F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube
Zweites Hauptstück
Erster Abschnitt – 2. Merkmal der Kirche Heiligkeit
Diese Eigenschaft ist das zweite Merkmal der wahren Kirche Christi.
Heilig ist sie, weil Christus selbst, der sie gestiftet, der Heiligste ist, weil die Heilsmittel, welche Christus ihr übergab, heiligend sind, und weil Christus den Seinigen das Streben nach Heiligkeit als Hauptpflicht ihres Tuns und Lassens bezeichnete, dafür sein Gebet dem himmlischen Vater aufopferte und sich selbst als Vorbild zur Nachfolge hinstellte. „Vater, ich heilige mich für sie, damit sie auch geheiligt seien in Wahrheit.“ „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ „Ich bin die Wahrheit, der Weg und das Leben, – folget mir nach.“
Ebenso zielen alle ihre Belehrungen, Mahnungen und Vorschriften, wie die Sendschreiben annoch bezeugen, die sie an die Christen gerichtet: „Christus liebte seine Kirche, schreibt der heilige Paulus, und hat sich für sie hingegeben, auf dass er sie heilige – und sie sei eine glorreiche Kirche, ohne Makel und Runzel, noch etwas dergleichen, sondern, dass sie heilig sei und ohne Tadel.“
Die Geschichte bezeugt, wie wundervoll erhaben, ehrwürdig und glorreich in dieser Beziehung die Kirche der ersten Zeit in Mitte heidnischer Versunkenheit erstrahlte. – Das ganze Bestreben der Hirten und Lehrer der heiligen Kirche vom Anbeginn war vor allem darauf gerichtet, durch Wort und Tat und die eifrige Spendung der Gnadenmittel die Glieder der Kirche zu heiligen, und nur diejenigen, welche im Stande der heiligmachenden Gnade sich befanden, erkannten sie als lebendige Glieder derselben.
Auch dieses Merkmal der Heiligkeit hat die katholische Kirche und somit ist sie die wahre Kirche Christi.
Der Stifter der katholischen Kirche ist der heiligste der Heiligen. Die Lehre und der ganze Gottesdienst der katholischen Kirche, sowie die heiligen Sakramente, die sie spendet, atmen nur Heiligkeit und ermuntern zur Vollkommenheit. Sie allein endlich ist es, der alle die Chöre der Heiligen angehören, die seit Christus die Welt durch ihren Tugendglanz erleuchteten.
Wahrlich, welch ein imposantes, glorreiches, hocherfreuliches und auffallendes Merkmal der Wahrheit der katholischen Kirche, dass sie allein die Mutter derjenigen ist, welche die Welt als Helden und Heldinnen der Tugend angestaunt und noch anstaunt, und welche die Kirche als Heilige erklärt und anerkennt!
Heiligkeit der Kirche durch die unzähligen Blutzeugen
Wir erblicken unter denselben in den vordersten Reihen siebzehn Millionen von Blutzeugen aus jedem Stand, Geschlecht und Alter, die für das Bekenntnis des Glaubens der katholischen Kirche bloß in den drei ersten Jahrhunderten unter den entsetzlichsten Martern ihr Blut vergossen. Und wie viele haben im Laufe der übrigen Jahrhunderte bis auf unsere Tage dasselbe getan? Fragt Japan, fragt China und die Tartarei. Fragt Afrika und euer eigenes Amerika. Wie viele Glaubensboten der katholischen Kirche verbluteten unter den Indianern von Süd- und Nord-Amerika! Fragt Syrien in den letzten Jahren.
Wir erblicken neben diesen heldenmütigen Blutzeugen zunächst die ehrwürdige und erlauchte Versammlung der heiligen Väter und Kirchenlehrer, von Hermas, Clemens, Justin bis auf Bernard, die alle katholisch gewesen.
Wir erblicken unter den übrigen Heiligen als Zeugen des katholischen Glaubens, von Linus angefangen, die unübersehbare Zahl der heiligen Päpste, Bischöfe, Lehrer und der übrigen Bekenner aus jedem Stand und Geschlecht. Es sind dies die edelsten Blüten der Menschheit, deren Tugendgröße so oft, selbst von den Feinden der katholischen Kirche angestaunt und bewundert ward. –
Der große protestantische Gelehrte Leibniz konnte nicht umhin zu bekennen, dass die katholische Kirche allen Grund habe, auf diese Tugendgröße ihrer Heiligen hinzuweisen und aus derselben ihre Echtheit als Kirche Christi nachzuweisen.
Die Wundertaten der Heiligen
Ungebildete oder sonst ununterrichtete Spötter über die katholische Kirche mögen freilich das bezweifeln, was uns die Lebensgeschichte der Heiligen von den Wundertaten berichtet, und welche dieselben im Leben und nach dem Tode so hoch verherrlichten. Sie mögen diese Wunder bezweifeln, allein ihre Tugendgröße sind sie doch, auch abgesehen von den Wundern, anzuerkennen genötigt. Ihre Großtaten, ihren Eifer und ihre Opfer zum Heil der Menschheit, sind sie nie und nimmer zu leugnen imstande, und darum handelt es sich doch eigentlich.
Aber auch, was die Wunder selbst betrifft, durch welche Gott die Heiligkeit dieser seiner preiswürdigsten Diener verherrlichte, ist es so leicht nicht, wie manche aus euch meinen dürften, die historische Gewissheit derselben zu bezweifeln. Nennt mir ein einziges Tribunal, nennt mir einen anderen Gerichtshof auf Erden, der mit der Strenge, Unparteilichkeit und Vorsicht zu Werke geht, als der römische Gerichtshof, die Rota genannt, vor welchem zu Rom über die Heiligkeit der Diener Gottes, und über die nach dem Tode derselben erfolgten Wunder verhandelt wird. Es lohnt sich der Mühe, euch dies etwas ausführlicher nachzuweisen.
Die strenge Prüfung der Wunder durch die Rota
Erstlich wird kein Schritt zur Prüfung von Wundern in Rom getan, wenn es sich um die Heiligsprechung eines Dieners Gottes handelt, als bis zuerst aus seinem Leben und Sterben, durch eidlich bekräftigte Zeugnisse unleugbar nachgewiesen ist, dass der in Frage stehende Diener Gottes alle christlichen Tugenden nicht nur geübt, sondern in außerordentlichem, heldenmütigem Grad dieselben erprobt und bewiesen habe.
Was die Wunder betrifft, so entscheidet keines, welches dieser Diener in seinem Leben gewirkt haben mochte, und wenn es zehntausend wären, wie man dies von einem Gregor dem Wundertäter oder von dem hl. Franziskus von Hieronymo liest, sondern Rom verlangt, dass nach dem Tode eines im Ruf der Heiligkeit Verstorbenen durch dessen Anrufung Wunder geschehen seien. Sollte dieses letztere behauptet werden, dann verlangt Rom, dass vom Bischof des Ortes, wo das Wunder geschehen sein soll, eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet und dieses in Frage stehende Wunder unter eidlichen Zeugnissen konstatiert werde.
Im Falle diese bischöfliche Kommission die Richtigkeit des Wunders nicht anerkennen sollte, ist auch weiter in Rom von einer Verhandlung darüber keine Rede mehr. Sollte aber diese bischöfliche Kommission die Richtigkeit des Wunders anerkannt haben, so begnügt sich Rom damit nicht, sondern ernannt eine andere Kommission, die den Gegenstand von Neuem, unter beschworenen Zeugnissen, behandelt. Im Falle, dass man nun beide Kommissionen die Richtigkeit des Wunders anerkennen, dann erst wird der Prozess von Neuem vor der Rota zu Rom selbst verhandelt und die angeführten Wunder werden von Neuem geprüft.
Das Beispiel des Jesuiten Franziskus Regis
Wie streng aber Rom dabei zu Werke geht, ist weltbekannt, und eine Begebenheit neuerer Zeit mag dieselbe beleuchten. Es geschah nämlich, dass ein Engländer, gerade zur Zeit nach Rom kam, als die Heiligsprechung des hl. Franziskus Regis mit einem Kardinal über die Wahrheit der katholischen Kirche, äußerte sich der Engländer gegen den Kardinal, man mache sich in Rom die Heiligen nach Belieben und erdichte ihre Wunder. Freund, erwiderte der Kardinal, Sie tun am besten und überzeugen sich selbst, wie man hier in Rom bei der Untersuchung zu Werke geht. Lesen Sie diese Akten.
Er übergab ihm dieselben, es waren einige hundert Wunder in denselben berichtet, welche der hl. Franziskus Regis nach seinem Tod gewirkt haben sollte. Der Engländer las und staunte, mit welcher Genauigkeit diese wundervollen Heilungen berichtet und bewiesen waren. Er gab alsdann die Akten, nachdem er sie durchgelesen hatte, dem Kardinal zurück und sagte: „Ja, wenn Rom bei der Untersuchung aller Wunder so genau zu Werke geht, wie in diesen Akten, dann müsste ich in der Tat glauben, dass das wahr sei, was man von euren Heiligen liest.“
Da lächelte der Kardinal und sagte: „Sehen Sie, mein Freund, von allen diesen Wundern hat Rom auch nicht ein einziges anerkannt.“ Da staunte der Engländer noch mehr und gestand, dass nur eine blinde Voreingenommenheit an der unerbittlichen Strenge und großen Gewissenhaftigkeit zweifeln könne, womit die Kirche die Wunder prüft, ehe sie einen Verstorbenen, der sie gewirkt haben soll, den Seligen oder Heiligen beizählt.
Wieviele Heilige haben die Protestanten aufzuweisen?
Protestanten! sagt: Wie viele Heilige habt ihr aufzuweisen, wie heißen dieselben und welche Wunder haben dieselben im Leben oder nach dem Tode gewirkt?
Was eure Stifter selbst betrifft, so ist ihr Leben bekannt. –
Würdet ihr euch nicht vor euren eigenen Kindern schämen, wollte man die Tischreden Luthers denselben vorlesen? Doch nichts von diesem deutschen Reformator zu sagen, blickt zurück auf euer einstiges Vaterland, von woher ihr die Reformation geerbt. Ist es vielleicht der ehebrecherische und grausame Heinrich VIII. oder die Königin Elisabeth, auf die ihr euch beruft? Würdet ihr keinen Anstand nehmen, eure Kinder zu ermuntern, so zu leben, wie diese ersten Reformatoren gelebt?
Wie heißen überdies eure Märtyrer, Kirchenlehrer und eure heiligen Seelenhirten? Wie viele heilige Frauen und Jungfrauen habt ihr in eurem protestantischen Heiligenkalender aufzuweisen? Wie heißen insbesondere eure heiligen Yankees und welche Wunder haben sie getan?
Seht, so ferne liegt von euch und von allen Protestanten der Welt der bloße Gedanke, so etwas zu beanspruchen, dass die Frage selbst euch lächerlich scheint. Und doch betet ihr nach den Worten der Apostel: Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen und nennt und bekennt die Kirche heilig, deren Glieder ihr sein wollt, und die unter euch wie ein dürrer Baum dasteht, leer an Früchten wahrer Heiligkeit.
Nach wem sind die Vornamen der Protestanten benannt?
Eure Namen selbst, mit dem man euch von Kindheit her in euren Familien genannt, erinnern euch an den Mangel dieser Eigenschaft bei der protestantischen Kirche. Wenn ihr euren Kindern den Namen eines Heiligen beilegen wollet, dann seid ihr gezwungen, zu dem Namen eines Heiligen der katholischen Kirche eure Zuflucht zu nehmen. Ihr nennt sie: Franz, Karl, Heinrich, Katharina, Elisabeth u. dgl. Ja, ihr nennt sie selbst nach den Namen von heiligen, die nach der Reformation in der katholischen Kirche gelebt; ihr nennt sie Aloysius, Theresia usw.
Oder wenn euch diese Namen widerwärtig sind, weil sie euch zu oft und zu ungelegen an die Wahrheit der katholischen Kirche als Mutter der Heiligen erinnern, dann seid ihr gezwungen, zu dem alten Bund eure Zuflucht zu nehmen und nennt eure Kinder: Abraham, Isaak, Jakob, David, Ruben, Rebekka, Sarah, Judith usw., oder ihr steigt noch tiefer herab und gebt ihnen die Namen eurer politischen Heiligen von Amerika!
Ich will euch sagen, wie weit eure Ansprüche auf Heiligkeit in diesem Land gehen: Wenn man von einem Mann sagen kann: ein feiner Mann (a smart man), every inch a gentleman, a throughout accomplished lady, eine vollkommen gebildete Dame, so ist das euch genug. Wenn ein solcher Mann es überdies versteht, sein Geschäft besser als andere vorwärts zu bringen und in kurzer Zeit ein enorm reicher Mann wird, so genügen euch diese Wunder, um diesen Mann selig zu sprechen und auf den Altar eurer Bewunderung und Verehrung zu erheben.
So herb und derb diese Sprache auch klingt, so wird doch jeder aus euch, der dies liest, bei sich denken: Es ist so.
Eine heilige Kirche bekennen und nicht einen einzigen Heiligen nachweisen können, das ist schlimm genug. –
aus: Franz Xaver Weninger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 83 – S. 89
Überschriften hinzugefügt
Folgebeitrag: 3. Merkmal der Kirche Die Allgemeinheit
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- Beiträge von F. X. Weninger
- F. X. Weniger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube – Inhaltsangabe des Buches
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