P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
Vom apostolischen Glaubensbekenntnis – Zweiter Glaubensartikel
§ 2. Jesus Christus wahrer Gott

Wie beweisen die Wunder Christi seine Gottheit?

Sie beweisen, daß Christus die Wahrheit sprach, wenn er sagte, er sei Gottes Sohn; denn Gott kann unmöglich eine Lüge durch Wunder bekräftigen.

Als Gott dem Moses im brennenden Dornbusch erschien und ihm den Befehl gab, den Ältesten Israels zu verkündigen, daß Gott der Herr ihm erschienen sei und beschlossen habe, sein Volk wegzuführen aus dem Elend Ägyptens, antwortete dieser: „Sie werden mir nicht glauben, sondern sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen.“ Da verlieh Gott dem Moses die Kraft, Wunder zu wirken; „und dieser tat Wunderzeichen vor dem Volke, und das Volk glaubte.“ (2. Mos. 4) Und als Jesus in der Fülle der Zeit vom Himmel herabstieg, den Juden seine göttliche Lehre verkündete und feierlich behauptete, er sei von Gott gesandt und Gottes Sohn, da sprachen sie: „Was für Wunderzeichen wirkest du denn, daß wir sehen und dir glauben?“ Moses hat unseren Vätern Brot vom Himmel zu essen gegeben, und du, „was wirkest du?“ (Joh. 6, 30. 31) Wunder sind also Zeichen, wodurch Gott seine außerordentlichen Gesandten zu beglaubigen pflegt. Wenn ein König einen neuen Gesandten irgend wohin schickt, so gibt er ihm ein Beglaubigungs-Schreiben mit, wodurch derselbe sich ausweisen kann; und damit niemand die Echtheit des Schreibens in Zweifel ziehe, setzt er sein königliches Siegel darunter. Das Siegel Gottes sind die Wunder. Tritt irgend ein Mensch auf und spricht: Zum Zeichen, daß ich von Gott gesandt bin und die Wahrheit lehre, tue ich dieses Wunder, und vollbringt er dann ein Werk, welches ein unzweifelhaftes Wunder ist, so ist seine Lehre als wahr erwiesen, seine göttliche Sendung ist vollkommen beglaubigt. Denn Gott, die ewige Wahrheit, kann unmöglich der Lüge Zeugnis geben. So hat nun Jesus getan; er hat hauptsächlich deshalb Wunder gewirkt, um seine Lehre zu bekräftigen und sich bei den menschen als Messias, als Gesandten und Sohn Gottes auszuweisen. An zwanzig verschiedenen Stellen des Evangeliums macht er die Zuhörer auf seine Wunder als auf einen Beweis seiner göttlichen Sendung aufmerksam. „Die Werke“, spricht er, „die mir der Vater gegeben hat, daß ich sie vollbringe, zeugen von mir, daß mich der Vater gesandt hat.“ (Joh. 5, 36) Und ein anderes Mal: „Wenn ihr mir (meinen Worten) nicht glauben wollet, so glaubt meinen Werken, damit ihr erkennt und glaubt, daß der Vater in mir ist und ich im Vater.“ (Joh. 10, 38) Und wiederum, als zwei Jünger, von Johannes dem Täufer abgesandt, zu ihm kamen, um zu fragen, ob er der verheißene Messias sei, gab er ihnen zur Antwort: „Gehet hin und verkündet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote stehen auf.“ (Matth. 11,3) Bevor Jesus den Lazarus von den Toten erweckte, erklärte er laut und feierlich, daß es geschehe, „damit der Sohn Gottes verherrlicht werde“, und das Volk glaube, daß er von Gott dem Vater gesandt sei. (Joh. 11, 4. 42)

Die Wunder Jesu und seine Berufung auf sie blieben auch nicht ohne Erfolg. Alle, die nicht verstockten Herzens waren, erkannten die Kraft dieses Beweises an. Deshalb sprachen sie bei der Auferweckung des Jünglings von Naim: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.“ (Luk. 7,16) Deshalb zog ihm das Volk von Jerusalem gläubig entgegen, geleitete ihn im Triumph in die Stadt und rief: „Hosanna“ Gebenedeit sie, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels!“ (Joh. 12, 13) Ohne Zweifel dachten und sprachen viele, die zeugen der Wunder Jesu waren, wie Nikodemus, ein Mitglied des Hohen Rates: „Meister, wir wissen, daß du als Lehrer von Gott gekommen bist; denn niemand kann die Wunder wirken, welche du wirkest, wenn nicht Gott mit ihm ist.“ (Joh. 3, 2) Ist aber Jesus ein Lehrer, der von Gott gekommen ist, so ist er auch Gottes Sohn, weil er eben dieses wiederholt und ausdrücklich gelehrt hat.

Eine besondere Bekräftigung erhält dieser Beweis noch durch den Umstand, daß Jesus seine Wunder nicht zu wirken pflegte wie jemand, der sie von Gott erbittet, sondern wie einer, der sie aus eigener Kraft vollbringt. Die Propheten, die Apostel und alle Heiligen, die Wunder wirkten, bekannten selbst, daß sie dieses nicht in ihrem Namen, nicht aus eigener Kraft, sondern im Namen und durch die Kraft Gottes taten. Darum riefen Elias und Elisäus, wie der hl. Athanasius bemerkt (Rede 4 gegen die Arianer), Gott an, daß er die Toten erwecken möge; darum flehte Elias zum Herrn, bevor er zur Beschämung der Baalspriester das Feuer vom Himmel auf den Opferaltar herabrief: „Herr, Gott, zeige heute, daß du der Gott Israels bist und ich dein Knecht bin. Erhöre mich, Herr, erhöre mich, damit dieses Volk erkenne, daß du, o Herr, Gott bist.“ (3. Kön. 18, 36. 37) Darum spricht Samuel zur Zeit der Weizenernte zum Volk Israel: „Nun bleibet und schauet das große Wunder, das Gott tun wird vor euren Augen. Ich will zum Herrn rufen, und er wird euch Donner und Regen geben. Und Samuel rief zu dem Herrn, und der Herr gab Donner und Regen an demselben Tage.“ (1. Kön. 12, 16-18) Aus dem nämlichen Grunde sagt auch der hl. Petrus zum Lahmgeborenen: „Im Namen Jesu Christi des Nazareners steh auf und wandle!“
Jesus hingegen tritt überall in eigenem Namen und mit eigener Machtvollkommenheit als Wundertäter auf: „Ich will, sei gereinigt!“ spricht er zum Aussätzigen (Luk. 5,13); zum Gichtbrüchigen (Mark. 2,11): „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ zum Hauptmann von Kapharnaum (Matth. 8, 7): „Ich will kommen und ihn (den Knecht) gesund machen“; zum Jüngling, der tot auf der Bahre lag (Luk. 7, 14): „Ich sage dir, steh auf!“ Allerdings schreibt er auch seinem Vater im Himmel die Wunder zu, aber eben sowohl sich selber, indem er spricht. „Alles, was der Vater tut, das tut auf gleiche Weise der Sohn; denn gleichwie der Vater Tote erweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.“ (Joh. 5, 19. 21) Nirgendwo schließt er sich selbst aus, er beteuert, daß sein und seines Vaters Wirken ein und dasselbe Wirken sei.

Dazu kommt noch, daß er nicht nur selbst Wunder wirkt, sondern auch seinen Aposteln den Auftrag und die Macht erteilt, in seinem Namen solche zu wirken. (Mark. 16, 17.. 18) Mit den Worten: „Heilet die Kranken, erwecket die Toten, reinigt die Aussätzigen, treibt die Teufel aus“ (Matth. 10, 8) teilt er ihnen eine Macht mit, über die Gott allein frei verfügt. Und diese Macht haben im Namen Jesu und im Glauben an seine Gottheit nicht nur die Apostel, sondern Tausende nach ihnen in der heiligen Kirche ausgeübt. Ist dieses nicht eine kraftvolle Bestätigung des vorausgehenden beweises, daß Jesus Christus wahrer Gott ist?

Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 326-328

siehe auch den Beitrag: Christi Weissagungen Beweis seiner Gottheit