Der 1. Brief des heiligen Apostels Paulus an Timotheus 1. Kapitel

Die reine Lehre ist in dem Evangelium enthalten

Paulus schreibt an Timotheus und wünscht ihm Gnade, Erbarmen und Friede. Ich bitte dich, schärfe einigen Lehrern ein, sich nicht mit grundlosen Lehren über die Stufenfolge und Zeugungen der englischen Wesen zu befassen; ihr Hauptzweck soll vielmehr sein, zur Liebe, die aus reinem Gewissen und echtem Glauben kommt, anzuweisen. Sie wollen Gesetzeslehrer sein, haben aber über das Gesetz selbst keine klare Erkenntnis. Das mosaische Gesetz ist gut, aber es ist nicht für die Gerechten, die wahren Christen, die es aus innerlichem Antrieb von selbst erfüllen, sondern für die Ungerechten, für alle gegeben, die der reinen Lehre entgegen handeln. Die reine Lehre ist in dem Evangelium enthalten, welches, Gott sei Dank, mir, der ich ein Verfolger und der größte Sünder war, aus Gnade und Erbarmen zur Verkündigung anvertraut worden ist; denn Christus ist gekommen, die Sünder selig zu machen, und auch meiner hat er zur Aufmunterung für andere sich erbarmt. So empfehle ich dir denn, jenen Hauptzweck im Auge zu haben, zu kämpfen für den wahren Glauben und ein reines Gewissen, welche einige verschmäht haben, wie Hymenäus und Alexander, die ich ausgeschlossen habe.

1. Paulus, Apostel Jesu Christi, nach dem Befehl Gottes (1), unseres Erretters (2) und Christi Jesu, unserer Hoffnung (3)
2. an Timotheus, den geliebten Sohn im Glauben. (4) Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott dem Vater und Christo Jesu, unserm Herrn. (5) Apostelg. 16,1.
3. Gleichwie ich dich gebeten habe, als ich nach Mazedonien reiste, in Ephesus zu bleiben, und einigen einzuschärfen, dass sie keine andere Lehre vorbringen (6),
4. noch sich mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abgeben sollen (7), welche mehr Streitfragen als Erbauung Gottes im Glauben veranlassen. (8)
5. Denn der Endzweck des Gebotes (9) ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und unverfälschtem Glauben (10):
6. wovon einige abwichen und auf eitles Geschwätz verfielen. (11)
7. Sie wollen Gesetzesgelehrte sein und verstehen nicht, was sie sagen, noch was sie behaupten. (12)
8. Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es recht gebraucht (13), Röm. 7, 12.
9. (nämlich) das einsieht, dass das Gesetz nicht für den Gerechten gegeben worden ist, sondern für den Ungerechten (14) und Ungehorsamen, für die Gottlosen und Sünder, für die Lasterhaften und Unreinen, für die Vatermörder und Muttermörder, die Totschläger,
10. die Hurer, die Knabenschänder, die Menschenräuber (15), die Lügner und Meineidigen, und was sonst der gesunden Lehre zuwider ist (16),
11. welche gemäß ist dem herrlichen Evangelium des seligen Gottes (17), das mir anvertraut worden.
12. Ich danke dem, der mich gestärkt, Christo Jesu, unserm Herrn, dass er mich für treu gehalten, und in das Amt eingesetzt hat (18):
13. der ich vorher ein Lästerer und Verfolger und Schmäher war (19): aber ich habe Gottes Barmherzigkeit erlangt (20), weil ich es unwissend tat im Unglauben (21):
14. und überschwänglich erwies sich die Gnade unseres Herrn mit Glaube und Liebe in Christo Jesu. (22)
15. O wahrhaft (23) und aller Annahme wert ist das Wort, dass Jesus Christus gekommen ist in diese Welt, die Sünder selig zu machen (24), unter denen ich der erste bin. (25) Mark. 2, 14.
16. Aber darum habe ich Barmherzigkeit erlangt, dass an mir ersten Christus Jesus alle Langmut zeige zur Belehrung für die, welche an ihn glauben werden zum ewigen Leben. (26)
17. Dem König der Ewigkeit, dem Unsterblichen, dem Unsichtbaren, dem alleinigen Gott sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit! Amen.
18. Diese Gebot empfehle ich dir (27), Sohn Timotheus, nach den zuvor über dich ergangenen Weissagungen (28), dass du denselben gemäß einen guten Kampf kämpfest,
19. den Glauben und ein gutes Gewissen bewahrest, welches einige von sich gestoßen und im Glauben Schiffbruch gelitten haben (29):
20. zu welchen Hymenäus und Alexander gehören (30), die ich dem Satan übergeben habe (31), damit sie lernen, nicht zu lästern. (32)

Anmerkungen:

(1) oder nach dem Willen Gottes. Siehe 1. Kor. 1, 1.
(2) Gott, der Vater, heißt unser Erretter, insofern die Rettung, Erlösung der Menschen von Ewigkeit her von ihm beschlossen war (Röm. 16,25), und insofern er uns durch seinen Sohn von der Herrschaft der Sünde und des Satans und vom ewigen Untergang wirklich errettet hat.
(3) Christus heißt unsere Hoffnung, insofern wir durch ihn alle Mittel zur ewigen Seligkeit, Entsündigung, Heiligung und endlich die ewige Glückseligkeit selbst erlangen (Chrys., Theophyl., Anselm).
(4) Den ich im Christentum groß gezogen habe. Im Griech.: dem wahren Sohn im Glauben (dem echten Christen; den ich im Christentum erzogen habe, und der auch wahrhaft so ist, wie ein Christ sein soll). Vergl. 1. Kor. 4, 14ff.
(5) Mögen Vater und Sohn dir den heiligen Geist senden, nämlich Gnade, Barmherzigkeit und Friede, welches seine Gaben sind. Der Apostel setzt sonst im Gruß nur Gnade und Friede (1. Kor. 1, 3), hier auch Barmherzigkeit, um die besondere Liebe zu dem geliebten Sohn kund zu geben (Chrys., Theophyl.). Rupertus fasst die Barmherzigkeit als Tugend. Weil Paulus, spricht er, im Brief an den Timotheus allen Bischöfen Unterricht erteilt, deren vorzügliche Pflicht und Zierde das Erbarmen ist, und weil Timotheus eines glühenden Eifers war, darum wünscht ihm Paulus füglich herzliches Erbarmen.
(6) Als das Evangelium, das er ihnen mitgeteilt hatte.
(7) Die jüdischen Lehrer, deren einige zu dem Christentum übergegangen waren, hatten damals über den Ursprung der englischen Wesen aus Gott, ihre Abstufungen untereinander und ihre Zeugungen auseinander mehrere heidnische Lehren in ihre Religion aufgenommen, obwohl es nichts als Fabeleien und Hirngespinste waren. Vgl. Kol. 2, 8 u. 18)
(8) welche wohl Veranlassung zu spitzfindigen, unnützen Streitfragen geben, aber den göttlichen Wachstum des Menschen im lebendigen Glauben nicht befördern. – Der Vers 3 angefangene Satz, wird von dem Apostel nicht vollendet, und man muss deshalb als Nachsatz hinter Vers 4 hinzufügen: so bitte ich dich auch jetzt, dieses zu tun.
(9) Der Verkündigung der Lehren und Gebote.
(10) denn die Prediger treten nicht darum auf, um Streitfragen über unnütze Dinge zu veranlassen, sondern der Zweck des Evangeliums ist – Anweisung zur Liebe gegen Gott und gegen den Nächsten, welche Liebe entspringt aus einem von Sünden gereinigten Herzen, einem guten, vorwurfsfreien Gewissen, und aus einem wahren, unverfälschten und ungeheuchelten Glauben (Cornel. A Lap.).
(11) Auf jene Engellehre (Vers 4)
(12) sie verstehen nicht, was sie sagen und behaupten. Sagen und behaupten sind gleichbedeutend. Diese jüdischen Lehrer heißen sich Meister im Gesetz, bemühen sich aus einigen Stellen des Gesetzes ihre Träumereien über die Engelordnungen und Zeugungen zu beweisen; aber sie können sich selbst keine klare Rechenschaft weder über ihre Behauptungen noch über ihre Beweise ablegen. Der Apostel zeigt nun, wozu das Gesetz, das diese Irrlehrer missbrauchen, gut sei.
(13) Nicht um die Fabeleien der Engellehre darin zu finden, sondern dazu, wozu es bestimmt ist, zur Erkenntnis der Sünde und zur Sehnsucht nach dem Erlöser. Siehe das Folgende.
(14) Wenn jemand einsieht, dass das Gesetz nicht für den Gerechten, für den wiedergeborenen, heiligen Christen gegeben ist (denn dieser vollzieht es aus innerem Antrieb des heiligen Geistes, und wird nicht von demselben verdammt, wenn er auch dagegen sündigt, weil er glaubt, dass Christus die Schuld auf sich genommen hat, und weil er alles tut, was Christus zu seiner Entsündigung vorgeschrieben hat), sondern für die Ungerechten, damit sie auf ihre Sünden, auf die Verdorbenheit ihres Herzens aufmerksam gemacht werden, und, um den Fluch, den das Gesetz über sie ausspricht, abzuwenden, sich an Christus wenden. Siehe hierüber das Weitere Gal. 3.
(15) die Menschen entführen und als Sklaven verkaufen (2. Mos. 21,16). Menschenverkäufer sind auch die Seelenverkäufer, welche die Unschuld aus eigennützigen Absichten der Verführung preisgeben, oder gar den Verführern in die Hände liefern.
(16) Und alle andern Sünder, welche gegen die Vorschriften des echten Christentums handeln.
(17) Gottes, welcher die höchste Seligkeit genießt.
(18) In das Apostelamt. Siehe Apostelg. 9.
(19) Siehe 1. Kor. 15,9; Apostelg. 8, 1ff.
(20) „Gottes“ ist nicht im Griechischen.
(21) Weil ich zwar als Ungläubiger, aber in der Unwissenheit sündigte; denn ich wusste nicht, daß ich den wahren Messias verfolgte, glaubte vielmehr, Gott gefällig zu werden, wenn ich für das Gesetz Mosis eiferte.
(22) Und der Herr gab mir überschwängliche Gnade zu einem lebendigen, tätigen Christentum.
(23) Das erfüllend, gewährend, was es verspricht.
(24) Siehe Röm. 3,25.
(25) Siehe 1. Kor. 15,8.
(26) Darum auch hat sich Gott meiner erbarmt, dass ich für alle, die einst glauben werden, um das ewige Leben zu erlangen, ein tröstliches Beispiel sei, woraus sie lernen können, wie barmherzig Christus Jesus die Sünder annehme.
(27) Der Apostel kommt wieder auf Vers 5 zurück. Diese Verkündigung des Christentums zu dem Zweck, um die Liebe, die aus Sittenreinheit und Glauben kommt, zu verbreiten, die schärfe ich dir ein.
(28) Nach den bei der Weihe über dich ausgesprochenen heiligen Worten. Da über dich bei der Einweihung das heilige Wort ausgesprochen wurde, dass du Bischof seiest, so erfülle nun auch dieses Wort, sei ein wahrer Bischof und sorge, dass nach dem rechten Endzweck (Vers 5) gepredigt werde.
(29) Die vom wahren Glauben abgefallen sind.
(30) Siehe 2. Tim. 2, 17. Beide sind nicht näher bekannt.
(31) Aus der Gemeinde ausgeschlossen habe. Siehe über den obigen Ausdruck 1. Kor. 5,5.
(32) dass sie nicht mehr auf gotteslästerliche Weise behaupten, meine Lehre sei in einigen Punkten irrig. Damit lästerten sie Paulus und Gott zugleich. Nach 2. Tim. 2,16-18 leugnete Hymenäus die Auferstehung; wahrscheinlich aus Ursache eines verdorbenen Herzens und unsittlichen Lebens; denn wer seine Glieder durch Unzucht geschändet, und überhaupt sein Gewissen befleckt hat, ist nicht geneigt, an Gericht und Auferstehung zu glauben. Siehe Apostelg. 24, 25 (Chrys.). –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 6. Bd. 1838, S. 278 – S. 281