Der Antichrist
Ist die Religion des Antichrist die Gottlosigkeit?
Der heilige Johannes sagt uns, dass jeder Geist, der nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, jener Geist des Antichrist ist, der eben jetzt schon in der Welt ist. Es war das Charakteristikum des Antichrist, dass er offen leugnen sollte, dass unser Herr Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der vom Himmel im Fleisch gekommen ist. So exakt und so völlig sollte diese Beschreibung ihm entsprechen, dass Christus leugnen passend der Geist des Antichrist genannt werden könnte; und die Ihn leugnen, so könnte man sagen, haben den Geist des Antichrist, sind gleich dem Antichrist, sind Antichristen. Dieselbe Sache wird in einem früheren Kapitel bestätigt. „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der da leugnet, dass Jesus der Christus sei? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht.“ (1. Joh. 2, 22f), aus welchen Worten überdies hervor geht, dass der Antichrist von der Verwerfung Gottes überhaupt übergehen wird, sei es durch Implikation oder in der Praxis. (siehe den Beitrag: Antichristen in der heiligen Schrift)
Dass der heilige Paulus und der heilige Johannes von demselben Feind der Kirche sprechen, scheint aus der Ähnlichkeit ihrer Beschreibungen klar zu sein. Sie beide sagen, dass der Geist selber schon in ihren Tagen am Werk sei. „Jener Geist des Antichrist“, sagt der heilige Johannes, „ist schon jetzt in der Welt.“ „Das Geheimnis des Bösen wirkt schon“, sagt der heilige Paulus. Und sie beide beschreiben den Feind als charakterisiert durch dieselbe spezielle Sünde, den offenen Unglauben. Der heilige Johannes sagt, „dass der der Antichrist ist, der den Vater und den Sohn leugnet“; während der heilige Paulus von ihm in ähnlicher Weise redet als „dem Gegner und Rivalen all dessen, was Gott heißt oder als Gott verehrt wird“, dass er „als Gott sitzt im Tempel Gottes, von sich selber sagend, dass er Gott ist“. In diesen beiden Stellen wird dieselbe lästerliche Leugnung Gottes und der Religion beschrieben; aber der heilige Paulus fügt hinzu als Zusatz, dass er gegen alle existierende Religion auftreten wird, ob falsch oder wahr, gegen „alles, was Gott genannt wird oder als Gott verehrt wird“.
Zwei weitere Stellen der Schrift mögen heran gezogen werden, die dieselbe rücksichtslose Gottlosigkeit prophezeien; eine aus dem elften Kapitel des Daniel: „Der König wird tun, was er will, und wird sich erheben und aufwerfen wider alles, was Gott ist, und wider den Gott aller Götter wird er lästerlich reden… Den Gott seiner Väter wird er nicht achten; er wird weder der Sehnsucht der Frauen noch irgendeines Gottes achten, denn er wird sich wider alles aufwerfen.“ Die andere Stelle ist an sich kaum mit irgend einer prophetischen Anspielung gezeichnet, es sei denn, dass alle Worte unseres Erlösers einen tiefen Sinn haben und die Väter diese Worte im besonderen so auffassen. „Ich bin gekommen in Meines Vaters Namen, und ihr nehmt Mich nicht an; so ein anderer wird in seinem eigenen Namen kommen, den werdet ihr annehmen“ (Joh. 5, 43). Sie erachten, dass dies eine prophetische Anspielung auf den Antichrist sei, den die Juden irrtümlich für Christus halten würden. Er wird kommen „in seinem eigenen Namen“. Nicht von Gott, wie doch sogar der Sohn Gottes kam, der, wenn überhaupt einer, in der Kraft Seiner wesentlichen Gottheit hätte kommen können, nicht im Namen Gottes, nicht mit einer vorgeblichen Mission von Ihm, sondern in seinem eigenen Namen durch eine blasphemische Anmaßung göttlicher Macht – so wird der Antichrist kommen.
Zu den obigen Stellen kann man noch jene hinzu fügen, die im allgemeinen von den Gottlosigkeiten der letzten Zeit der Welt reden, Gottlosigkeiten, die, wie wir glauben mögen, herein brechen und im Antichrist vollendet werden:
„Viele werden darüber kommen, und die Kenntnis wird zunehmen… Viele werden gereinigt, geläutert und bewährt werden, und die Gottlosen werden ein gottloses Wesen führen; und die Gottlosen alle werden`s nicht verstehen, aber die Verständigen werden`s verstehen“ (Dan. 12, 4 u. 10). „In den letzten Tagen werden gräuliche Zeiten kommen, denn es werden Menschen sein, die viel von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam und undankbar, ungeistlich, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unkeusch, wild, ungütig, Verräter, Frevler, aufgeblasen, die mehr die Wollust lieben denn Gott, die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie…“ (2. Tim. 3, 2-5). „Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln, und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ (2. Petr. 3, 3f) Die die Herrschaft verachten, frech, eigensinnig, nicht erzittern, die Majestäten zu lästern; und sie verheißen ihnen Freiheit, so sie selber Knechte des Verderbens sind“ (2. Petr. 2, 10f) und dergleichen. –
aus: John Henry Newman, Der Antichrist nach der Lehre der Väter, 1951, S. 31 – S. 36