Die Zeit der Apostasie
Dürfen wir ein Privaturteil fällen?
Das Gewissen ist die nächste Norm unseres Handelns.
Das Gewissen im eigentlichen Sinne ist ein Urteil der praktischen Vernunft über die Güte oder Sündhaftigkeit einer Handlung. Durch die Anwendung eines Gesetzes auf einen konkreten Fall wird das Gewissen nächste Norm des sittlichen Handelns. (Jone, Moraltheologie S. 58-59)
Dem sicheren Gewissen muss man immer folgen, wenn es etwas befiehlt oder verbietet. Dies gilt sowohl für das wahre als das falsche Gewissen. (ebd., S. 61)
Erlaubt das sichere Gewissen eine Handlung, so darf man ihm immer folgen. (ebd.)
Das sichere Gewissen fällt sein Urteil ohne die Furcht, zu irren. Es genügt aber, wenn jede vernünftige Furcht ausgeschlossen ist, also moralische Gewißheit besteht. (ebd. S. 59)
Deharbe
In allen Umständen halte man sich demnach an die allgemein gültige Regeln: „Handle niemals gegen dein Gewissen“, gegen jene innere Stimme, welche dir bei deinen einzelnen Handlungen sagt, was erlaubt und was unerlaubt ist. Mag auch der Ausspruch derselben zuweilen irrig sein, so muss man sich dennoch danach richten, so lange man ihn mit Bestimmtheit für richtig hält. Deshalb sagt der hl. Paulus: „Alles, was nicht in gutem Glauben geschieht, ist Sünde.“ Röm. 14, 23 (Deharbe Katechismus, Bd. 2, S. 325)
Hl. Paulus
„Allein wenn auch wir, oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündet, als wir euch verkündet haben, der sei ausgestoßen!“ (Gal 1,8).
Dom Sarda y Salvany
Da haben wir einen Skrupel, oder besser, eine Dummheit, welche vor einigen Jahren von den Liberalen und liberal Angehauchten in Umlauf gebracht, sehr landläufig geworden ist. Wahrlich dies ist eine neue Theorie in der Kirche Gottes, die, wie wir mit Erstaunen gesehen haben, von solchen angenommen und verfochten wurde, von denen wir uns niemals hätten träumen lassen, daß sie sich so verrennen könnten; eine Theorie, welche überdies dem Teufel und seinen Anhängern so gelegen kommt, daß diese, von einem guten Katholiken angegriffen und entpuppt, sogleich zu derselben ihre Zuflucht nehmen, und hinter ihr sich verschanzen, mit der wichtigsten Miene der Welt fragend: ‘Wer seid Ihr, daß Ihr Euch herausnehmt, mich oder mein Blatt als liberal zu bezeichnen? Wer hat Euch zum Lehrmeister in Israel gesetzt, zu erklären, wer gut katholisch ist und wer nicht? Seid vielleicht ihr es, bei denen man um das Patent des Katholizismus nachsuchen muss?’
Muss man, um eine Person oder eine Schrift als liberal zu bezeichnen, immer das konkrete oder ausdrückliche Urteil der lehrenden Kirche über diese Person oder Schrift abwarten?
Wir antworten keck: in keiner Weise. Ließe man diese liberale, ungereimte, widersinnige Meinung gelten, so wäre damit ohne Zweifel das wirksamste Mittel gegeben, daß alle Verdammungsurteile der Kirche, hinsichtlich der Schriften sowohl als der Personen, in der Praxis ohne Wirkung bleiben würden.
Das Urteil der gehörig unterrichteten Vernunft
Ja, meine Lieben, auch diese ist ein locus theologicus, wie man in der Theologie sich ausdrückt, d. h. auch diese ist eine wissenschaftliche Erkenntnisquelle in Religionssachen. Der Glaube steht allerdings über der Vernunft; und es muss diese in allem sich jenem unterordnen; aber immerhin ist es falsch, daß die Vernunft aus sich allein nichts vermag; es ist falsch, daß der von Gott im menschlichen Erkenntnisvermögen entzündete Funken nichts erhelle, wenn er auch nicht so erleuchtet, wie die höhere Flamme des Glaubens. Es ist daher dem Gläubigen gestattet, und manchmal obliegt ihm sogar die Verpflichtung, über Gegenstände seines Glaubens nachzudenken, Folgerungen daraus zu ziehen, Anwendungen zu machen, Vergleichungen und Analogien oder Ähnlichkeiten abzuleiten.“ (Dom Sarda y Salvany, Der Liberalismus ist Sünde)