Lehrschreiben der Päpste
Am Kreuz starb das Alte Gesetz
um dem Neuen Bund Platz zu machen
Aus: Pius XII. Mystici Corporis – Die Kirche der geheimnisvolle Leib Christi
Daß Christus sein Werk am Kreuzesstamm vollendet habe, versichern in ununterbrochener Reihenfolge die Zeugnisse der heiligen Väter, die darauf hinweisen, daß die Kirche am Kreuz aus der Seite des Erlösers geboren worden sei als neue Eva und Mutter aller Lebendigen. (Vgl. Gen. 3, 20) Wo der große Ambrosius von der durchbohrten Seite Christi spricht, führt er aus: „Jetzt wird sie gebaut, jetzt gestaltet, jetzt … gebildet, und jetzt erschaffen… Jetzt erhebt sich der geistliche Bau zum heiligen Priestertum“. (Ambrosius, In Lucam II 87. PL 15, 1585) Wer in diese verehrungswürdige Lehre frommen Sinnes eindringt, wird leicht die Gründe erkennen, auf die sie sich stützt.
776. Fürs erste nämlich folgte auf den durch den Tod des Erlösers aufgehobenen Alten Bund der Neue. Damals wurde das Gesetz Christi mit seinen Geheimnissen, Satzungen, Einrichtungen und heiligen Bräuchen für den ganzen Erdkreis im Blute Christi besiegelt. Denn während der göttliche Erlöser noch in den engen Grenzen seines Landes predigte – er war ja nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (Vgl. Matth. 15, 24) – liefen Gesetz und Evangelium nebeneinander her. (Vgl. Thomas von Aquin, Sum. Thel. I-II q. 103 a. 3 ad 2) Doch am Stamme des Kreuzes hob Jesus durch seinen Tod das Gesetz mit seinen Vorschriften auf (Vgl. Eph. 2, 15), heftete den Schuldschein des Alten Bundes ans Kreuz (Vgl. Kol. 2, 14), und gründete in seinem Blut, das er für das gesamte Menschengeschlecht vergoß, den Neuen Bund. (Vgl. Matth. 26, 28; 1. Kor. 11, 25) „Derart augenscheinlich“, so sagt der heilige Leo der Große, wo er vom Kreuz des Herrn spricht, „wurde der Übergang vom Gesetz zum Evangelium, von der Synagoge zur Kirche, von der Vielfalt der Opfer zum einzigen Opfer vollzogen, daß, als unser Herr seinen Geist aufgab, jener geheimnisvolle Vorhang, der das verborgene, innerste Heiligtum des Tempels abschloß, plötzlich gewaltsam von oben bis unten zerriß“. (Leo Magnus, Sermo 68 3. PL 54, 374)
Am Kreuz also starb das alte Gesetz, das bald begraben und todbringend werden sollte. (Vgl. Hieronymus, Epist. CXII 14 und CXVI 16. PL 22, 924 und 943; Thomas von Aquin, Sum. theol. I-II q. 103 a. 3 ad 2; a. 4 ad 1; Konzil von Florenz: pro Jacobitis. Denzinger Nr. 712), um dem neuen Bund Platz zu machen, zu dessen geeigneten Dienern Christus die Apostel erwählt hatte. (Vgl. 2. Kor. 3, 6)
Quelle: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche 1953