1. BRIEF DES HL. JOHANNES KAP. 5 VERS 5-6
Die Bezeugung des Glaubens
Christus hat sich der Wasser- und Bluttaufe unterzogen
Wenn es vorhin geheißen hatte: der Glauben besiegt die Welt; so ist natürlich im Konkreten der Gläubige selbst gemeint, der durch seinen Glauben diesen Sieg gewinnt. Solch eine Siegeskraft liegt aber nur in dem richtigen Glauben, nämlich, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Denn als Sohn Gottes ist er nicht aus dieser Welt, sondern von oben, und besitzt deshalb die zur Überwindung der Welt und ihres Fürsten nötige Gotteskraft. Die folgenden Verse, wie überhaupt dieser ganze Abschnitt, bieten nun der Erklärung recht große Schwierigkeiten. Eine nach jeder Richtung hin unanfechtbare Erklärung wird kaum möglich sein, nicht nur wegen unserer mangelnden Kenntnis der zeitgeschichtlichen Voraussetzungen des Briefes, sondern auch schon wegen der Dunkelheit der johanneischen Denk- und Sprechweise.
Gegen gewisse gnostische Irrlehren gerichtet
Ohne Zweifel aber richten sich die zunächst folgenden Sätze gegen gewisse gnostische Irrlehren, nach denen zwischen dem Sohn Gottes oder dem Christus und Jesus ein Unterschied besteht: Jesus Christus ist nicht in einer Person Gott und Mensch und kann deshalb auch nicht einfachhin mit diesem Doppelnamen benannt werden. Sondern der Christus bzw. der Sohn Gottes, hat sich nur bei der Taufe in dem Menschen Jesus nieder gelassen, um diesen aber schon vor dessen Tod am Kreuz wieder zu verlassen, so dass also nur der Mensch Jesus am Kreuz gestorben ist. Es ist klar, dass durch diese Irrlehre, (…), nicht nur das Dogma von der Gottheit Christi, sondern auch das von der Erlösung vernichtet würde. Dagegen nimmt der heilige Johannes, ohne die Irrlehre bzw. deren Vertreter mit Namen zu nennen, ausdrücklich Stellung. „Der ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus.“ Man streitet darüber, ob das Pronomen „Der“ oder „Dieser“ (griechisch: Hútos) auf das vorhergehende „Jesus“ oder „der Sohn Gottes“ zu beziehen sei. Auf Jesus kann es sich nicht beziehen. Denn in diesem Fall wäre erstens die nachträgliche Bezeichnung „Jesus Christus“ sinnlos, und zweitens läge gar kein Grund vor, so ausdrücklich von Jesus zu betonen, dass er durch Wasser und Blut gekommen sei. Denn das wurde von den betreffenden Irrlehrern bezüglich des Menschen Jesus gar nicht bestritten.
Aus diesem Grund würde die Beziehung des Pronomens auf das Prädikat des vorher gehenden Satzes: „der Sohn Gottes“ besser passen: Der Sohn Gottes ist nicht nur durch das Wasser gekommen, wie die Irrlehrer behaupten, d. h. er stieg nicht nur bei der Taufe Jesu im Jordan in diesen herab, sondern er blieb auch bei dessen Kreuzestod und ist also auch durch das Blut gegangen. Allein, das „Jesus Christus“ würde in diesem Fall doch recht ungeschickt als Apposition nachhinken, und die ohne Zweifel absichtlich hervor gehobene Nebeneinander- und Gleichstellung beider Namen Jesus und Christus würde nicht recht zu ihrer vollen Bedeutung kommen. Das Pronomen „dieser“ ist also weder auf das Subjekt des vorher gehenden Satzes, „Jesus“, noch auf dessen Prädikatsnomen, „der Sohn Gottes“ zu beziehen. Sondern der Gedanke hebt von neuem an: „Der ist es“ – nämlich der den Gegenstand unseres Glaubens und der Bezeugung des Heiligen Geistes ausmacht – „Der durch Wasser und Blut gekommen ist, Jesus Christus“.
Christus ist eine greifbare geschichtliche Persönlichkeit
So entspricht dieser Satz dem folgenden: „Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt“ – Gegenstand des Zeugnisses und Bezeuger. Derjenige nämlich, an den wir Christen glauben – will Johannes versichern -, ist keine Fiktion, nicht ein Phantasie-Gebilde, wie heidnische oder auch gnostische Spekulation es gestalten, sondern eine greifbare geschichtliche Persönlichkeit. Das besagt das: „der gekommen ist“, nämlich in diese Welt. „Er ist gekommen durch Wasser und Blut.“ Das Taufwasser des Jordan und das am Kreuz vergossene Blut bezeichnen die Anfangs- und Endstation seines geschichtlichen Auftretens. Er ist durch das Wasser und Blut hindurch gegangen heißt soviel als: er hat sich der Wasser- und Bluttaufe unterzogen (vgl. Mark. 1, 9; 10, 39ff; Luk. 12, 50). Bei der Wassertaufe aber wurde er feierlich von oben her als der Messias proklamiert und durch seinen blutigen Tod am Kreuz hat er das Messiaswerk der Erlösung vollbracht. Dadurch aber, daß der geschichtliche Mensch Jesus in dieser Weise als Messias proklamiert worden ist und das Messiaswerk verrichtet hat, ist es auch erwiesen, dass er der „Jesus Christus“ ist, dass beide Namen in gleicher Weise seiner Person gehören und nicht zu trennen sind, so wenig als der Christus eine von Jesus verschiedene himmlische Persönlichkeit gewesen ist, die sich vor dem Kreuzestod wieder von ihm getrennt hat. Damit ist allerdings auch bewiesen, dass „Jesus der Sohn Gottes ist“ (Vers 5).
Christus ist durch Wasser und Blut hindurch gegangen
Der ganze Beweis stützt sich also auf die Tatsache, dass dieser eine und derselbe nicht nur durch das Wasser, sondern auch durch das Blut gekommen ist. Darum stellt Johannes diese geschichtliche Tatsache noch einmal ausdrücklich fest in etwas anderer Wendung: „Nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut.“ Obwohl beide Präpositionen „durch“ und „in“ nach ihrem mehr abgeschliffenen Gebrauch auch einfach das Mittel bezeichnen könnten, dessen er sich zu Erweis seiner Messianität und zu deren Vollbringung bedient hat, liegt doch die Grundbedeutung beider noch deutlich vor: Er ist durch die Wasser- und Bluttaufe hindurch gegangen; deshalb ist er – nämlich der ganze Jesus Christus, nicht nur der Mensch Jesus – auch in beiden zu finden, im Wasser und im Blut.
Es ist also unmöglich, diese Stelle vom Wasser und Blut lediglich auf den Joh. 19,34 geschilderten Vorgang zu beziehen, statt auf die Taufe und auf den Kreuzestod. Denn abgesehen davon, dass dort das Blut begreiflicher Weise zuerst genannt wird, während hier das Wasser voraus geht, wäre der betonte Gegensatz beider und die Hervorhebung der Bedeutung des Blutes so gar nicht zu verstehen. Ebenso ist auch die andere Meinung alter und neuerer Exegeten nicht haltbar, Johannes rede hier zugleich auch von den beiden Hauptsakramenten, zwischen denen das Leben des Christen verläuft, und durch die er am Leben des Sohnes teilnimmt, nämlich der Taufe und der heiligen Eucharistie. Aus der Präposition „in“ folgt das keineswegs, und der Ausdruck „der gekommen ist“ (griechisch: Partizip des Aorist) schließt eine solche Deutung direkt aus. Denn dieses Tempus der Vergangenheit bezeichnet ein jeweils einmaliges geschichtliches Ereignis, das also nur im Leben Jesu Christi stattgefunden haben kann, nicht aber bis ans Ende der Zeiten in jedem Christenleben sich so und so oft wiederholt. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XIII, 1941, S. 519– S. 521