Die dämonische Sünde

Auch innerhalb der Sünde wider den heiligen Geist wird noch eine Steigerung gefunden. Es gibt eine Sünde, welche so sehr aus dem Willen und der Lust zu sündigen hervor geht, daß man sie sich nur aus einer engeren Verbindung des menschlichen Willens mit dem satanischen glaubt erklären zu können. Als den Modus, wonach die gefallenen Geister auch im Zustand ihrer Verdammnis noch fortwährend Böses wirken, stellt man sich vor den Hass gegen Gott und gegen alles Gute als solches, die Lust an der Verführung, die Freude am Bösen als solchen, den Hohn gegen alles Heilige, die Zerstörung jeder Freude und jedes schönen und edlen Werkes. Wo nun solche Sünde unter den Menschen begangen wird, erkennt man so recht eigentlich eine höhere dämonische Gewalt, welche in das Menschenleben herein greift.

Der Wille zur Sünde kann sich sodann steigern bis zu dem Willen, mit dem Prinzip des Bösen, mit den höllischen Mächten selbst eine Verbindung einzugehen, was man näherhin Dämonismus nennt, bewußte Anrufung und Zuhilfenahme dämonischer Mächte.

Die Verbindung des Menschen mit dem dämonischen Reich ist eine mehrfache; sie erscheint zunächst als Aberglauben (superstitio) in dem älteren und weiteren Sinn des Wortes, wonach man unter ihm jede Art von Huldigung und Kultus den Dämonen gegenüber begreift, also namentlich die Verehrung der Dämonen in den verschiedensten Formen des Heidentums und der Idololatrie. Sodann als Versuch, dämonische Kräfte sich dienstbar zu machen, um Aufschluss über Geheimnisse des Lebens und des Jenseits zu erhalten (Wahrsagerei, Sterndeuterei, Nekromantik u.s.w.), oder um gewisse über die natürlichen Kräfte hinaus gehende Erfolge zu erzielen (Zauberei, Magie u.s.w). Endlich als mystische Vereinigung des Menschengeistes mit dem dämonischen Geist, Gegenbild der mystischen Vereinigung des Christen mit dem Gottmenschen Jesus Christus.

Das Bestreben des Satans, Gott gleich zu sein, offenbart sich nach der Vorstellung der Theologie auch im Gefallenen als Bestreben, es Gott gleich zu tun, einen Kult zu erringen, Tempel zu besitzen, die Werke Gottes nachzuahmen, besonders diejenigen Werke, wodurch Gott seine übernatürliche Ordnung in das Erdenleben herein ragen und herein wirken läßt, Wunder und Weissagung. Der Teufel setzt neben die Kirche des wahren Gottes seine Kapelle; er setzt dem Heerlager Christi sein Heerlager entgegen; er organisiert eine Mission und Propaganda unter seinen Angehörigen, um dem Reich Christi Abbruch zu tun und sein eigenes Reich einzurichten; Vermöge seiner geistigen Superiorität über den Menschen vermag er den Eindruck von Wundern und Weissagungen hervor zu bringen, ja in eine intime geistig-mystische Verbindung mit dem Menschen zu treten, ihn in Besitz zu nehmen, ihm sein Mal (Stigma) aufzudrücken. –
aus: F. X. Linsenmann, Lehrbuch der Moraltheologie, 1878, S. 184