Der Antichrist und die Zeit der Apostasie
Der hl. Paulus über die große Apostasie
Der hl. Paulus schreibt an die Thessalonicher (2. Thess. 2, 3-11): siehe Brief des hl. Paulus an die Thessalonicher 2. Kapitel
Wir haben hier eine Weissagung über vier große Tatsachen:
1. über eine Empörung, die der zweiten Ankunft unsers Herrn vorangehen soll;
2. über die Manifestation eines, welcher genannt wird, der Bösewicht;
3. über ein Hindernis, das seine Manifestation zurückhält und
4. endlich über die Periode der Macht und Verfolgung, deren Ursache er sein wird.
… Also was ist die Empörung? In dem Original heißt es (…) eine Apostasie, und in der Vulgata: discessio, aber eine Trennung. Nun aber schließt eine Empörung eine meuterische Trennung von einer Autorität und einen daraus folgenden Widerstand gegen dieselbe in sich. Wenn wir die Autorität finden können, so werden wir auch vielleicht die Empörung finden.
Es gibt in der Welt nur zwei höchste Gewalten, die staatliche und die geistliche, und diese Empörung muss entweder ein Aufstand oder ein Schisma sein. Überdies muss sie etwas sein, was ein weites Feld umfaßt und im Verhältnis steht zu den Ausbrüchen und Begebenheiten der Voraussagung … Es scheint eines kleinen Beweises zu bedürfen, daß diese Empörung oder Apostasie eine Trennung ist, nicht von der staatlichen, sondern von der christlichen Ordnung und Autorität; denn die Kirchenschriftsteller sprechen wiederholt von einer solchen geistlichen Trennung, und an einer Stelle scheint der heilige Paulus die Bedeutung dieses Wortes ausdrücklich zu erklären. Er gibt dem heiligen Timotheus zum Voraus die Warnung, daß in den letzten Tagen „einige vom Glauben abfallen werden“, und es scheint offenbar, daß derselbe geistige Abfall an dieser Stelle unter Apostasie verstanden wird.
Die Autorität also, gegen welche die Empörung stattfinden soll, ist die des Reiches Gottes auf Erden, von dem Daniel weissagt als dem Reiche, das der Gott des Himmels ausrichten werde, nachdem die vier Reiche durch den ohne Hände ausgehauenen Stein zerstört sind, der ein großer Berg wurde, und die ganze Erde erfüllte, oder mit andern Worten, es ist die eine und allgemeine Kirche, gestiftet von unserm Herrn, und durch seine Apostel in der ganzen Welt verbreitet. In dieses einzige übernatürliche Reich wurden der wahre und reine Theismus oder die wahre und reine Gotteserkenntnis, und der wahre und alleinige Glaube an den menschgewordenen Gott nieder gelegt mit den Lehren und Gesetzen der Gnade. Dies also ist die Autorität, gegen welche die Empörung stattfinden soll, sei diese Empörung, was sie wolle.
Da die Autorität, gegen welche die Empörung stattfindet, so beschaffen ist, so kann es nicht schwierig sein, über ihren Charakter ins Reine zu kommen. Die inspirierten Schriftsteller beschreiben ihre Merkmale ausdrücklich.
Das erste ist das Schisma, wie es von dem heiligen Johannes angegeben wird: „Es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, wird der Widergeist kommen; ja schon jetzt sind Viele Widerchristen geworden, woraus wir erkennen, daß die letzte Stunde ist. Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie bei uns geblieben sein.“ (1. Joh. 2, 18-19)
Das zweite Merkmal ist die Verwerfung des Amtes und der Gegenwart des Heiligen Geistes. Der heilige Judas sagt: „Das sind diejenigen, welche sich selbst trennen, sinnlich sind, (d.h. tierische oder bloß mit natürlicher Vernunft begabte Menschen) und den Geist nicht haben.“ (Judas 19) Dies schließt notwendig das häretische Prinzip der menschlichen Meinung in sich, als entgegen gesetzt dem göttlichen Glauben; der Privatansicht als entgegen gesetzt der unfehlbaren Stimme des Heiligen Geistes, der durch die Kirche Gottes spricht.
Das dritte Merkmal ist die Leugnung der Menschwerdung. Der heilige Johannes schreibt: „Jeder Christ, der bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen sei, ist aus Gott, und jeder Christ, der Jesum aufhebt (d. h. durch Leugnung des Geheimnisses der Menschwerdung entweder die wahre Gottheit oder die wahre Menschheit, oder die Einheit oder Göttlichkeit der Person des menschgewordenen Sohnes), ist nicht aus Gott, und dieser ist der Widerchrist, von dem ihr gehört habt, daß er kommt, und er ist schon jetzt in der Welt.“ (1. Joh. 4, 2-3) Ferner sagt er: „Es sind viele Verführer in die Welt ausgegangen, welche nicht bekennen, daß Jesus Christus im Fleische gekommen sei; ein solcher ist der Verführer und der Widerchrist.“ (2. Joh. 7)
Dies also sind die Merkmale, an welchen, wie die Kirche an ihren Zeichen zu erkennen ist, die antichristliche Empörung oder Apostasie erkannt werden kann. –
aus: Heinrich Eduard Manning, Kardinal, Der Antichrist oder die gegenwärtige Krise des heiligen Stuhls, im Lichte der Weissagung betrachtet, 1861, S. 13 – S. 17
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