F. X. Weninger SJ: Katholizismus, Protestantismus und Unglaube
Zweites Hauptstück – Von dem Prinzip des Protestantismus
Wie ich bereits in meiner Einleitung bemerkte, so liegt der eine Hauptgrund, warum ihr Protestanten bleibt, darin, dass es euch nicht Ernst genug ist, euch von der Wahrheit, in Beziehung auf Religion, zu überzeugen. Es ist Mangel an ernster Prüfung, besonders in Hinsicht auf das Prinzip des Glaubens und die eigentliche Glaubensregel.
Uns Katholiken gilt die Lehr-Autorität der durch Gott, den heiligen Geist, geleiteten Kirche in ihren feierlichen Aussprüchen als oberste Glaubensregel.
Den Protestanten gilt die Bibel, und zwar nach eigener Auslegung derselben als oberste Glaubensregel. So denkt auch ihr, Amerikaner. Warum? Weil ihr nie mit vollem Ernst die Glaubensregel des Katholizismus mit der des Protestantismus verglichen und geprüft habt. Tätet ihr das mit der gehörigen Gründlichkeit, dann würdet ihr auf der einen Seite die Göttlichkeit der katholischen Kirche und die unerschütterliche Festigkeit ihrer Glaubensregel klar erkennen, auf der anderen Seite aber eben so deutlich einsehen, dass der Protestantismus durchaus nicht die von Christus gestiftete Kirche, und dass seine Glaubensregel sich selbst widersprechend und durchaus ungenügend sei.
Lassen wir es auf eine Probe ankommen; wenn es euch wirklich ernst ist, die Wahrheit zu erkennen, so lest mit voller Unbefangenheit des Geistes, was ich euch in den folgenden Blättern über diesen Gegenstand sagen werde.
Erster Abschnitt
Die Göttlichkeit der katholischen Kirche und ihre Glaubensregel
Ich stelle die ganze Kontroverse über die Erlaubtheit eurer Trennung von der katholischen Kirche auf die Schneide einer einzigen Frage. Ich frage euch nämlich: Was ist der eigentliche und letzte Grund, warum die Reformation ein Recht in Anspruch nahm, sich von der Mutterkirche zu trennen? Es ist der Vorwurf, die katholische Kirche sei seit dem fünften oder sechsten Jahrhundert von dem Weg der Wahrheit abgewichen – sie habe sich verändert und sei durch menschliche Missbräuche entstellt worden und habe somit aufgehört, die wahre Kirche Christi zu sein.
Mit dieser Behauptung steht und fällt der ganze Protestantismus. Es fragt sich ja bei der Reformation nicht, ob Tetzel oder Leo X. ein guter oder schlechter Mensch und Katholik gewesen, sondern die Frage hält sich an die Kirche selbst. Hat die katholische Kirche als solche, d. h. als die erste und von Christus selbst gestiftete Kirche sich verändert oder nicht. Das Unternehmen der Stifter des Protestantismus zu reformieren, galt der Kirche als Kirche, sonst wäre kein Recht da gewesen, sich von der Kirche selbst zu trennen.
Gegen diesen Grundpfeiler der Reformation, nämlich gegen die Behauptung, die Kirche habe sich als Kirche verschlechtert, steht diese meine Gegenbehauptung: So lange die Vernunft Vernunft, und Christus Christus ist, kann von der Verschlechterung der Kirche, die er als göttlich gestiftet hat, nie die Rede sein; mithin konnte auch nie ein rechtmäßiger Grund von Seite der Reformation geltend gemacht werden, sich von der Kirche selbst zu trennen, die sie als die erste und älteste Kirche erkannten und anerkennen mussten.
Es gibt keine Verschlechterung bei einer göttlich gestifteten Kirche
Ich sage, so wahr unsere Vernunft Vernunft ist, kann von einer Verschlechterung bei einer göttlichen Kirche keine Rede sein, die für eine Ewigkeit gestiftet wurde, und der bloße Gedanke der Reformation einer solchen göttlichen Kirche durch Menschen, ist der größte Widersinn, den ein Mensch nur ersinnen kann. –
Ich beweise dies durch folgenden Vernunftschluss: Ich sage: Was Gott zu einem bestimmten Ziel erschaffen und angeordnet hat, das bleibt, solange dieses Ziel selbst bleibt, und kein Mensch und kein Engel und kein Teufel kann es ändern.
Ich beleuchte das Gesagte durch ein Gleichnis. – Gott hat die Kräfte der Natur in der sichtbaren Welt für den Bestand derselben angeordnet und festgestellt und kein Mensch, kein Engel und kein Teufel kann dieselben ändern. Der Mensch kann die Kräfte der Natur gebrauchen oder missbrauchen, allein ändern kann er sie nicht, reformieren kann er dieselben nicht! Was würdet ihr wohl von dem Ansinnen Luthers und der übrigen Reformatoren gesagt haben, wenn es ihnen eingefallen wäre, Sonne, Mond und Sterne und überhaupt die Natur zu reformieren. Eine Reformation des Weltsystems – ist das nicht der törichste Unsinn? Und dennoch ist er nicht größer, als der Gedanke einer Reformation der von Christus in göttlicher Vollmacht gestifteten Kirche.
Auch die Kirche ist eine Schöpfung, eine geistige Welt, ein Universum der Gnadenwirkungen Gottes. Diese Schöpfung steht unendlich höher, als die der Natur und steht noch fester, weil für die Ewigkeit begründet. – Himmel und Erde werden vergehen, spricht Jesus Christus, aber meine Worte nicht. Also auch diese Worte nicht: „Du bist Petrus – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Hört ihr! Es fragt sich hier nicht, wer dieser Felsen ist und nicht, wer Petrus und der Papst ist, sondern die Versicherung und Verheißung Christi ist es: Die Pforten der Hölle werden sie (die Kirche) nicht überwältigen.
Die von Christus gestiftete Kirche bleibt unveränderlich
Das führt zum zweiten Teil meiner Behauptung; nämlich, so gewiss Christus Christus ist, d. h. der menschgewordene Sohn Gottes, so gewiss bleibt seine Kirche unveränderlich, die eine, die wahre, die erste und die letzte. Zu bestimmt und zu deutlich ist die Verheißung: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Wenn Christus selbst auf so feierliche Weise beteuert: „Sie wird sich nie ändern“ – wer durfte als Christ es wagen, zu sagen: „Sie hat sich geändert.“ Wäre diese Behauptung wahr, so ist Christus auch nicht Christus; denn dann hat er nicht die Wahrheit geredet, dann ist er nicht Gott, dann ist seine Kirche nicht göttlich, dann liegt auch nichts daran, ein Christ zu sein oder nicht, dann ist auch der Unterschied bedeutungslos: Protestant oder Katholik; denn dann sind beide betrogen.
Ich wünschte, jeder aus euch beherzigte diesen einen Grund mit dem Ernst und mit dem Nutzen, wie es einst ein Engländer in der St. Peters-Kirche zu Rom getan. –
Wie ein Protestant den katholischen Glauben fand
Er war ein durch und durch entschiedener Protestant; er bereiste Italien und besuchte Rom, wie so viele andere seiner Landsleute aus Neugierde. Es war das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Der Papst, es war Pius VII., sollte im Dom von St. Peter selbst das Hochamt halten. Als er nach gewöhnlicher Sitte durch die Kirche getragen wurde, da stimmte der Sängerchor die Antiphon an: »Tu es Petrus«, „Du bist Petrus, auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden dieselbe nicht überwältigen.“
So wie der Engländer die Worte hörte: »Et portae inferi non praevalebunt adversus eam«, – da murmelte er vor sich hin, »praevalebunt«, darauf hörte er wieder den Sängerchor das »non praevalebunt« mit Macht intonieren, er erwiderte sein »praevalebunt«, „sie werden überwältigen“.
Doch siehe – die Übermacht der feierlichen Stimmen schien ihn selbst zu überwältigen, die Gnade erleuchtete ihn, er erfasste mit einem Male die ganze Bedeutung und Kraft dieser Versicherung Christi, des Sohnes Gottes; er hielt etwas inne – bedachte sich einige Augenblicke und stieß dann mit vollem Ernst und gläubig mit seinem Stock auf den Boden und sagte, wie der Chor wieder sang, »non praevalebunt«, ja wohl, sie werden sie nicht überwältigen, und ließ sich im katholischen Glauben unterrichten. –
Welchen Eindruck hätten doch auf ihn diese Worte Christi gemacht, hätte er sie aus dem Munde Christi selbst gehört. Als ein neuerungssüchtiger Hoftheologe des Kaisers Joseph von Österreich am Altar bei der heiligen Messe im Evangelium eben diese Worte las, wurde ihm übel; so widerlich war der Eindruck derselben auf sein Herz, zu laut die Mahnung, er sei auf dem Irrweg, wenn er dazu helfe, die Rechte der katholischen Kirche zu schmälern; sie werde doch bestehen, wie sie war, und der Papst mit ihr.
Kein Zweifel, ist Christus Christus, und seine Kirche göttlich, dann ist seine Verheißung wahr und bleibt wahr bis an das Ende der Welt und die Kirche mit ihr, und kein Mensch, kein Engel und kein Teufel kann und konnte sie je ändern.
Mithin angenommen selbst, alles sei wahr gewesen, was die Reformatoren und sonstigen Feinde der Kirche von den Missbräuchen der Päpste, Bischöfe und Priester mit Unwahrheit behauptet haben, so folgte doch daraus noch nichts gegen die Kirche selbst. –
Wären auch Päpste, Bischöfe und Priester Kaiphasse und Judasse und eingefleischte Teufel gewesen, so konnten sie doch die Kirche, die Christus nicht bloß für sie, sondern für das Heil der ganzen Welt und aller Jahrhunderte gestiftet, nicht ändern, so wenig wie sie die Kräfte der Natur ändern konnten. Sie können und konnten die Mittel des Heiles, die Christus selbst in seiner Kirche angeordnet, gebrauchen oder missbrauchen, allein ändern konnten sie die Kirche selbst nicht, und Chrysostomus hatte recht, wenn er schon zu seiner Zeit sagt: „Bevor ihr daran denkt, die Kirche zu ändern, ändert zuerst Sonne, Mond und Sterne. Früher wirst du das Licht der Sonne auslöschen, als dass du die Kirche entkräftest.“
Ist die katholische Kirche die wahre Kirche Christi?
Amerikaner, erfasst ihr wohl die Kraft und die Bedeutung dieses Schlusses: Entweder ist die erste Kirche die wahre oder keine. Wer die Wahrheit dieses Satzes nicht erwägt und sich leichtsinnig darüber hinwegsetzt, dem ist es auch eigentlich mit der Erkenntnis der Wahrheit nicht ernst. Er glaubt im Herzen gar nicht an Christus als den Sohn Gottes und Stifter einer göttlichen Kirche – oder er denkt nicht. Für jeden, der wirklich Christum als Gott anerkennt, genügt dieser eine Grund: Die katholische Kirche ist die erste von Christus selbst gestiftete, also ist sie allein die wahre Kirche Christi.
So jemand am hellen Mittag die Augen freiwillig schließt und sagt: Ich sehe nichts – alles ist finster, dem werde ich wahrhaftig nicht erst aus astronomischen Tabellen mühevoll nachweisen, dass es auch einen Mond und andere Sterne gebe. Ich sage einfach; öffne deine Augen! Tut er das nicht, dann lass ich ihn stehen, er mag die Augen geschlossen halten, solange er will, es ist ihm nicht ernst, die Sonne anzublicken und sich zu überzeugen, dass es Tag ist. –
Gerade so verhält es sich mit der wichtigen Frage: Ist die katholische Kirche die wahre Kirche Christi und hatten die Reformatoren ein Recht, sich von ihr zu trennen?
Ich sage, die Entscheidung darüber hängt einzig und allein von der Beantwortung der einen Frage ab: Ist Christus wirklich der Sohn Gottes und wahrer Gott, und ist die katholische Kirche wirklich die älteste christliche Kirche – die Erste. – Wenn dem so ist, dann ist sie auch wirklich die von Christus selbst gestiftete eine göttliche unveränderliche Kirche, und keine Trennung von ihr konnte je erlaubt sein, da das Wort Christi von dieser seiner Kirche bis an das Ende der Zeiten wahr bleibt: Wer die Kirche – diese von Ihm gestiftete Kirche, nicht hört, der sei dir wie ein Heide. (Matth. 178, 17)
Ist die katholische Kirche wirklich die erste und ursprüngliche, so ist auch alles wahr, was diese Kirche uns zu glauben vorstellt, denn dann hat sie die Verheißung Christi für sich: „Siehe, ich bleibe bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“, und wieder: „Ich werde euch den Geist der Wahrheit senden, der wird euch alle Wahrheit lehren.“
Die unabweisbare Kraft dieses Beweises sehen auch denkende Protestanten klar genug ein; und wenn sie etwas abhält, katholisch zu werden, so liegt der Grund nicht im Verstand, sondern nur im Herzen.
So gesteht in neuester Zeit der gelehrte Protestant Gfrörer (1) in seiner kritischen Geschichte des Urchristentums (I. B. Vorrede, Seite XV. Und XVII.): „Der katholische Glaube ist – wenn man sein erstes Prinzip zugibt, (das auch kein wahrer Protestant leugnet, nämlich, dass Christus Gott und seine Kirche göttlich ist) – so folgerecht wie die Bücher des Euklid (d. h. die Mathematik). Es gibt keinen Artikel der katholischen Dogmatik, der nicht aus diesem Prinzip auf das bündigste gerechtfertigt werden könnte.“
(1) Dieser kürzlich verstorbene berühmte Geschichtsschreiber ist bekanntlich später katholisch geworden. A. d. H.
Selbst Rousseau bekennt unumwunden: „Qu`on me prouve, qu`en matière de foi je suis obligé de me soumettreau décisions de quelqu`un, dès demain je me fais Catholique, et tout homme conséquent et vrai fera comme moi.“ (Lettre de la Montagne II.) „Man beweise mir, dass ich mich in Dingen des Glaubens dem Urteil eines anderen zu unterwerfen habe, und morgen werde ich katholisch und jeder konsequente und aufrichtige Mensch wird dasselbe tun.“
Rousseau hat recht, wenn er sagt: Jeder, denn es handelt sich ja nur mehr um den historischen Beweis: Welche ist die älteste oder besser zu sagen, die erste von Christus, dem Sohn Gottes selbst autorisierte Kirche.
Wie unabhängige Richter die wahre Kirche Christi herausfinden
Ich setzte dieses Gleichnis: Gesetzt es stürbe ein Vater im Jahr 1863. Dieser hätte nur einen Sohn gehabt und der wäre im Jahr 1820 geboren. Diesen Sohn setzt nun der Vater durch sein Testament zum Universalerben seines ganzen Vermögens ein. Er nennt im Testament das Jahr der Geburt seines Sohnes, den Ort und den Namen des Sohnes. Doch siehe da, nach dem Tod des Vaters erscheinen drei Prätendenten und sprechen die Erbschaft an. Jeder dieser drei behauptet, er sei der rechte Sohn des Verstorbenen und dessen Universalerbe. –
Doch das kann nicht sein, da der Vater nur einen Sohn hatte. – Da fragt nun der Richter einen nach den anderen um sein Alter, seinen Namen und Geburtsort. Der erst sagt: Ich bin 18 Jahre alt. Wie heißen Sie? Er nennt einen anderen Namen, als der im Testament steht. Der zweite antwortet: Ich bin 25 Jahre. Wie heißen Sie? Auch dieser nennt einen anderen Namen. Er fragt den dritten: Wie alt sind Sie? Antwort: 43 Jahre. Wie heißen Sie? Er gibt den rechten Namen an. Wo sind Sie geboren? Auch trifft ein. Der Richter fragt, ist noch ein anderer da, der Anspruch auf die Erbschaft macht? Nein. –
Wie können Sie beweisen, dass Sie so alt sind, so heißen und daselbst geboren sind? Hier sind meine Dokumente und die ganze Welt weiß es und kann es bezeugen. Freunde, meint ihr, dass dieser Rechtsfall so verwickelt sei, dass er dem Supreme Court (dem obersten nordamerikanischen Gerichtshof) vorgelegt werden müsste? Ich meine, jedes Kind von zehn Jahren könnte als Richter entscheiden. Der rechte Sohn muss 43 Jahre alt sein; mithin sind die zwei ersten Prätendenten gewiss nicht der in Frage stehende Sohn, sondern der dritte ist es.
Machen wir die Anwendung und lassen wir einen Türken zu Gericht sitzen, der unparteiisch entscheide, welche der drei großen Christenfamilien nach seinem Ermessen die eigentliche christliche Kirche sei.
Diese drei Familien sind: die Katholiken, Protestanten und die schismatischen Griechen im Orient und in Russland.
Der Türke als Richter fragt alle drei Parteien: Glaubt ihr, dass Christus in der Tat Gott sei und die Wahrheit unfehlbar geredet habe? All drei antworten: Ja, so glauben wir. – Glaubt ihr also auch insbesondere dies, dass Christus gesagt: Meine Kirche fällt nicht – die Pforten der Hölle werden sie nie überwältigen? Das glauben wir. – Glaubt ihr auch, dass die Apostel, welche Christus ausgesendet hat, nur eine allgemeine Kirche gegründet haben, und dass deshalb im apostolischen Glaubensbekenntnis steht: ich glaube an eine heilige katholische Kirche? Ja, das glauben wir. – Wann hat Christus diese Verheißung ausgesprochen und wann wurde die Kirche durch Ihn gestiftet? Vor achtzehnhundert Jahren.
Nun denn, Protestanten, sagt mir: Wie lange seid ihr auf Erden? Antwort: dreihundert Jahre.
Wo hätte jemand vor vierhundert Jahren hingehen müssen, um ein Protestant zu werden? Antwort: Da gab es noch keine. – Wer waren also eure Voreltern durch fünfzehnhundert Jahren? Katholiken.
Wie lange seid ihr schismatischen Griechen auf Erden? Antwort: Achthundert Jahre. Wie nennt ihr euch? Orthodoxe. Wer waren eure Voreltern durch tausend Jahre? Die waren katholisch.
Wie lange seid ihr Katholiken auf Erden? Achtzehnhundert Jahre. Wo seid ihr her? Von Jerusalem. Wer hat euch zuerst katholisch genannt? Die Apostel selbst. Wer nennt euch sonst noch so? Die ganze Welt seit achtzehnhundert Jahren. – Wie könnt ihr beweisen, dass ihr schon achtzehnhundert Jahre alt seid und so heißt? Die Geschichte der Welt und aller Völker durch achtzehnhundert Jahre beweist und bezeugt es, besonders aber die Reihenfolge der Nachfolger Petri: Pius IX., Gregor XVI., Pius VIII., Leo XII., Pius VII., Pius VI., und so fort, zurück bis auf Clemens, Linus, Petrus.
Was anders kann der Türke entscheiden als: Wenn Christus nur eine Kirche, und zwar vor achtzehnhundert Jahren gestiftet hat, und wenn keine andere Christengemeinde beweisen kann, dass sie so lange bestehe und eben den Namen an sich trage, welchen seit der Apostelzeit die erste Kirche trug, dann sind die Katholiken die wahren Christen, weil nur sie allein das Alter und den rechten Namen haben.
Dahin zielt auch die bekannte Antwort, welche einst ein Jude gab, der von einem Katholiken und Protestanten befragt wurde, welche seiner Meinung nach, die Kinder der wahren Kirche Gottes wären? Hierauf erwiderte der Jude: Wenn Christus nicht der Messias ist, dann sind wir Juden die Kinder der wahren Kirchen. Ist Christus aber wirklich der Messias, dann sind es die Katholiken, denn die bestehen seit Christus. Ihr Protestanten kommt jedenfalls zu spät.
Neue Kirchengründungen, die sich katholisch nennen
Ich erinnere mich, dass ich einst eine bejahrte Methodistin, deren Tochter katholisch geworden, in Cincinnati traf, welche die mit Gemälden gezierte Kirche der hl. Philomena besehen wollte. Als ich mit ihr vor einem sehr schönen, großen Bild der seligsten Jungfrau und Mutter des Herrn stand, da fragte ich sie:
Wie gefällt Ihnen dieses Bild? Sehr wohl, sagte sie, allein wir Methodisten beten Maria nicht an. Wir Katholiken noch weniger, sagte ich. Aber meinen Sie, dass Maria im Himmel ist? O ja, erwiderte sie, Maria war eine edle Frau. Gut, sagte ich, glauben Sie aber wohl, dass Maria, die Mutter des Herrn, auch eine Methodistin war? Da lachte sie hell auf und erwiderte: Wahrhaftig! Das glaube ich selbst nicht. Hören Sie, sagte ich darauf: Ich wollte doch um nichts in der Welt einer Religion angehören, von der ich bekennen muss, dass Maria, die Mutter des Herrn, ihr nicht angehörte. Da machte sie große Augen. Sie fühlte sich in der Falle gefangen, die sie sich selbst gelegt.
Dr. Pusey und seine Anhänger fühlten in neuester Zeit die Kraft des Beweises: „Die erste Kirche, die wahre.“ Sie ersannen sich eine Ausflucht. Sie nannten und nennen sich englisch-katholisch. Allein wie schon St. Augustin gesagt: „Die Irrgläubigen mögen wollen oder nicht, die ganze Welt nennt nur die katholische Kirche katholisch, nicht aber irgendeine Sekte, wenn es ihr auch einfiele, sich selbst so zu nennen.“ –
Das fand ich selbst hier in diesem Lande. Ich kam im Jahr 1851 nach Manytowoc in Wisconsin. Ich sah daselbst eine große sehr stattlich Kirche mit vielen Kreuzen. Da sagte ich zu einem Amerikaner, es war ein Advokat: Ich wundere mich, dass hier eine so große katholische Kirche ist. Sind denn so viele Katholiken in Ihrer Stadt? Nein, antwortete er, Sie irren sich, das ist keine katholische Kirche, sondern das sind Puseyten. Sie nennen sich wohl auch katholisch. Der Pastor der Kirche war neulich selbst bei mir und sagte: Wir sind auch katholisch, aber nicht römisch-, sondern englisch-katholisch. Ich antwortete: Ihr seid nachgemacht – Ihr seid die rechten Katholiken nicht. Das hieß den Nagel auf den Kopf getroffen.
So fand ich auch in Philadelphia eine Kirche, den Turm mit einem schönen Kreuz geschmückt. Ich fragte: Ist das eine katholische Kirche? Nein, war die Antwort; aber sie nennen sie doch so. – Sie nennen sich apostolisch-katholisch. Wie, erwiderte ich: apostolisch-katholisch? Ja, wenn sie mir das beweisen können, dass sie apostolisch-katholisch sind, das heißt, dass sie von den Aposteln selbst abstammen und somit die Kirche sind, welche die Apostel selbst katholisch genannt, dann schließe ich mich noch heute denselben an. Doch das ist einzig und allein nur die katholische Kirche, welche, so wahr die Geschichte ist, von den Aposteln selbst gestiftet ward, und bei welcher allein der Nachfolger des Apostelfürsten selbst in der Person des Papstes sich befindet.
So beweist sich die katholische Kirche als die einzige wahre Kirche Christi und jeder Mensch, der an Christus glaubt, kann sie als solche leicht erkennen, nach den kräftigen Worten des hl. Ambrosius: „Wo Petrus ist, da ist die Kirche.“
Die Voreltern der Protestanten waren einst Katholiken
Protestanten, beweist, dass der erste Nachfolger Petri ein Protestant gewesen; beweist, dass die ersten Katholiken in England alle protestantische Eltern gehabt und dass England fünfzehnhundert Jahre protestantisch gewesen und dass ein abgefallener Prediger der erste Katholik in England gewesen, oder ein abgefallener protestantischer König, dann werde ich auf der Stelle ein Protestant. –
Hingegen, wenn es so wahr ist als der heutige Tag, dass England fünfzehnhundert Jahre katholisch war, dass der erste Protestant ein abgefallener katholischer Priester und Mönch gewesen, der sechsunddreißig Jahre alt, noch Messe gelesen und Beichte gehört, und wenn das wahr ist, dass sein erster und einflussreichster Anhänger in England ein abgefallener katholischer König war und dass die ersten Protestanten in England all zusammen katholische Eltern gehabt – dann sage ich: katholisch bin und bleibe ich, katholisch will ich leben und sterben.
Fühlt ihr die Kraft dieses Beweises für die Wahrheit der katholischen Kirche als die wahre Kirche Christi und zugleich den Beweis für die Unechtheit der protestantischen Kirche, von der ihr nie beweisen könnt, dass Christus durch seine Apostel dieselbe gestiftet, sondern die weiter nichts anderes ist und bleibt als eine von abgefallenen Priestern und Fürsten versuchte Neuerung?
Recht hatte der katholische Mann, der einst in England, mitten unter Protestanten lebend, von denselben gefragt wurde, ob es ihm nicht bange, wenn er nach seinem Tode auf ihren Friedhof begraben würde? Er antwortete: Keineswegs.
Grabt nur tiefer, da findet ihr lauter katholische Gebeine. Ja wohl, ihr Amerikaner! Grabt auf allen den Friedhöfen Englands, die um die ältesten und berühmtesten Kirchen des Landes liegen, wo vielleicht jetzt Protestanten begraben werden, grabt tiefer und ihr kommt auf lauter katholische Gebeine, und diese Gebeine sind eben die Gebeine eurer Voreltern, und erwägt bei diesen eröffneten Gräbern, erfüllt vom Ernst, den euch der Tod und die Ewigkeit in das Herz flößt, erwägt mit dem ganzen Ernst einer für das Heil einer ganzen Ewigkeit besorgten Seele die Kraft dieses Beweisgrundes: „Die erste Kirche Christi ist die wahre, oder keine.“
Ihr könnt, wenn ihr wollt, Ungläubige sein und bleiben und doch irgendwelchen Schatten von Konsequenz für euren Unglauben in Anspruch nehmen, wenngleich auch das nur ein Schatten ist, wie ich es euch noch später beweisen will; allein ihr könnt als Christen auch nicht einen Schatten von Konsequenz für euren Glauben beanspruchen, wenn ihr als Christen an Christum glauben und die erste Kirche verleugnet. –
Die grellste Inkonsequenz tritt euch dabei bei dem ersten Schritt auf dem Boden der Offenbarung, der Geschichte und der gesunden Vernunft entgegen.
An dieses eine und für sich allein schon unwiderlegbar beweisende Merkmal der Wahrheit der katholischen Kirche als Kirche Christi, schließen sich aber auch noch andere Merkmale an, durch welche die katholische Kirche gemäß der Verheißung Christi wie eine Stadt und feste Burg auf die Höhe des Berges Sion im neuen Testament gestellt ist, um von allen, die eines guten Willens sind und sehen wollen auf den ersten Blick, als Seine wahre Kirche erkannt zu werden. Diese Merkmale sind: das Merkmal der Einheit, der Heiligkeit, der Allgemeinheit und der Unzerstörbarkeit. –
aus: F. X. Weninger, Katholizismus, Protestantismus und Unglaube. Ein Aufruf an alle zur Rückkehr zu Christentum und Kirche, 1869. S. 67 – S. 79
Zwischenüberschriften sind hinzugefügt.
Folgebeitrag: 1. Merkmal der Kirche Die Einheit
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