P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 1. Begriff und Gegenstand des Glaubens
1. Begriff des Glaubens

Was ist der Glaube eines katholischen Christen?

Der Glaube ist eine von Gott verliehene Tugend, wodurch wir alles fest für wahr halten, was Gott geoffenbart hat und uns durch seine Kirche zu glauben vorstellt.

Glauben im allgemeinen heißt, etwas für wahr halten, was ein anderer aussagt, und zwar deswegen es für wahr halten, weil man überzeugt ist, dass der andere die Wahrheit kennt und die Wahrheit sagen will. Ein Freund sagt dir z.B., der und der sei gestorben, er selbst habe an dessen Todesbette gestanden. Wenn du dies nun für wahr hältst, weil dein Freund ein verständiger und wahrheitsliebender Mann ist, so glaubst du ihm. Hältst du dagegen für wahr, daß die Sonne heller leuchtet als der Mond, weil du das mit Augen siehst, oder hältst du für wahr, daß drei mehr ist als zwei, weil dein Verstand dir das sagt, so ist dies kein Glauben, sondern ein Wissen. Beim Glauben ist der Grund, warum man etwas für wahr hält, immer die Aussage eines anderen, von dessen Sachkenntnis und Wahrheitsliebe man überzeugt ist. Wir glauben demnach Gott, wenn wir für wahr halten, was er uns geoffenbart hat, und es eben deshalb für wahr halten, weil er die unfehlbare Wahrheit ist. Merken wir uns also dies wohl: der christliche Glaube hat seinen Grund nicht darin, dass man eine Sache mit seinen Sinnen wahrnimmt oder durch seine Vernunft einsieht, sondern er stützt sich einzig auf das Wort und Ansehen Gottes, d. h. auf den Gedanken: Gott hat es gesagt, und der kann weder irren noch lügen; darum muss es unbedingt wahr sein.
Hieraus folgt von selbst, dass Glauben im christlichen Sinne nicht verwechselt werden darf mit einem bloßen Meinen oder Mutmaßen: der christliche Glaube ist, wie der hl. Paulus sagt (Hebr. 11,1), eine „feste Überzeugung von dem, was man nicht sieht“, eine Überzeugung, welche jeden freiwilligen Zweifel ausschließt.

Warum heißt der christliche Glaube eine Tugend?

Weil der Glaube, zu welchem der Christ verpflichtet ist, nicht bloß in einem vorüber-gehenden Akte, sondern in einer dauernden Gesinnung besteht.

Wenn ich den Glauben erwecke, etwa mit den Worten: „O mein Gott, ich glaube fest alles, was du geoffenbart hast und uns durch deine heilige katholische Kirche zu glauben vorstellst u.s.f.“, so ist das ein Glaubensakt, der nach einigen Augenblicken zu Ende ist; allein die gläubige Gesinnung, die er ausdrückt, muss bleiben. Solche gute Gesinnungen aber, die in der Seele bleiben, heißen Tugenden.

Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 17-18