Gottes Gerechtigkeit wird offenbar

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Apokalypse – Die sieben Plagen

Das Ausgiessen der Schalen. Kap. 16, Vers 5-9. Gottes Gerechtigkeit wird offenbar

Man sollte glauben, die Verwandlung des Wassers in Blut hätte den Engel, dem der Schöpfer dieses lebenswichtige Element anvertraut hatte, den „Engel der Gewässer“, zu wehmütiger Klage veranlaßt. Während die Windengel (7, 1f) und der Feuerengel (8, 5; 14, 18) aktiv ihre Elemente in den Dienst des Allherrschers einschalten durften, muss der Engel der Gewässer zusehen, wie alles verdirbt, was er zu behüten hat. Aber er weiß, daß es so gerade den Absichten Gottes dient und zum Strafwerkzeug wird. Darum preist er den Allheiligen und Allgerechten, der da ist und der da war. Wie 11, 17 braucht der dritte Gottestitel „der da kommt“ hier nicht beigefügt zu werden, denn Gott ist als Richter schon am Werk. Blutschuld wird durch Blutstrafe vergolten. In ihrem Wüten gegen die eifrigen Christen, die Heiligen, und gegen die Glaubensboten und Zeugen der Wahrheit, die Propheten nicht nur des Alten, sondern auch den Neuen Testamentes, haben diese gänzlich verderbten Menschen Blut vergossen und die Sünde getrunken wie Wasser (Job 15, 16). Jetzt müssen sie mit Blut ihren Durst stillen, um nicht zu verschmachten. Mit besonderem Nachdruck stellt der Engel fest, daß diese Menschen eine so außerordentliche Strafe verdienen. Während dem Gefolge des Lammes das Zeugnis ausgestellt werden konnte: „Sie sind ohne Makel“ (14, 5), setzt sich der Anhang des Drachen aus Verbrechern zusammen, denen die schlimmsten Strafen gebühren.

Die Art, wie hier vom „Engel der Gewässer“ als von einer den Lesern bekannten Erscheinung gesprochen wird, ist neben der früheren Erwähnung der Windengel und des Feuerengels ein beachtenswertes Zeugnis für den Engelsglauben der Urkirche. Die heidnischen Vorstellungen von Gottheiten der Haine, Quellen und Flüsse, von Najaden, Nixen und Nymphen hatten sich im Spätjudentum wohl unter persischem Einfluss dahin umgebildet und erweitert, daß im Midrasch der Satz aufgestellt wird: „Du findest, daß über jedes Ding ein Engel gesetzt ist“ (Strack-Billerbeck III 818) Das Gute und Richtige an diesem alten Volksglauben ist vom Christentum der bloß mythologischen Zutaten entkleidet und mit der Offenbarung in Einklang gebracht worden. Auch die unbelebte Natur ist in das Erlösungs-Werk einbezogen. Schillers Klage in den „Göttern Griechenlands“, daß „die schöne Welt“ durch den einen Gott der Christen „seelenlos“ geworden sei, ist unbegründet. Seine Sehnsucht nach dem „holden Blütenalter der Natur“ übersieht die wehmütige Tragik, die das Leben der Hellenen überschattete, während er etwa in den „Fioretti“ eines heiligen Franz von Assisi hätte lernen können, wie ein echter Christusjünger die Natur erlebt.

Der Abschnitt 15, 1 bis 16, 6 wird am Donnerstag in der dritten Woche nach der Osteroktav als Schriftlesung des Breviers in der ersten Nokturn verwendet.

Was der Engel der Gewässer zum Preise des gerechten Richters gesagt hat, wird durch eine Stimme bekräftigt, die so klingt, als spräche der Altar im himmlischen Tempel selbst. Es sind aber die Märtyrerseelen unter dem Altar (6, 9f). Sie haben gefleht, der Heilige und Wahrhaftige möge ihr Blut an den Bewohnern der Erde rächen. Nun ist es geschehen. Dafür loben sie den Allherrscher, nicht weil ihr Rachedurst gestillt, sondern weil Gottes Gerechtigkeit vor aller Welt offenbar geworden ist. Das setzt voraus, daß nun die Zahl der Blutzeugen voll geworden ist; denn bis dahin sollten sie sich gedulden (6, 11).

Beim Klang der vierten Posaune war das Licht der Sonne um ein Drittel vermindert worden (8, 12). Das Ausgießen der vierten Schale dagegen steigert die Glut der Sonnenstrahlen, die vom Licht nicht zu trennen ist. Überall, nicht nur im wasserarmen und schattenarmen Orient, wo der Sonnenstich keine Seltenheit ist, brennt dann die Sonne wie ein versengendes Feuer auf die Menschen herab. Das Wortspiel des Urtextes ließe sich etwa so wiedergeben: „Und die Menschen wurden geglüht mit großer Glut.“ Sie wissen, woher diese Prüfung kommt, und können nicht leugnen, daß der Allmächtige sie zur Strafe über sie verhängt. Sie müssen mit David gestehen: „Bei Tag und Nacht lag deine Hand gar schwer auf mir, und meine Lebenskraft verdorrte wie durch Sommergluten“ (Ps. 32 [31], 4). Aber statt wie David reumütig ihre Schuld zu gestehen und Gott die gebührende Ehre zu zollen, lästern sie in frechem Trotz den Namen des Herrn, der ihnen die Plagen sendet. Wie ein Refrain wiederholt sich diese Feststellung der Verstockheit bei der fünften und sieben Plage. Die Menschen sind so weit gekommen, daß in ihnen die seelische Eigenschaft erstorben ist, an der die Gnade Gottes eine Anknüpfungs-Möglichkeit fände: der schlimmste Zustand, den es gibt. Schon im Klemensbrief heißt es davon: „Frechheit, Übermut und Vermessenheit eignen denen, die von Gott verdammt sind; Milde, Demut und Sanftmut denen, die von Gott gesegnet sind“ (1. Klem. 30, 8) Hat der Unglaube diesen Grad erreicht, dann gilt Jesu Wort: „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet“ (Joh. 3, 18). –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI.2, 1942, S. 230 – S. 232
siehe auch die Beiträge zu: Themenbereich Apokalypse

Category: Apokalypse
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