Gottvater, ein Engel mit dem Flammenschwert zu Eva gewandt, ein anderer Engel mit einem Zweig zu Maria gewandt

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
IV. Von der Übertretung der Gebote oder von der Sünde
§ 2. Von den verschiedenen Gattungen der Sünde
1. Von den sieben Hauptsünden

Wann sündigt man durch Trägheit?

Wenn man dem natürlichen Widerwillen gegen Mühe und Anstrengung nachgibt und so seine Pflichten vernachlässigt.

Es liegt in der Natur des Menschen, alles Beschwerliche zu fliehen und sich nach dem ruhigen und behaglichen Genusse des Lebens zu sehnen. Wer dieser mehr oder weniger jedem Menschen angeborenen Scheu vor Anstrengung und Beschwerde sich überläßt und so seine Pflichten vernachlässigt, sündigt durch Trägheit. Man unterscheidet hauptsächlich eine zweifache Trägheit, je nachdem dadurch die pflichtmäßige Sorge für das leibliche oder für das geistliche Wohl vernachlässigt wird.

1. Die erstere Art von Trägheit, die auch Arbeitsscheu oder Müßiggang genannt wird, besteht darin, daß man sich zu keinerlei Arbeit oder wenigstens nicht zur berufsmäßigen Arbeit bequemen will. Dieselbe widerstreitet geradezu der Anordnung Gottes; denn das Strafurteil, welches Gott nach dem Sündenfall über Adam aussprach, gilt auch für alle seine Nachkommen: „Die Erde sei verflucht in deinem Werke; mit vieler Arbeit sollst du essen von ihr alle Tage deines Lebens… Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen.“ (1. Mos. 17. 19) Darum heißt es im Buche Job (5, 7): „Der Mensch wird zur (mühsamen) Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen.“ Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, daß die Pflicht der Arbeit oder einer vernünftigen Beschäftigung nur als Strafe der Sünde auf uns laste. Jedes Geschöpf, mag es auch noch so unschuldig sein, soll nach Gottes Willen die ihm verliehenen Kräfte zur Ehre seines Schöpfers betätigen. Deshalb heißt es auch schon vor dem Sündenfall von Adam: „Gott setzte ihn in den Lustgarten (das Paradies), daß er denselben bebaue.“ (1. Mos. 2, 15) Folge der Sünde ist nur, daß jetzt die pflichtmäßige Arbeit mit Mühe und Beschwerde verbunden ist, und daß die meisten Menschen zur Arbeit gezwungen sind, um ihr Leben zu fristen. Daraus folgt, daß auch die Reichen und Vornehmen, die der Arbeit zu ihrem Lebensunterhalt nicht bedürfen, dennoch zu einer ernsten Betätigung ihrer Kräfte, d. h. zu nützlicher Arbeit, verpflichtet sind. Auch ihnen gilt die Mahnung des Hl. Geistes im Buche Sirach (7, 16): „Hasse nicht beschwerliche Arbeit.“ Ein nachahmenswertes Beispiel gab hierin Kaiser Karl der Große. Nicht zufrieden, selbst angestrengt zu arbeiten, verlangte er auch von seinen Töchtern, daß sie sich allen weiblichen Hausarbeiten unterzogen; sie mussten kochen, nähen, spinnen, waschen usw. Er wollte keine Wäsche und keine Kleider tragen, die seine Töchter nicht angefertigt hatten. So lehrte er durch das Beispiel seines Hauses, daß Arbeit keine Schande, sondern jedermanns Pflicht ist. Ernste Arbeit ist umso mehr Pflicht für jeden Menschen, weil sie das von Gott angeordnete und durchaus notwendige Mittel ist, um sich zu schützen gegen die Angriffe des Versuchers, der „umher geht wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlinge“. (1. Petr. 5, 8) Nur allzu wahr ist das Sprichwort: „Wer sich selbst nicht beschäftigt, den beschäftigt der Teufel“; und jenes andere: „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Vor allem ist es das Laster der Unlauterkeit, dem der Müßiggänger fast immer verfällt.“
Recht beschämend ist es für denselben, daß der Hl. Geist ihm ein vernunftloses Tier zum Lehrmeister gibt: „Geh hin zur Ameise, du Fauler“, spricht er (Sir. 6, 6), „und betrachte ihre Wege und lerne Weisheit!“ Siehe, wie emsig sie sich beschäftigt Tag für Tag und Vorrat für die kommende Winterzeit sammelt. Lerne von ihr, arbeite fleißig, zumal für den Himmel; denn der Lebenstag nimmt ab, es kommt die Nacht, in welcher niemand mehr wirken kann.

2. Die geistliche Trägheit, auch Lauheit genannt, ist ein Zustand der Saumseligkeit bezüglich dessen, was den Dienst Gottes und unser Seelenheil betrifft. Der laue Christ unterscheidet sich zwar noch immer vom lasterhaften, er trachtet noch einigermaßen sich vor groben vergehen zu hüten; gleichwohl ist sein Zustand höchst traurig und gefährlich. Zunächst tut er wenig Gutes. Alles guten werke, zu denen er nicht streng verpflichtet ist, unterläßt er sozusagen grundsätzlich. Dabei versäumt er aber auch noch manche pflichtmäßigen Übungen der Tugend und Frömmigkeit, vernachlässigt den Gebrauch unzähliger Gnadenmittel und hat für die göttlichen Einsprechungen in seinem Innern ein mehr oder weniger taubes Ohr. Sodann tut er das wenige Gute, das er verrichtet, in der Regel schlecht. Beim Gebet ist er schläfrig und zerstreut; bei Anhörung des göttlichen Wortes empfindet er Ekel und Langeweile; die hl. Messe hört er ohne Andacht, empfängt die hl. Sakramente ohne gehörige Vorbereitung, und selbst dann, wenn er mit einigem Eifer an ein Werk der Gottseligkeit geht, verliert er alsbald wieder die Lust daran. Zudem laufen bei diesen und andern guten Werken unedle Absichten mit unter: Eitelkeit, Selbstgefälligkeit, Menschenfurcht u. dgl. Es fehlt eben bei ihm der rechte Geist, der Eifer für die Ehre Gottes und das eigene Seelenheil. Das Schlimmste ist jedoch, daß der Laue seinen schlimmen Zustand nicht erkennt. Da er noch einige Christenpflichten erfüllt, in die Augen fallende Laster vermeidet, so hält er sich für gerecht, dankt Gott gleich dem Pharisäer, daß er nicht ist wie andere. Manches, was vor Gott Todsünde ist, sieht er aus schuldbarer Verblendung für läßlich oder gar für eine bloße Unvollkommenheit an und lebt dahin im Stande der Ungnade Gottes, ohne sich dessen klar bewußt zu sein. Deshalb sagt Gott von einem solchen: „Du sprichst: Ich bin reich, habe Überfluß und bedarf nichts, und du weißt nicht, daß du elend und erbärmlich bist und arm und blind und nackt.“ (Offb. 3, 17) „Jawohl“, sagt der hl. Papst Gregor der Große (Moral. 1. 34. cap. 3), „ein solcher ist arm, weil er keinen Tugendreichtum besitzt, blind, weil er nicht sieht, wie arm er ist, nackt, weil er das herrliche Kleid der heiligmachenden Gnade verloren hat.“
Aus dem Gesagten ist leicht zu entnehmen, zu welchem Abgrund des Verderbens die Lauheit führt. Wo der Weg der Lauen endet, zeigt auch das traurige Los des faulen Knechtes im Evangelium, der an Händen und Füßen gebunden hinaus in die Finsternis geworfen wurde, und das der törichten Jungfrauen, die der himmlische Bräutigam von seinem Hochzeitsmahl ausschloß. „Die Lauheit ist der Anfang des Verderbens“, sagt der hl. Ephräm, „zuerst schleicht sie sich in geringfügigen Dingen ein, hernach aber umstrickt sie den ganzen Menschen und bringt ihn dahin, allen Eifer in Übung der Religion fahren zu lassen und das Joch des Dienstes Gottes abzuschütteln.“ Wirklich ist es eine fast alltägliche Erscheinung, daß Lässigkeit in geistlichen Dingen zur Versäumung der wichtigsten religiösen Pflichten verleitet und allmählich Indifferentismus und Unglauben herbeiführt. Nicht selten ist auch die Unbußfertigkeit eine Folge der Lauheit. Der Grund davon ist leicht einzusehen. Teils ist der Laue, wie oben bemerkt worden, zu stolz, sich seinen traurigen Zustand einzugestehen und gute Ermahnungen anzunehmen; teils auch ist er zu feige und kraftlos, um den beschwerlichen Weg der Buße und ernstlicher Lebensbesserung einzuschlagen und mit Ausdauer zu wandeln. Darum tat Gott den schreckbaren Ausspruch, der jeden Lauen aus seinem todbringenden Schlummer aufrütteln sollte: „O daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, so fange ich an, dich auszuspeien aus meinem Munde.“ (Offb. 3, 16) Der Sinn dieser Worte kann kaum zweifelhaft sein. Stände der Laue in seinen und aller Augen da als großer Sünder, dann wäre noch Hoffnung, daß er, vor der eigenen Verkommenheit und den göttlichen Strafgerichten erschreckend, sich zur Umkehr wendete; nun aber, da er sich für hinreichend gerecht hält und das Verderben nicht sieht, dem er entgegen eilt, so wandelt er wie ein Schlaftrunkener voran; die Gnade findet jeden Zugang zu seinem Herzen verschlossen. Deshalb zieht sich Gott mehr und mehr von ihm zurück und überläßt ihn seinem Schicksal.

Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 2, 1912, S. 354-356