unserem Vers bemerkt wird: „Wir wären dankbar, wenn die alten Christen diese grausame Vorstellung aus dem Judentum nicht übernommen hätten. Sie ziert unser Buch nicht und ist leider nicht das einzige Denkmal fanatischen Hasses gegen Heidentum und Ketzer, das die Geschichte des Christentums kennt. Unser heutiges religiöses Empfinden hat diese Vorstellungen abgestoßen. Wir ertragen sie nicht mehr. Der Gedanke der Verdammnis ist uns nur noch in der Form der völligen Vernichtung faßbar. Das Gericht kann für unsere Vorstellung nur darin bestehen, daß der dem höheren Leben innerlich Entfremdete in Gottes Nähe nicht mehr leben kann. Sein Licht erlischt in Himmelsluft“ (Joh. Weiß, Die Schriften des Neuen Testamentes II 663). Hier scheiden sich die Geister und ihre Maßstäbe für die Lebenswerte der Heiligen Schrift. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI.2, 1942, S. 216 – S. 218
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